# taz.de -- Großdemonstration in Spanien: Katalanen fühlen sich als eigene Na… | |
> Rund eine Million Menschen fordern in Barcelona mehr Unabhängigkeit von | |
> Madrid. Die hatte ihnen das Verfassungsgericht verwehrt. Es geht dabei | |
> vor allem ums Geld. | |
Bild: "Sie stehlen uns täglich 60 Millionen Euro": Hunderttausende demonstrier… | |
Es war eine der größten Demonstrationen, die Barcelona je gesehen hat. "Wir | |
sind eine Nation. Wir entscheiden", lautete das Motto des Protestzuges, der | |
sich gegen eine Urteil des spanischen Verfassungsgerichts richtete, in dem | |
mehrere Paragrafen eines neuen Autonomiestatuts für Katalonien für | |
verfassungswidrig erklärt wurden. Das Urteil sei "ein Anschlag auf die | |
Selbstregierung" beschwert sich der Präsident der katalanischen | |
Autonomieregierung, der Sozialist José Montilla. Da die Katalanen das | |
Statut in einer Volksabstimmung angenommen haben, besäße das | |
Verfassungsgericht nicht die Legitimität, ein Urteil über den Text zu | |
fällen. | |
Über 1.000 Busse aus der gesamten Region, in der rund 7,5 Millionen | |
Menschen leben, brachten die Menschen nach Barcelona. Die Veranstalter | |
sprechen von 1,5 Millionen, die Polizei von Barcelona von 1,1 Millionen. | |
Die größte spanische Tageszeitung El País kalkulierte anhand der von den | |
Demonstranten bevölkerten Straßen nur 400.000 Menschen "mit einer | |
Fehlerquote von 15 Prozent". | |
Das vor zwei Wochen gefällte Urteil des Verfassungsgerichts war just am | |
Vorabend der Demonstration in schriftlicher Form veröffentlicht worden. | |
Demnach ist der Begriff Nation, der im Vorwort des Statuts für Katalonien | |
Verwendung findet, juristisch ungültig. Die wirtschaftsstarke Region muss | |
auch künftig beide Sprachen, das Katalanische und das Spanische, gleich | |
behandeln. Ein eigener oberster Gerichtshof als letzte Instanz für alle in | |
Katalonien begonnenen Verfahren wird der Region verwehrt. Das Gleiche gilt | |
für den Beauftragten für Bürgerrechte. Außerdem wird Katalonien - entgegen | |
dem Autonomiestatut - auch weiterhin solidarisch mit anderen spanischen | |
Regionen sein müssen. | |
Katalonien genoss bereits in den 1930er Jahren während der zweiten | |
spanischen Republik eine weitgehende Autonomie, die es unter der Diktatur | |
General Francos wieder verlor. Nach dem Tod Francos 1975 lebte die | |
Autonomiebewegung erneut auf. 1979 erhielt Katalonien erneut die Autonomie. | |
Doch der Kampf um die Ausweitung der Autonomierechte suchte dabei stets | |
nach neuen Wegen. So stützen die nationalistischen Parteien aus Katalonien | |
immer wieder Minderheitsregierungen egal welcher Couleur in Madrid und | |
lassen sich dies bezahlen. Der Sozialist Felipe González weitete ebenso wie | |
sein konservativer Nachfolger José María Aznar den Teil der Steuereinnahmen | |
aus, über die Katalonien selbst bestimmt. Und der derzeit regierende | |
Sozialist José Luis Rodríguez Zapatero stellte sich im Gegenzug für die | |
Unterstützung aus Barcelona hinter die neue Landesverfassung. | |
"Die Großdemonstration in Barcelona verbannt das Statut in die zweite | |
Reihe", hieß es gestern im Leitartikel der El País. Denn vielen | |
Demonstranten ging es nicht um mehr Autonomie. Ihr Ruf nach Unabhängigkeit | |
bestimmte den Marsch. Sie trugen das Symbol der Unabhängigkeitsbewegung, | |
die katalanische Fahne mit einem eingefügten Dreieck und einem Stern. | |
Die in Madrid und Barcelona mitregierende separatistische Republikanische | |
Linke Kataloniens (ERC) und ein nicht unerheblicher Teil der Basis der | |
gemäßigt nationalistischen, christdemokratisch orientierten Convergència i | |
Unió (CiU) unterstützen die Loslösung von Spanien. Es geht dabei nicht nur | |
um Sprache und Kultur, sondern um den regionalen Reichtum. "Sie stehlen uns | |
täglich 60 Millionen Euro" - war auf einem Transparent zu lesen. | |
12 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Reiner Wandler | |
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