# taz.de -- Komorowski vs. Kaczynski: Kopf-an-Kopf-Rennen in Polen | |
> Der Liberale Komorowski ist Favorit – doch sein Sieg ist unsicher. Die | |
> Linke gibt keine Wahlempfehlung ab. Ernsthafte Gefahr droht Komorowski | |
> von den "echten Patrioten". | |
Bild: Kaczynski (links) und Komorowski während eines Fernsehduells. | |
Polens Wahlkampfstudio ist in geheimnisvolles Dunkelblau getaucht. Mit | |
einer Fanfare flammt das Licht auf, und aus dem Dunkel tauchen die beiden | |
Kandidaten auf. Einer von ihnen wird am Sonntag neuer Präsident Polens | |
werden: der stattliche und lebensfrohe Bronislaw Komorowski (58) von der | |
liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) oder der bleiche und noch immer | |
um seinen Zwillingsbruder Lech trauernde Jaroslaw Kaczynski (61) von der | |
nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Der | |
Flugzeugabsturz der Präsidentenmaschine Anfang April im westrussischen | |
Smolensk hatte die vorgezogenen Wahlen notwendig gemacht. Erst dieses | |
letzte Fernsehduell ändert den bisherigen Ton des Wahlkampfes. Statt | |
Trauer, unterdrückter Wut und pietätvollem Schweigen zeigen Kaczynski und | |
Komorowski erstmals wieder Lebens- und Angriffslust, Humor und versöhnliche | |
Gesten. | |
Wahlkampf in Polen ist meist beste Unterhaltung. Oft fliegen die Fetzen und | |
alle amüsieren sich köstlich. Diesmal mussten selbst Polens Revolverblätter | |
zu Habnackt-Fotos bekannter Politiker greifen, um ein bisschen Pepp in den | |
Wahlkampf zu bringen. Sonst herrschte Langweile. | |
Immerhin kam beim zweiten Fernseh-"Duell" der "echte Jaroslaw" wieder zum | |
Vorschein: angriffslustig, giftig und polarisierend wie in alten Zeiten. | |
Politische Beobachter zeigten sich so erleichtert, dass sie ihn nach dem | |
Quiz fast unisono als "Sieger" hochleben ließen. | |
Die Zuschauer fanden Komorowski überzeugender als Kaczynski. Laut einer | |
Umfrage des Instituts GfK Polonia lobten 41 Prozent Parlamentspräsident | |
Komorowski für seine gute und ausgewogene Argumentation. 37 Prozent gefiel | |
die alt-neue Angriffslust des Oppositionsführers Kaczynski besser. 18 | |
Prozent der Zuschauer fanden beide Kandidaten gleich gut. Dies könnten die | |
Anhänger der Bauernpartei PSL und der Linken SLD sein. | |
Die Umfrage spiegelt somit nicht nur das Ergebnis des ersten Wahlgangs vor | |
knapp zwei Wochen wider - damals gewann Komorowski mit 41,5 zu 36,5 Prozent | |
der Stimmen vor Kaczynski. Vielmehr zeigt sie auch auf, dass sich der | |
Favorit Komorowski seines Sieges nicht sicher sein kann. | |
Die Hoffnung auf eine Wahlempfehlung des mit 14 Prozent drittplazierten | |
Grzegorz Napieralski von den Linken löste sich rasch in Luft auf. Denn | |
obwohl die Linken eher Komorowski zuneigen, liegt doch ein Sieg von | |
Kaczynski im ureigensten Parteiinteresse Napieralskis. Denn wenn dieser wie | |
sein Bruder Lech die Reformen und Gesetzesvorlagen von Parlament und | |
Regierung durch ein Veto stoppen würde, müsste die Koalition unter Donald | |
Tusk bei den Linken antichambrieren, um mit deren Stimmen das Veto zu Fall | |
zu bringen. Bei einer Wahl von Komorowski käme es zu einer konstruktiven | |
Zusammenarbeit von Premier und Präsident. Die kleine Oppositionspartei | |
Bündnis der demokratischen Linken würde völlig marginalisiert. | |
So sonnte sich Napieralski ein paar Tage im ungewohnten Schweinwerferlicht, | |
bevor er in Denkweise und Tonfall des "Betonflügels" zurückfiel. Da beide | |
Präsidentschaftskandidaten viel Unheil angerichtet hätten, sollten sie sich | |
besser aus dem politischen Leben Polens zurückziehen, so Napieralski. Aber | |
die Wähler könnten am Sonntag abstimmen, wie sie wollten. | |
Polens katholische Kirche hatte sich nur mit einer Kampagne gegen die | |
In-Vitro-Befruchtung in den Wahlkampf eingeschaltet. Als "echter Katholik" | |
ist Kaczynski gegen künstliche Befruchtung, Komorowski hingegen will die | |
Entscheidung jedem Betroffenen selbst überlassen. | |
Ernsthafte Gefahr droht Komorowski aber von den "echten Patrioten". So | |
zeigt die neueste Ausgabe der nationalkonservativen Gazeta Polska | |
Sowjetdiktator Josef Stalin, ein Leichenfeld und Polens Premier Donald Tusk | |
in der Umarmung von Russlands Premier Wladimir Putin an der Unglücksstelle | |
in Smolensk. Für die Gazeta Polska haben der Massenmord von 1940 an 22.000 | |
polnischen Offizieren und das Flugzeugunglück von Smolensk einen Schuldigen | |
- die Russen. So heißt es auf der Titelseite: "Manipulierte Ermittlungen - | |
Katyn 1940, Smolensk 2010". | |
2 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Gabriele Lesser | |
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