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# taz.de -- Leichtathletik: Keine Freunde in der Grube
> Der Weitspringer Christian Reif ist nach der Deutschen Meisterschaft eine
> Goldhoffnung für die EM - und will aus dem Schatten des Konkurrenten
> Sebastian Bayer treten.
Bild: "Die Konkurrenz war beeindruckend": Christian Reif.
BRAUNSCHWEIG taz | Ihr Auftreten könnte unterschiedlicher nicht sein. Und
sie mögen einander auch nicht besonders. "Im Weitsprung gibt es keine
dicken Freundschaften", sagt Christian Reif. Zwischen ihm und Sebastian
Bayer, den beiden zurzeit besten deutschen Weitspringern, offenbar schon
gar nicht. Und so zeigt der Ludwigshafener Reif auch keinerlei Mitleid, als
nach den deutschen Meisterschaften der Leichtathleten am Wochenende in
Braunschweig feststeht: Er bleibt vorerst der einzige deutsche
Weitspringer, der die Norm erfüllt hat. Die Norm von 8 Metern, die zum
Start bei den am Dienstag in einer Woche beginnenden Europameisterschaften
in Barcelona berechtigt.
Und mehr als das: Reif führt mit 8,23 Metern sogar die europäische
Jahresbestenliste an. In Braunschweig landete er bei 8,18 Metern und sagte:
"Ich denke, die Konkurrenz war beeindruckt." Trotzdem habe er mit einem
Konter Bayers gerechnet. "Sebastian ist immer für eine Überraschung gut",
so Reif. "Aber die blieb aus und ich bin froh." Bayer (Hamburg) kam nicht
über 7,71 Meter hinaus, aber gewann vor rund 10.000 Zuschauern immerhin
Silber.
Die Idee, er könnte für den Hallen-Europarekordler Bayer gehofft haben,
dass dieser nach langer Verletzungspause doch noch rechtzeitig in Form
gekommen ist, findet Reif reichlich eigenartig: "Er wäre ein Konkurrent
mehr in Barcelona, ganz ehrlich, natürlich habe ich ihm nicht die Daumen
gedrückt", sagt der 25-Jährige. Bayer ist ja auch nicht nur ein irgendein
Gegner für Reif, sondern der Mann, in dessen Schatten er zuletzt stand.
2007 wurde Reif WM-Neunter und damals für seinen 8,19-Meter-Sprung als
zukünftiger Star gefeiert. Doch dann war er immer wieder verletzt und wurde
2009 nicht rechtzeitig zur Heim-WM in Berlin fit.
Derweil entriss ihm Sebastian Bayer mit zwei Paukenschlägen den
Star-Status: 8,71 und 8,49 Meter, gesprungen bei den Hallen-EM 2010 und den
deutschen Meisterschaften 2010, überstrahlten die konstanteren, aber
kürzeren 8-Meter-Sprünge Reifs. Der 25-jährige Bayer avancierte damit zum
Medaillenkandidaten für die WM in Berlin, trat dort mit einer
Knöchelverletzung an und schied schon in der Qualifikation aus.
Wenn Christian Reif geht, schlackern seine langen Arme und Beine lustig in
der Gegend herum. Wenn er spricht, redet er mit funkelnden Augen munter
drauflos. Er trägt sein Selbstbewusstsein erhobenen Hauptes und ganz
offensichtlich zur Schau. Gegenentwurf zu Christian Reif ist Sebastian
Bayer. Der wirkt immer kontrolliert in seinen Bewegungen. Er spricht ruhig
und leise. Auch er glaubt an sein Können, trägt das aber subtiler vor. Nach
seinem Scheitern in Braunschweig sagte er: "Ich hätte das hier heute
springen können müssen, ich weiß nicht, wo die Weite war."
Auf die Frage, ob er sich an der Stelle des Deutschen
Leichtathletik-Verbandes (DLV) über eine Ausnahmegenehmigung für die EM
nominieren würde, antwortet Bayer: "Ja." Dafür hat Christian Reif kein
Verständnis. Er sagt: "Das kann nicht Sebastians Anspruch sein." Er selbst
immerhin wurde im vergangenen Jahr nicht für die WM in Berlin gemeldet,
weil er nicht innerhalb der Nominierungsfrist fit geworden war. Zum Start
der Titelkämpfe war er es dann, doch das nutzte ihm nichts mehr.
In diesem Jahr könnte der DLV weniger streng verfahren. Der für den
Spitzensport zuständige Vizepräsident Günther Lohre kündigte an, am
heutigen Montag in Kienbaum ein möglichst großes Team für Barcelona
nominieren zu wollen und auf Härte- und Sonderfälle vorbereitet zu sein.
Nach Bayers missglücktem Auftritt sagte Cheftrainer Herbert Czingon:
"Sebastian hat die Vorgaben nicht erfüllt, das muss man ganz klar sagen,
aber er wird nicht der einzige Fall sein, über den wir noch sprechen
werden." Auch DLV-Präsident Clemens Prokop kündigte an, dass "im Zweifel
eher für den Athleten" entschieden werde, da die junge deutsche Mannschaft
mit Blick auf Olympia 2012 in London internationale Erfahrung sammeln soll.
Der DLV will Medaillen, keine Freundschaften.
19 Jul 2010
## AUTOREN
Susanne Rohlfing
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