# taz.de -- Trendsport: Surfende Vogelscheuchen | |
> Weil es 1999, als das Nationalparkgesetz überarbeitet wurde, noch keine | |
> Kitesurfer gab, dürfen diese überall hin - und vertreiben mit ihrem Sport | |
> die Vögel. | |
Bild: Viele Drachen aber keine Vögel: der Kitesurf-Weltcup vor St. Peter-Ordin… | |
Noch bis 25. Juli dauert der Kitesurf-Weltcup vor St. Peter-Ording. Während | |
der Cup stattfindet, versuchen Naturschützer, den Nationalpark Wattenmeer | |
vor den Kitesurfern zu schützen. Der Biologe Christof Götze, Sprecher der | |
Naturschutzgesellschaft Schutzstation Wattenmeer, fordert klar definierte | |
Nutzungsbereiche: Zonen, in denen das Kiten erlaubt ist, und Zonen, in | |
denen Vögel ihre Ruhe haben. "An Brut- und Rastgebieten wirken Kitesurfer | |
wie große Vogelscheuchen", sagt Götze. | |
Bei Ebbe sind Kitesurfer kein Problem, doch bei Flut erreichen sie "dank | |
des geringen Tiefgangs auch die letzten Winkel des Nationalparks", sagt | |
Götze. Kein Vogel, so Götze, "bleibt auf seinen Eiern sitzen, wenn ein | |
Surfer direkt an seinem Nest vorbeifährt". | |
Westerhever im Kreis Nordfriesland, eine, wie Götze sagt, "Übungszone für | |
Kitesurfer", sollte ebenso gemieden werden wie das Tümlauer Koog, weil da | |
Nistplätze für Zugvögel sind. Auch der Königshafen und die Hörnumer Nehrung | |
auf Sylt sollten umfahren werden, dort ist ein Rastplatz der Pfuhlschnepfe. | |
Die Kniepbucht auf Amrum ist ein Aufzuchtareal der Eiderenten, auch der | |
Knutt lebt phasenweise hier. | |
Kitesurfer stören nicht nur in der Brutzeit und bei der Aufzucht der | |
Jungen, sondern eigentlich immer. Der Knutt kommt ins Watt mit 100 Gramm | |
Gewicht. In zwei bis drei Wochen futtert er sich aufs Doppelte hoch. Im | |
Frühjahr macht er sich mit dieser Energie auf den Weg nach Norden und im | |
Herbst fliegt er nach Afrika. "Ohne das Gewicht, das er sich hier holt, | |
schafft er das nicht", sagt Götze. Die Kiter scheuchen die Vögel auf, und | |
dabei verbrauchen sie die für den Flug benötigte Energie. Es geht dabei | |
nicht um die Zahl der Kiter. "Einer reicht", sagt Götze, der Fotos kennt, | |
auf denen man sehen kann, wie ein Areal vor und nach einem durchrauschenden | |
Kitesurfer aussieht. Erst voller Vögel, dann leer. | |
St. Peter-Ording findet Götze für das Kitesurfen "unproblematisch". Genau | |
wie die Westküste auf Amrum, die Westküste von Sylt und Nordstrand vor | |
Husum. Götze und seine Mitarbeiter sind dabei, ein Programm zu schreiben, | |
das er Surfschulen zur Verfügung stellen will, um an die Kiter | |
heranzukommen. Momentan dürfen sie überall hin, weil es, als das | |
Nationalparkgesetz 1999 überarbeitet wurde, Kitesurfen noch nicht gab. | |
In St. Peter-Ording wird seit diesem Jahr nicht mehr mit Fahrzeugen auf dem | |
Strand gefahren. "Wir achten auch darauf", sagt Matthias Neumann, | |
Geschäftsführer von "Act Agency", dem Veranstalter des Weltcups, "den | |
Strand sauber zu halten". Es gibt keine Einweggetränke, und bei "Westwind | |
wird die Musik heruntergefahren". Er verweist darauf, dass Veranstaltungen | |
wie der Weltcup "für Orte wie St. Peter-Ording überlebenswichtig sind". | |
Robby Naish, 47, ist verantwortlich dafür, dass es so viele Kitesurfer | |
gibt. Und er weiß das. Mit 13 wurde er jüngster Windsurf-Weltmeister aller | |
Zeiten. Der erste von 24 WM-Titeln. Er hat die Surfbretter verkürzt, das | |
Sichtfenster in den Segeln eingeführt, Fußschlaufen und Trapez erfunden. | |
Dann kam das Kitesurfen. In dieser Disziplin wurde er 1998, mit 35 Jahren, | |
Weltmeister im Slalom. 2001 stellte er mit 70,37 Kilometern pro Stunde | |
einen Geschwindigkeitsweltrekord auf. Auch für das Kitesurfen entwickelt | |
die Firma Naish Hawaii Ltd. die Ausrüstung weiter. Vor kurzem ist die | |
dritte Sportart auf die Welt gekommen: Stand Up Paddling. "Die am | |
schnellsten wachsende Sportart in den USA", sagt Naish. Nicht nur dort. | |
Erfunden auf Hawaii, wo Surflehrer, um ihre Schüler besser beobachten zu | |
können, auf ihre Surfbretter stiegen und dann ein Paddel brauchten, um sich | |
fortzubewegen. Vom 27. bis 29. August findet ein Worldcup in Hamburgs | |
Hafencity statt. Dort kann ökologisch nichts schief gehen. Aber wenn die | |
ersten Paddler ins Watt kommen, werden die Vögel wieder Reißaus nehmen. | |
"In Spanien ist Kitesurfen an den meisten Stränden verboten", nicht nur aus | |
ökologischen Gründen, sondern auch, weil es gefährlich ist, "wenn Anfänger | |
an vollen Stränden üben", sagt Naish. Auch auf Hawaii gibt es Gebiete, an | |
denen nicht gekitet werden darf. Einen Grundkonflikt zwischen | |
Wassersportarten und Ökologie sieht Naish nicht. "Im Gegenteil, du bist | |
doch mit diesen Sportarten so nah an der Natur dran. Du lernst die Natur | |
kennen und lieben, im Normalfall missbrauchen wir die Natur nicht. Wir | |
lernen was über sie." Er ist dafür, auch in Deutschland Zonen einzurichten, | |
wo Kiten erlaubt ist und wo es nicht erlaubt ist. In den USA setzen sich | |
Surfer und Naturschützer zusammen dafür ein, dass nicht "überall Häfen | |
gebaut und Hotels auf die Strände gesetzt werden". | |
Dass man beim Weltcup in St. Peter-Ording nicht mehr mit dem Auto auf den | |
Strand fahren darf, findet Naish normal. In den Staaten, sagt er, "fahren | |
sie in Florida, Georgia, South und North Carolina, Virginia und so weiter | |
auf den Strand. An der Westküste wirst du verhaftet, wenn du das machst", | |
sagt er, "zu Recht." | |
22 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Roger Repplinger | |
## TAGS | |
Wassersport | |
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