# taz.de -- Alte AKWs sind am schlimmsten: Spröde, ermüdet, verschlissen | |
> Die acht ältesten Atomkraftwerke in Deutschland erhöhen das Unfallrisiko: | |
> Sie sind spröde, ermüdet, verschlissen und wären heute nicht mehr | |
> genehmigungsfähig. | |
Bild: Aktivisten demonstrieren am 26.6.2010 am Atomkraftwerk Krümmel. | |
Die deutschen Atomkraftwerke sind aus technischer Sicht unterschiedlich | |
sicher; der Weiterbetrieb der acht ältesten Anlagen würde das allgemeine | |
Risiko des Betriebs von Atomkraftwerken deutlich überproportional erhöhen. | |
Das ist das Ergebnis einer Studie, die der ehemalige Abteilungsleiter für | |
Reaktorsicherheit im Bundesumweltministerium, Wolfgang Renneberg, im | |
Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion erstellt hat. Am Freitag wurde sie in | |
Berlin vorgestellt. | |
Zu den Atomkraftwerken der älteren Bauart gehören die Druckwasserreaktoren | |
Biblis A, Biblis B, Neckarwestheim 1 und Unterweser sowie die | |
Siedewasserreaktoren Brunsbüttel, Krümmel, Philippsburg 1 und Isar 1. Diese | |
sollten nach Ansicht der Grünen-Fraktion so schnell wie möglich vom Netz | |
gehen. | |
Das Bundesumweltministerium habe bislang keine aktuelle Bewertung der | |
Sicherheit der deutschen Atomkraftwerke vorgelegt, kritisiert Renneberg in | |
seiner Studie. "Aus den bereits bekannten Untersuchungen ergibt sich | |
jedoch, dass bei allen Kernkraftwerken Fehler, die durch Alterung zumindest | |
mitverursacht sind, zunehmen", heißt es darin. Bei den Kraftwerken der | |
älteren Baulinien sei die altersbedingte Fehlerrate wesentlich höher. So | |
hätten beispielsweise die Atomkraftwerke Neckarwestheim 1 und Biblis eine | |
bis zu viermal so hohe jährliche Fehlerereignisrate wie die neueren | |
Kraftwerke Neckarwestheim 2 und Emsland. | |
Ursache ist laut Renneberg nicht nur die Materialermüdung einzelner | |
Bauteile, die aufgrund von Verspröden, Ermüden, Korrosion oder mechanischen | |
Verschleiß nicht mehr richtig funktionieren, sondern auch die veraltete | |
Gesamtkonzeption. So fehle bei Biblis A ein unabhängig arbeitendes | |
Notfallkühlsystem; es seien weniger Wasserreserven zum Kühlen vorhanden; | |
viele Leitungen seien bautechnisch nicht getrennt, was das Risiko im | |
Brandfall erhöht. | |
Von Nachrüstungen hält Renneberg wenig. "Die alten Anlagen lassen sich aus | |
technischen und wirtschaftlichen Gründen nicht auf den Stand der Technik | |
bringen", so der Experte. Jeder Versuch, die alten Reaktoren auch | |
konzeptionell auf den heutigen Sicherheitsstandard zu bringen, käme einem | |
Neubau nahe. "Planung, Genehmigung und Bau würden so große Zeiträume in | |
Anspruch nehmen, dass die Sicherheitsverbesserungen für einen effektiven | |
Sicherheitsgewinn zu spät kämen." | |
Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin kritisierte die Bundesregierung unter | |
Verweis auf die Studie scharf. "Die Behauptung, Deutschland habe die | |
sichersten Atomkraftwerke, ist ein Euphemismus, der einer Lüge nahekommt", | |
so Trittin. Kein deutsches Atomkraftwerk sei heute noch genehmigungsfähig. | |
Auf der anderen Seite sei Deutschland, auch dank des Ausbaus der | |
erneuerbaren Energien, mittlerweile ein Stromexporteur. Jährlich werde etwa | |
so viel Strom ins Ausland geleitet, wie die acht ältesten Atomkraftwerke | |
erzeugen könnten. "Wir könnten die alten Reaktoren also sofort abschalten, | |
ohne die Versorgungssicherheit zu gefährden." Die alten, abgeschriebenen | |
Atomkraftwerke würden nur deshalb weiterlaufen sollen, um den | |
Stromkonzernen Extragewinne zu ermöglichen. | |
Wie der Staat solche Gewinne zumindest zum Teil abschöpfen kann - darüber | |
debattierte der Bundestag am Donnerstagnachmittag. Die geplante Einführung | |
einer Brennelementesteuer fand dabei im Prinzip die Zustimmung aller | |
Fraktionen. Die von der Koalition gleichzeitig geplante | |
Laufzeitverlängerung für Atomkraftwerke blieb aber stark umstritten. Union | |
und FDP waren dafür, SPD, Linke und Grüne dagegen. Ende August will die | |
Bundesregierung ihr neues Energiekonzept vorlegen. | |
10 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Richard Rother | |
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