# taz.de -- BOMBENRÄUMER: Hartnäckige Altlasten | |
> Wohl über eine Million Geschosse wurden im Zweiten Weltkrieg über Bremen | |
> abgeworfen. Wie viele davon noch im Boden liegen, weiß niemand. | |
Bild: Bleibt auf Abstand, als Bombenentschärfer Andreas Rippert Fundstücke ze… | |
Das Geschoss, das Andreas Rippert in der Hand hält, sieht selbst ein wenig | |
aus, wie ein U-Boot. Seine englischen Konstrukteure haben es dafür gebaut, | |
eben jene zu zerstören. Warum es ausgerechnet nahe der heutigen Bremer Uni | |
niedergegangen ist? "Keine Ahnung", sagt Bremens oberster | |
Bombenentschärfer. | |
So ist es oft in seinem Metier. Soweit bekannt ist, wurden im Zweiten | |
Weltkrieg bei 173 Angriffen insgesamt 26.000 Tonnen Munition und Bomben auf | |
Bremen abgeworfen - rund 1,1 Millionen Projektile, schätzt Rippert. Wie | |
viele davon noch im Boden liegen weiß niemand. "Unsere Vorgänger waren | |
schon während des Krieges intensiv tätig. Aber das wurde nicht dokumentiert | |
und wir wissen nicht, wo was geborgen wurde." Bekannt sei lediglich die | |
Bergung von rund 16.000 Bomben und Projektilen durch den Bremer | |
Kampfmittelräumdienst. Doch ob dies "nun zehn oder 15 Prozent von dem sind, | |
was da noch liegt, das ist Spekulation", sagt Rippert. | |
In England gebe es möglicherweise aufschlussreiche Luftbilder aus | |
Kriegszeiten. Doch zum einen seien diese noch nicht vollständig erfasst. | |
"Außerdem kostet ein Bild etwa 45 Euro Lagerungs- und Erschließungskosten. | |
Da könnte ein erkleckliches Sümmchen auf uns zukommen." Bisher verfügt der | |
bei der Bremer Polizei am Niedersachsendamm angesiedelte Räumdienst über | |
rund 5.000 Luftbilder von Bremen und Bremerhaven aus den Jahren des Zweiten | |
Weltkriegs. Diese werden vor allem herangezogen, um Grundstücke vor | |
Bauvorhaben besser einschätzen zu können. "Wie versuchen, jedes Grundstück, | |
das neu erschlossen wird, systematisch abzusuchen", sagt Rippert. Für ihn | |
steht fest, dass der Kampfmittelräumdienst noch lange Zeit mit den | |
Spätfolgen des Krieges gegen das Nazi-Regime beschäftigt sein wird. "Ich | |
werde das sicherlich noch an meinen Nachfolger weitergeben", sagt der | |
52-Jährige. | |
2009 haben er und seine sieben Kollegen 453 Granaten, zehn Bomben, 176 | |
Brandbomben und sogar zwei Panzerfäuste unschädlich gemacht. Zur Zeit | |
beschäftige sie vor allem die Erneuerung vieler Leitungen der Hansewasser. | |
"Die führen zum Teil durch die Hauptabwurfgebiete." Er hofft, dass der | |
Kampfmittelbeseitigungsdienst vom Einstellungsstopp im öffentlichen Dienst | |
ausgenommen werde. "Unser Altersdurchschnitt liegt bei 56. Ohne Nachwuchs | |
wird es Probleme geben." | |
Anfang Juni waren drei Bombenentschärfer in Göttingen gestorben, als eine | |
Fliegerbombe kurz vor ihrer Entschärfung explodiert war. "Ich glaube, dass | |
die Kollegen einfach Pech hatten. Sowas passiert", sagt Rippert. Er selbst | |
habe keine Angst. "Wer Angst hat, macht Fehler." Der Unfall in Göttingen | |
ereignete sich bei der Entschärfung einer als besonders gefährlich | |
geltenden Bombe mit einem so genannten Langzeit-Säurezünder. Die wurden in | |
Bremen immerhin sieben Mal gefunden: In Kattenturm, Gröpelingen und Farge. | |
Bei einer Infoveranstaltung mit Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) am Freitag | |
demonstriert Rippert ein Sammelsurium seiner Fundstücke: Brandbomben mit | |
weißem Phosphor, die sich bei Kontakt mit Sauerstoff selbst entzünden. | |
"Wenn man dies berührt ist die Langzeitfolge fast immer Krebs." | |
Thermit-Stab-Brandbomben, die aussehen wie zu groß geratene | |
Inbus-Schlüssel. "Der Inhalt verbrennt unter großer Hitzeentwicklung. Die | |
Idee war: Die Sprengbomben zerstören die Dächer, dann wirft man Brandbomben | |
hinterher." Mit 22 Jahren habe er den Job begonnen. Mittlerweile glaubt er, | |
dass "nichts die Kreativität des menschlichen Geistes so sehr anfacht, wie | |
der Krieg". | |
9 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
## TAGS | |
Fliegerbombe | |
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