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# taz.de -- Klimawandel: Hitze braucht Platz für Durchzug
> Berlin muss Frischluftschneisen wie die Spree schützen, um den
> Klimawandel zu mildern. Der Senat bastelt zwar an einem Plan. Doch dessen
> Wirkung ist fraglich
Bild: Keine Frischluftschneise: Die Straße des 17. Juni, wie so oft mit viel V…
Hitzetage, mit Temperaturen über 30 Grad Celsius, über mehrere Wochen
hinweg. Hitzetote. Flüsse, die nicht mehr fließen, in denen das Restwasser
steht und langsam einen unangenehmen Fäulnisgeruch entwickelt.
Anpassungsfähige Insekten und Pflanzen, die heimisch werden, andere Arten
verdrängen und zu Allergien bei Menschen führen.
Das ist nur einiges von dem, was Wissenschaftler des Potsdamer Instituts
für Klimafolgeforschung (PIK) für Berlin ab dem Jahr 2030 für
wahrscheinlich halten. Bis 2050 soll die Durchschnittstemperatur in Berlin
und Brandenburg um 2,5 Grad Celsius steigen. Es wird davon ausgegangen,
dass der globale Temperaturanstieg auf 2 Grad Celsius begrenzt werden muss,
um den Klimawandel einigermaßen kontrollierbar zu halten. Der Klimawandel
wird stärkere Auswirkungen haben als bislang angenommen; darin waren sich
die Forscher bei der Vorstellung der Ergebnisse einig.
Bekannt ist die von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in Auftrag
gegebene Studie seit April letzten Jahres. Doch Konsequenzen zog man
bislang kaum. Dabei machte die Studie des PIK eines klar: Städte, auch
Berlin, müssen nicht nur daran arbeiten, sich klimafreundlich zu verhalten,
sie müssen darüber hinaus Strategien entwickeln, wie man sich auf den
Klimawandel einstellt. "Der Klimawandel wird kommen und ein Problem sein,
das lokal gelöst werden muss", sagt Herbert Lohner, Naturschutzreferent des
Berliner Landesverbandes des BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
Ein Problem, das nicht nur den Natur- und Umweltschutz betrifft. "Es wird
auch ein gesundheitspolitisches Thema sein", das Lohner. Das zeigt sich
schon in diesen Tagen: Ärzte warnen die 10 bis 20 Prozent der Bevölkerung,
die empfindlich auf Ozon reagieren, angesichts der Grenzwertüberschreitung
vor körperlicher Anstrengung im Freien; das Rote Kreuz verstärkt für die
Fußball-Fanmeile auf dem 17. Juni die Notfallhilfe; Krankenkassen rufen
Pfleger dazu auf, den Pflegebedürftigen besonders viel Flüssigkeit
zuzuführen. Das sind zunächst nur die Dinge, die die menschlichen
Stadtbewohner betrifft.
Doch abgesehen von kurzfristigen Maßnahmen sind langfristige Lösungen
nötig. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will dafür einen
Stadtentwicklungsplan Klima erstellen. Er soll unter anderem Grünflächen
vor Bebauung schützen, Kaltluftschneisen einplanen und Handlungskonzepte
für extreme Wetterereignisse ausarbeiten. Denn Extremwetterereignisse wie
sehr starke Regenfälle werden, das sagen die Prognosen, in Zukunft häufiger
auftreten. Ein besonderer Schwerpunkt soll auf dem "Urban Heat"-Phänomen
liegen. Das beschreibt die Situation von Großstädten in heißen Sommern: Die
vielen Gebäude speichern Wärme besonders gut. Dadurch kühlt die Stadt
nachts nicht richtig ab und heizt sich tagsüber weiter auf.
Derzeit arbeitet das Fachgebiet Landschaftsplanung und
Landschaftsentwicklung der Technischen Universität an dem Plan. In diesem
Jahr soll das Projekt abgeschlossen sein. Konkrete Inhalte will Alexander
Abel, Sprecher der Stadtentwicklungsverwaltung, noch nicht nennen:
"Momentan befinden wir uns noch in dem Stadium, in dem wir intensiv
diskutieren."
Umweltverbände drängen darauf, dass der Plan ein starkes Instrument wird.
"Es muss damit möglich sein, Flächen freizuhalten, notfalls auch gegen
Investorendruck", sagt Lohner. Ein Beispiel dafür nennt Franziska
Eichstädt-Bohlig, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen: das
Spreeufer. "Mediaspree müsste eine breitere Frischluftschneise entlang der
Spree werden", fordert sie. Solche Schneisen helfen bei Hitze, die Stadt zu
durchlüften. Derzeit würden die Grundstücke am Spreeufer ausschließlich
unter dem Aspekt der Bodenverwertung betrachtet, nicht unter dem Aspekt der
klimatischen Bedeutung, kritisiert Eichstädt-Bohlig.
Ein weiteres Beispiel: das Tempelhofer Feld und der in zwei Jahren
stillgelegte Flughafen Tegel. Solche großen Flächen gelten in begrüntem
Zustand als Gebiete, in denen Kaltluft entsteht. Doch wenige große Flächen
reichen nicht, um eine Stadt von der Größe Berlins in einem heißen Sommer
zu kühlen. Denn deren Kälte wirkt nur wenige hundert Meter in bebaute
Gebiete hinein. "Daher werden auch viele kleine Grünflächen gebraucht",
sagt Umweltschützer Lohner. Er fordert, den Stadtentwicklungsplan Klima
nicht zu allgemein zu halten. "Er muss Gebiete nennen, die freigehalten
werden sollen wegen ihrer bioklimatischen Wirkung." Ähnlich sieht es der
umweltpolitische Sprecher der SPD, Daniel Buchholz. "Die Formulierungen
sollten so konkret wie möglich sein."
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung will auch dazu noch nichts sagen.
Umweltschützer Lohner geht davon aus, dass einer der problematischsten
Punkte erst nach der Abgeordnetenhauswahl im nächsten Jahr zutage treten
wird: Wenn sich der dann fertige Stadtentwicklungsplan Klima nicht im neuen
Haushalt niederschlage, so Lohner, sei er nichts weiter als eine
Luftnummer.
3 Jul 2010
## AUTOREN
Svenja Bergt
Svenja Bergt
## TAGS
Resilienz
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