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# taz.de -- Widerstand: Behörde verhindert Blockadetraining
> Stadt Göttingen untersagt kurzfristig Probeblockaden gegen geplanten
> Neonaziaufmarsch am 14. August in Bad Nenndorf - Grüne Jugend
> veranstaltet stattdessen ein theoretisches Seminar unter freiem Himmel.
Bild: "Nicht nachmachen": Weil Göttingen Probeblockaden untersagte, hielt Grü…
Stefan Wenzel, Fraktionschef der Grünen im niedersächsischen Landtag, ist
empört. "Das ist doch völlig überzogen", schimpfte der Abgeordnete am
vergangenen Samstagnachmittag in der Göttinger Fußgängerzone. Was Wenzel so
aufregt: Die Göttinger Stadtverwaltung hat ein "öffentliches
Blockadetraining" der Grünen Jugend im Vorfeld eines Nazi-Aufmarsches in
Bad Nenndorf kurzfristig untersagt.
Noch am Mittwoch hatte das städtische Ordnungsamt keine Bedenken wegen der
angemeldeten Aktion gehabt. Die sollte vor der Innenstadtkirche St. Jacobi
stattfinden. Der freie Zugang zur Kirche und ein "problemloses Passieren
des Jacobiplatzes" müssten allerdings gewährleistet bleiben, schrieb die
Behörde in einer E-Mail. Am Freitagnachmittag - offenbar nach Intervention
der Polizei, wie ein Anwalt berichtete - erhielt Moritz Keppler, der das
Training für die Grüne Jugend angemeldet hatte, einen weiteren
Auflagenbescheid.
"Probeblockaden jedweder Art und Rollenspiele, deren Inhalt das probeweise
Wegtragen von Versammlungsteilnehmern ist, die zu Übungszwecken eine
Blockadeaktion simulieren, sowie sonstige schauspielerische Aktionen, die
Blockadeaktionen darstellen, sind im Verlauf der Versammlung untersagt",
hieß es in dem Behördenschreiben.
Nach einer Pressemitteilung der Grünen Jugend im Internet halte es die
Göttinger Stadtverwaltung für "offenkundig", dass die Teilnehmer nicht nur
die Verhinderung von rechten Aufmärschen diskutieren und aufklären wollen,
sondern sich "aktiv an der Einübung von Praktiken beteiligen wollen, die zu
rechtswidrigen Situationen und Taten führen werden".
"Im Verwaltungsgericht war da natürlich niemand mehr zu erreichen", sagt
Keppler. Eine Beschwerde gegen die Auflage habe man deshalb nicht mehr
rechtzeitig einlegen können.
Die Grünen wollen das Verbot aber nachträglich anfechten. So verwies
Fraktionschef Wenzel auf das so genannte "Mutlangen-Urteil" des
Bundesverfassungsgerichts. Dieses habe Sitzblockaden und andere Formen
"zivilen Ungehorsams" im Jahr 1986 nämlich nicht als Straftaten, sondern
nur als Ordnungswidrigkeit bewertet.
Viele der rund 50 Interessierten auf dem Kirchplatz haben von dem
faktischen Verbot des Blockadetrainings vorab gar nichts mitbekommen. Für
sie organisierte die Grüne Jugend deshalb spontan ein "theoretisches
Seminar" unter freiem Himmel. Mit Hilfe einer provisorischen Tafel
erläuterten die Sprecher der Jugendorganisation Jan Wienken und Julia
Hamburg, wie sich eine fiktive "Mimi" bei Sitzblockaden am besten verhält,
wie Polizeiketten umgangen und Bezugsgruppen organisiert werden können.
"Aber bitte nicht nachmachen, es ist wirklich nur theoretisch", rief
Wienken. Lautes Gelächter bei den Zuhörern, von denen sich viele auf den
Boden gesetzt hatten. Verlegenes Lächeln bei einigen der Polizisten, die im
Umkreis postiert waren.
Neben dem theoretischen Training gab es noch Informationen zu der
Nazi-Demonstration in Bad Nenndorf am 14. August. Die rechtsextreme Szene
hat die Kurstadt zu ihrem Wallfahrtsort gemacht und veranstaltet seit 2006
"Trauermärsche" zum Winckler-Bad, einem früheren Verhörzentrum der
britischen Armee. Dort waren führende Nazis inhaftiert. In dem Lager
landeten aber auch Menschen aufgrund vager Verdächtigungen und
vermeintliche sowjetische Spione. Es kam im Winckler-Bad zu Misshandlungen
und Folterungen, weshalb das Lager nach zwei Jahren von den Briten
geschlossen worden war.
Im vergangenen Jahr zogen mehr als 700 Neonazis aus dem In- und Ausland
durch Bad Nenndorf. Rund 1.500 Bürger stellten sich ihnen entgegen. Für den
14. August mobilisieren zwei antifaschistische Bündnisse zu Demonstrationen
und Blockaden gegen den rechten Aufmarsch.
In Göttingen zogen am Samstag die Teilnehmer des "Blockade-Seminars" noch
in einer Demonstration durch die Stadt. Am Platz der ehemaligen Synagoge
und am Zwangsarbeiterdenkmal legten sie weiße Rosen ab. "Wir wollen den
Anfängen wehren", sagte ein Teilnehmer.
25 Jul 2010
## AUTOREN
Reimar Paul
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