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# taz.de -- Museum am Stadtrand: "Nicht alle Museen müssen in Mitte liegen"
> Vor 60 Jahren wurde das Georg-Kolbe-Museum eröffnet, seit 32 Jahren ist
> Ursel Berger seine Direktorin.
Bild: Jetzt im Kolbe Museum zu sehen: Rodins Büsten
taz: Frau Berger, als Sie vor 32 Jahren an das Georg-Kolbe-Museum kamen,
haben Sie sich darüber Gedanken gemacht, wie lange sie bleiben?
Ursel Berger: Überhaupt nicht. Als ich mich beworben habe, war das nicht
mal so furchtbar ernst gemeint. Ich war Volontärin an den Staatlichen
Museen und dachte, na versuch ich es mal. Dass das praktisch mein Leben
bestimmen würde, das hat sich erst allmählich herausgestellt.
Dass eine Frau ein Museum leitet, kam in der damaligen Zeit noch selten
vor.
Das war eine Ausnahme, aber ich hatte ein Vorbild: die Leiterin des
Gerhard-Marcks-Hauses in Bremen. Außerdem war das Kolbe-Museum immer etwas
am Rande positioniert und es ist nach wie vor eine private Institution. Da
konnte ich mein eigenes Süppchen kochen, das war einfacher als in so einem
großen Betrieb wie der Stiftung Preussischer Kulturbesitz.
Mir fällt auf, dass viele der kulturhistorischen Ausstellungen, die Themen
der Kolbe-Zeit aufgriffen, Projekte von jungen Kunsthistorikerinnen waren -
etwa die Entwicklung des Ausdruckstanzes in der Moderne, der auch die
Bildhauer faszinierte. Ist die Unterstützung von Künstlerinnen und
Kunsthistorikerinnen ihr Projekt?
Ich habe mich nicht hingestellt und gesagt: "Ich bin Feministin und alles
wird anders." Aber ich habe gerne solche Kolleginnen mit einbezogen und
solche Themen aufgegriffen. Volontäre bei uns kommen mit den Hauptaufgaben
eines Museums in engsten Kontakt. Ich habe als Volontärin in der
Nationalgalerie Fotos geordnet. Hier kann man sich einbringen, und in der
Regel steht am Ende eine Ausstellung, "Glamour. Das Girl wird feine Dame"
oder "Wilde Welten" über die "Aneignung des Fremden in der Moderne" waren
solche Projekte junger Kolleginnen. Bis vor kurzem waren wir ja nur zweit,
die Volontärin war die stellvertretende Direktorin.
Das Kolbe Museum feiert in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen. Das
Besondere ist, dass in diesem Haus Kolbe gelebt und gearbeitet hat.
Ja, dies hier war sein Esszimmer, mein Büro oben ist im ehemaligen
Schlafzimmer. Das Nachbarhaus hat er für die Familie seiner Tochter bauen
lassen.
Wenn ich an die Berliner Künstler denke, die ich persönlich kenne, ist
niemand dabei, der sich ein eigenes Atelierhaus, gar in einem Villenviertel
von Berlin, heute leisten könnte. War Kolbe damit zu seiner Zeit eine
Ausnahme?
Kolbe war in seiner Generation der erfolgreichste Bildhauer: Damit ist
nicht seine kunsthistorische Wertschätzung gemeint, sondern dass er sich in
seiner Zeit behaupten konnte mit Aufträgen. Er konnte davon ganz gut leben.
Aber man muss auch genau hinschauen: Das Haus, das Ernst Rentsch für ihn
1928/29 baute, ist doch sehr einfach, zumal verglichen mit dem, was sich in
den Generationen vor und nach ihm Künstler geleistet haben. Unter Kaiser
Wilhelm ließen sich Künstler Schlösser und Burgen bauen, unter Adolf Hitler
bekamen Breker und Thorak große Anwesen geschenkt.
Breker und Thorak werden heute überhaupt nicht mehr geschätzt, weil sie
sich in ihrer Kunst sehr für die Propaganda der NS-Zeit vereinnahmen
ließen. Deren Rezeption heute ist ja auch eines der Themen, die Sie in
Ausstellungen bearbeitet haben; eben auch, weil deren Werk rückblickend
auch sehr beeinflusst hat, was wir heute von Kolbe halten.
Kolbe hatte Bestellungen, aber es war für ihn wesentlich, dass er nach
eigenen Vorstellungen gearbeitet hat. Nicht der Auftrag war zuerst da, nach
dem er sich gerichtet hat, sondern er arbeitete beispielsweise an einer
Männerfigur, und dann kam der Auftrag eines Bankdirektors, diese Skulptur
in Bronze auszufertigen. Was Sie ansprechen, ist ein schwieriges Thema -
die Nazizeit, in der Kolbe weiterhin erfolgreich war, wenn auch anders, als
er selbst es erwartete. Da ist es in der Tat so, dass man auf die
exemplarischen Arbeiten von Breker und Thorak schaut und dann über die
Ähnlichkeiten in dem Werk von Kolbe stolpert. Das erklärt sich aber so,
dass Kolbe sich - mehr aus privaten Gründen - in den 30er Jahren zu einem
heroischen Stil entwickelt hat, den Thorak und Breker aufgenommen und
vergröbert und monumentalisiert haben.
Ich war immer erleichtert, dass das Museum keine Kolbe-Gedenkstätte war.
Vor Ihnen haben Kolbes Fotografin und seine Enkelin das Haus geleitet. Wie
sah das Haus damals aus?
Zuerst so, wie der Künstler es verlassen hat, so hatte Kolbe das auch in
seinem Testament bestimmt. Der Atelierraum war vollgestellt mit
Gipsmodellen, Werkzeug, das staubte schon ein. Die Enkelin machte einen
Schnitt, sie räumte das aus und machte eine Kolbe-Ausstellung. Als ich kam,
habe ich dann versucht, die ganze Breite der Zeit mit hineinzunehmen,
Zeitgenossen von Kolbe vorzustellen und Kulturgeschichten. Das war auch die
Bedingung des Landes Berlin, um das Haus zu unterstützen. Ich hielt es aber
auch für notwendig, die Werke Kolbes aus der NS-Zeit, die im Garten stehen,
nicht wegzuräumen, das ist Teil seines Werks, die müssen mit diskutiert
werden.
Das Museum im Westend liegt weit vom Schuss. Ist es ein Problem, Publikum
hierher zu bekommen.
Im riesigen Berlin ist das immer ein Problem. Ich bedaure es etwas, dass
man heute meint, Museen müssten alle in Mitte liegen.
Wie machen Sie auf ihr Haus aufmerksam?
Es ist extrem teuer, wenn man im Stadtbild von Berlin auffallen will, mit
Plakaten werben können wir nicht. Wir versuchen den Kreis der Interessenten
und Freunde stetig zu erweitern, die Besucherzahlen haben sich in den
letzten Jahren auch verdreifacht, sie sind von 8.000 im Jahr auf über
20.000 gestiegen, weil die Themen vielfältiger wurden und wir
Besucherkreise direkter ansprechen.
Vor zwei Jahren kam Marc Wellmann als Ausstellungsleiter neu an ihr Museum.
Dass das historische Feld inzwischen gut bestellt ist, hat dazu geführt,
dass ich jemand für zeitgenössische Kunst dazugewinnen wollte. Das ist sein
Schwerpunkt. Und die Resonanz gibt uns da recht.
13 Jul 2010
## AUTOREN
Katrin Bettina Müller
## TAGS
Kultur in Berlin
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