# taz.de -- Doku über Mafia: Die guten Bürger Russlands | |
> Über Leichen gehen? In der russischen Unterwelt ist das Usus. Die Doku | |
> "Die Ehre der Paten – Russlands Mafia" (22.45 Uhr, ARD) beleuchtet drei | |
> einschlägige Biografien. | |
Bild: Wie man in Russland zu Golduhr und Kristalllüster kommt, das zeigt der f… | |
Die Aussicht, es vom Tellerwäscher zum Millionär zu bringen, zieht immer | |
noch so manchen in das "Land der unbegrenzten Möglichkeiten". Doch nicht | |
nur die USA, sondern auch Russland bietet offensichtlich ungeahnte | |
Aufstiegschancen. Nur dass der Weg zu gigantischem Reichtum und Einfluss | |
hier nicht über die Küche eines Restaurants, sondern über jahrelange | |
Demütigungen und Misshandlungen in Gefängnissen und Straflagern führt. | |
Wie das funktioniert, davon berichtet der sehenswerte Dokumentarfilm "Die | |
Ehre der Paten - Russlands Mafia" von Alexander Gentelev. Zu Wort kommen | |
mit Leonid Bilunow, Witali Djomotschka und Alimzhan Tochtachunow drei | |
schillernde Gestalten aus der Unterwelt, die ganz oben in der russischen | |
Mafia mitmischen. Frappierend ist die Offenheit, mit der die Betreffenden | |
auch über schaurige Details ihrer Biografien reden. Dass sie zum Erreichen | |
ihrer Ziele auch über Leichen gehen, beschreiben sie so nüchtern und | |
abgebrüht wie Stationen eines ganz normalen Lebenswegs. | |
Den drei Protagonisten - alle sind zwischen 1947 und 1967 geboren - | |
gemeinsam ist, dass sie früh mit dem Gesetz in Konflikt geraten und im | |
Knast gelandet sind. Sie werden "Diebe im Gesetz" - Anführer, die eigene | |
Regeln samt eines speziellen Ehrenkodexes aufstellen und diese sowohl | |
gegenüber ihren Mithäftlingen als auch der Gefängnisleitung gnadenlos | |
durchsetzen. | |
Lebendig der Hölle entronnen, nutzen sie die Veränderungen, die mit | |
Gorbatschows Perestroika ab 1985 in der Sowjetunion einsetzen. Erste | |
Versuche einer Liberalisierung der Wirtschaft bieten durch | |
Schutzgelderpressung lukrative Möglichkeiten der Bereicherung. Die | |
Privatisierung von Staatsbetrieben Anfang der 90er Jahre eröffnet ein | |
weiteres Betätigungsfeld für die Kapitalakquise mit unlauteren Methoden. | |
Die Markierung des eigenen Terrains mündet in gewalttätige, oftmals tödlich | |
endende Bandenkriege. | |
Das alles vollzieht sich unter dem "Schutz" sogenannten Kryshas (Dächer) - | |
krimineller Netzwerke, die Konkurrenten auch gern mal ausschalten - und vor | |
den Augen einer scheinbar ohnmächtigen Staatsmacht. Deren Vertreter sind | |
vielfach selbst in zwielichtige Machenschaften verstrickt und profitieren | |
davon. | |
Die Banditen von einst sind heute millionenschwer, haben sich in ihrem Land | |
bedeutende Machtpositionen verschafft und gerieren sich gerne als | |
respektable Geschäftsleute. Längst haben sie ihre kriminellen Aktivitäten | |
auch auf den Westen ausgeweitet. Dort ist ihr verbrecherisches Tun den | |
Ermittlungsbehörden zwar bekannt, aber oft nicht lückenlos nachweisbar. | |
Auch Leonid Bilunow, der in einer Nobelvilla im südfranzösischen Antibes | |
residiert, wird mit internationalem Haftbefehl gesucht und hat mehrere | |
Verfahren hinter sich. Doch trotz Reisebeschränkungen lässt es sich hier | |
gut leben - besonders dann, wenn man mit sechsstelligen Spenden an die | |
russisch-orthodoxe Kirche in Cannes bisweilen sein Gewissen erleichtert. | |
Und Alimzhan Tochtachunow, genannt "der Taiwanese"? Der lebt ruhig und | |
unbehelligt bei Moskau und macht gerne in Familie. "Ich bin kein | |
Krimineller, ich bin ein guter Bürger Russlands", sagt er und lacht. Man | |
möchte es ihm fast glauben. | |
22 Jun 2010 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |