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# taz.de -- Afrikas Nationalmannschaften: Die kontinentale Baustelle
> Der afrikanische Fußball bleibt eine Baustelle. Mehr Kontinuität, mehr
> Raum für die vielen guten U20-Spieler - das ist das Erfolgsrezept. Es
> muss nur umgesetzt werden.
Bild: Hatten zumindest auf das Achtelfinale gehofft: Bafana-Bafana-Fans in Süd…
Es ist ein alter Reflex, dem Afrika auch am Ende dieser Fußball-WM
verfällt. "Heute reift die Spielergeneration heran, die beim Olympischen
Fußballturnier 2008 auf sich aufmerksam machte", sagt Robert Nouzaret über
die Nationalmannschaft der Elfenbeinküste, die er von 1996 bis 1998 und
2002 bis 2004 trainierte. "Zusammen mit den jetzigen Schlüsselspielern
steht dieser Generation eine hoffnungsvolle Zukunft bevor", glaubt der
Franzose. Ganz ähnliche Hoffnungen formulieren auch die Ghanaer und die
Nigerianer. Afrika lebt - wie so oft - in der Zukunft, die irgendwie besser
werden soll. Oft wird sie schlechter.
In diesem Fall gibt es aber tatsächlich ein paar Argumente für eine bessere
Zukunft. Ghana wurde 2009 U20-Weltmeister, die Elfenbeinküste erreichte das
Viertelfinale der Olympischen Spiele von Peking, Nigeria gewann 2007 die
U17-WM und stand 2008 im olympischen Finale. Auch bei der WM habe man
bewiesen, "dass Nigeria eine schier unerschöpfliche Quelle für neue Talente
im Fußball darstellt", meint Bora Milotinovic, der die Auswahl während der
WM 1998 betreute. Chinedu Obasi, Victor Obinna, Peter Odemwingie und Sani
Kaita seien Spieler mit einer großen Zukunft, findet der weitgereiste
Trainer und folgt mit dieser Aussage einem Trend dieser WM: "Besinnt euch
auf die Jugend, und der Erfolg wird schon kommen."
Nicht nur in Afrika, auch in England und Frankreich will man künftig nach
diesem Credo arbeiten. Trendsetter sind tatsächlich die Ghanaer, deren
Viertelfinalteilnahme ohne das Wirken der U20-Weltmeister von 2009
undenkbar gewesen wäre. Manchmal standen vier Spieler aus diesem Jugendteam
auf dem Platz. Der 20-jährige André Ayew hat eine herausragende WM
gespielt, der 19-jährige Jonathan Mesah hat sich als überaus talentierter
Verteidiger profiliert, Samuel Inkoom (20) war ein vielseitiger Mann für
die rechte Spielfeldseite, und der gleichaltrige Dominic Adiyiah gilt
ohnehin als Juwel. Adiyiah war Torschützenkönig der U20-WM, angeblich
bemüht sich TSG Hoffenheim um den Stürmer, der noch beim AC Mailand unter
Vertrag steht.
Im Team der Elfenbeinküste gibt es Seydou Doumbia (22) von den Young Boys
Bern, der die Schweiz verzauberte, Gervinho (23) vom OSC Lille wird
ebenfalls eine große Zukunft vorausgesagt, und Kamerun ist stolz auf
Alexandre Song (22, Arsenal). An Talenten mangelt es nicht. Doch die
Trainer vertrauten den Youngstern nicht. Was Afrika braucht, sind nicht
unbedingt mehr talentierte Fußballer, sondern ein Nationalmannschaftsklima,
in dem junge Spieler sich vernünftig entfalten können. Der Schalker Marvin
Matip (19) und der Nürnberger Eric Choupo-Moting (21) sollen in Kameruns
Team regelrecht geschnitten worden sein, weil Trainer Paul Le Guen sie im
ersten WM-Spiel aufstellte, während ein paar Platzhirsche draußen saßen.
Zweifelhafte hierarchische Strukturen innerhalb der Teams bremsen die
Talente enorm.
Wenn nichts Überraschendes passiert, dann werden sich einige der jungen
Fußballer in den kommenden vier Jahren der Weltklasse nähern, während die
Nationalmannschaften kaum davon profitieren. Denn der Vorsprung der
stärksten europäischen Verbände ist eher noch größer geworden. Die Akribie,
mit der Schlüsselpositionen im Umfeld europäischer Mannschaften mit
kompetenten Leuten besetzt werden, ist in Afrika undenkbar. Afrikanische
Verbände neigen nach wie vor dazu, ein veraltetes Denken und die
dazugehörigen Köpfe zu importieren.
Immerhin scheinen die Verbände eine Lektion zu lernen: dass Entwicklungen
Zeit brauchen. Deshalb hat Kameruns Verbandschef Iya Mohammed den Versuch
eines Sportartikelherstellers abgeschmettert, die Kontrolle über die
Nationalmannschaft zu übernehmen. Eine Führungskraft von Puma sollte als
Manager fungieren und Lothar Matthäus war für den Trainerposten vorgesehen.
Mohammed sprach sich nun für "ein Ende des häufigen und regelmäßigen
Trainerwechsels" aus: Was der kamerunische Fußball brauche, sei mehr
Stabilität. Le Guen darf wohl weitermachen.
Und um den Vorsatz der größeren Kontinuität zu erleichtern, sollen die
Afrika-Cups ab 2013 in den ungeraden Jahren stattfinden, damit die alte
Unsitte, kurz vor der WM noch schnell beim Kontinentalturnier erfolglose
Trainer zu ersetzen, endlich der Vergangenheit angehört. Aber auch das ist
nur ein kleiner Beitrag zum großen unvollendeten Projekt, an dessen Ende
afrikanische Spieler auch in ihren Nationalmannschaften jenen großen
Fußball zeigen sollen, den sie in ihren Vereinen spielen.
11 Jul 2010
## AUTOREN
Daniel Theweleit
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