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# taz.de -- Stress im Schwimbad: Manche kühlen lieber ihr Mütchen
> Nach Prügeleien werden die Sommerbäder in Neukölln und Kreuzberg geräumt.
> Brennen jungen Männern bei der Hitze die Sicherungen durch? Sind
> Freibäder bald für alle anderen No-go-Areas? Die Berliner sehen das eher
> gelassen.
Bild: Die Idylle sieht manchmal nur, wer nach oben blickt.
Der Bademeister sitzt zurückgelehnt auf seinem Wachturm und spult durch
sein Megafon immer wieder die gleichen Sätze ab: "Runter von der Leine!
Nicht von den Seiten springen!" Im Schwimmerbecken springen halbwüchsige
Jungs trotzdem von den Längsseiten ins Becken und sitzen auf dem
Abtrennseil zwischen Schwimm- und Springerbereich. Doch den Bademeister des
Neuköllner Columbiabads kann an diesem Samstag nichts aus der Ruhe bringen,
denn die Kids stören nicht wirklich jemanden. Wegen des zeitweiligen Regens
sind nur etwa hundert Badegäste gekommen, vereinzelt liegen sie auf ihren
bunten Handtüchern auf den Liegewiesen, gerade mal eine Handvoll Leute
ziehen im großen Becken ihre Bahnen.
Noch eine Woche zuvor hatten hier bei Temperaturen von weit über 30 Grad
Tausende von Leuten Abkühlung gesucht, die Stimmung war unter einigen
Badegästen so aggressiv, dass die Wachleute das überfüllte Bad zwei Stunden
vor Betriebsschluss mithilfe der Polizei räumen ließen. Am
Freitagnachmittag mussten nun auch die Gäste des Kreuzberger Prinzenbads
wegen einer Schlägerein vorzeitig gehen.
Der Sprecher der Berliner Bäderbetriebe, Matthias Oloew, erklärt die
Prügeleien mit der Hitze: "Die Leute sind solche Temperaturen nicht gewohnt
und werden aggressiv. Die Stimmung putscht sich dann hoch." Klaus Lipinsky,
der Vorstand der Bäderbetriebe, appellierte am Samstag an die Berliner:
"Wir sind besorgt und alarmiert. Behalten Sie trotz der Sommerhitze einen
kühlen Kopf."
Sind Schwimmbadbesuche jetzt gefährlich? "Nein, die Zeitungen haben gleich
von Massenschlägereien geschrieben, das muss man nicht alles glauben", sagt
der Ticketverkäufer des Columbiabads. Nach Angaben der Polizei war bei dem
Vorfall vor gut einer Woche ein Gast wegen der Hitze zusammengebrochen - es
verbreitete sich jedoch das Gerücht, dass er durch einen Messerstich
verletzt worden sei. Zudem kam es an mehreren Stellen des Bades zu
Rangeleien und Streitigkeiten, bei denen zwei Sicherheitsleute verletzt
wurden. "Bei Eintreffen der Polizei hatte sich die Situation schon
weitgehend beruhigt, es war jedoch eine aggressive Stimmung spürbar und die
Leitung des Bads entschloss sich, den Betrieb einzustellen", erklärte
Polizeisprecher Thomas Goldack. Ähnlich war es beim Prinzenbad: Die
Wachleute räumten, damit eine Schlägerei zwischen fünf Jugendlichen nicht
ausuferte. Ein vierjähriges Mädchen war dabei leicht verletzt worden.
Die Räumung von Berliner Bädern ist ein Novum. "Es ist eine prophylaktische
Maßnahme, durch den hohen Andrang kann es schwierig werden, Konflikte unter
Kontrolle zu bringen", erklärte der Bäderbetriebe-Sprecher Oloew. Jetzt
müsse aber geprüft werden, ob die beiden Räumung wirklich notwendig waren.
Zunächst seien sie auf alle Fälle erfolgreich gewesen, weil so niemand
ernsthaft verletzt worden sei. "Die letzten Sommer war es ruhiger, weil es
nicht so heiß war. Jetzt müssen wir herausfinden, ob eine Räumung der
Weisheit letzter Schluss ist", so Oloew.
"Hier sorgen immer wieder dieselben Pappenheimer für Ärger", erzählt einer
der Sicherheitsleute im Neuköllner Sommerbad. Jugendliche würden von den
Seiten springen, weibliche Badegäste belästigen und Leute provozieren.
Prügeleien müssten andere Badegäste jedoch nicht befürchten. "Die greifen
eher uns an", sagt der Wachmann. Im Columbiabad und im Prinzenbad ist das
Wachpersonal nach den Räumungen von acht auf zwölf Mitarbeiter pro Schicht
verstärkt worden.
"So schlimm, wie jetzt alle sagen, ist es nicht", erzählen drei Mädchen in
der Umkleide, die im Columbiabad ihre Ferien verbringen. "Die Emotionen
kochen halt über bei den Temperaturen, das ist überall in der Stadt so",
sagt auch eine Kreuzbergerin, die jeden Vormittag zum Schwimmen ins
Neuköllner Sommerbad kommt.
Fest steht: Zumeist zetteln Jugendliche die Auseinandersetzungen an. Dass
es sich dabei immer um Jugendliche mit Migrationshintergrund handelt, will
Oloew dagegen nicht bestätigen. Und nicht nur in Kreuzberg und Neukölln
geraten Halbstarke aneinander: "Auch in Wilmersdorf haben sich schon junge
Leute geprügelt." In Pankow habe es vor einigen Jahren Kämpfe zwischen
Weddinger und Pankower Jugendlichen. "Wir betreiben Schwimmbäder und keine
Erziehungsanstalten und können Defizite aus Elternhäusern und Schulen nicht
ausgleichen", so Oloew. Derzeit haben 300 Berliner bei den Bäderbetrieben
Hausverbot.
18 Jul 2010
## AUTOREN
Kathleen Fietz
## TAGS
Freibad
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