# taz.de -- Nach der Loveparade-Tragödie: Verantwortliche? Gibt es nicht! | |
> Duisburgs Oberbürgermeister Sauerland redet sich weiter aus der | |
> Verantwortung. Er habe keine Genehmigung unterschrieben. Selbst aus den | |
> eigenen Reihen kommen Rücktrittsforderungen. | |
Bild: Stille Trauer in Duisburg. | |
BERLIN/DUISBURG/ESSEN taz/afp/dpa/apn | Fünf Tage nach der Katastrophe auf | |
der Duisburger Loveparade, bei der 21 Menschen umkamen, schieben sich die | |
Verantwortlichen weiter gegenseitig die Schuld zu. Seit Tagen steht vor | |
allem Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) in der Kritik. | |
Rücktrittsforderungen lehnt er weiterhin ab. "Ich habe mein Leben - 21 | |
andere Menschen haben es verloren. Ich will erst wissen warum. Danach | |
entscheide ich über persönliche Konsequenzen", sagte er der Bild. Eine | |
Mitschuld am tödlichen Ausgang der Loveparade wies er von sich. Er habe | |
"keine einzige Genehmigung" für die Veranstaltung unterschrieben, sagte | |
Sauerland. "Das ist gar nicht der Job des Oberbürgermeisters, Genehmigungen | |
zu unterschreiben." Die Abschlussgenehmigung habe "einer unserer besten | |
Kollegen" abgezeichnet. | |
Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft reagierte auf die | |
Rechtfertigung mit Empörung. "Es ist völlig unerheblich, ob der | |
Oberbürgermeister Vorgänge selbst unterschrieben hat, sagte Rainer Wendt | |
der Onlineausgabe des Handelsblatts. "Es ist das Wesen der politischen | |
Verantwortung, dass es nicht an persönliches Fehlverhalten geknüpft ist, | |
sondern für gravierende Fehlentscheidungen im Verantwortungsbereich des | |
Politikers wirksam wird." | |
"Persönliche Verantwortung kann es nur geben, wenn es ungerechtfertigte | |
Eingriffe in den Prozess gegeben hätte. Diese gab es aber nicht", sagte | |
Sauerland den Zeitungen der WAZ-Gruppe. Es gelte nun zu klären, ob "die | |
Verwaltung Fehler gemacht hat, oder ob sie falsch informiert wurde", sagte | |
er mit Blick auf die Genehmigung der Techno-Veranstaltung durch die Stadt. | |
Er trage politische Verantwortung, "nicht nur weil ich als einer von 75 | |
Ratsherren dafür gestimmt habe, dass wir als Duisburger die Loveparade | |
wollen". | |
Gleichzeitig bat Sauerland die Angehörigen der Opfer um Entschuldigung für | |
die "Fehlinformation", diese seien bei der Flucht aus der Massenpanik zu | |
Tode gestürzt. Er habe diese Meldung nur weitergereicht. "Diese Aussage war | |
definitiv falsch und ich entschuldige mich für diese Aussage bei allen, vor | |
allen bei den Angehörigen der Opfer", sagte Sauerland. Die Obduktion hatte | |
ergeben, dass die Opfer an Brustquetschungen gestorben waren und keines | |
durch einen Sturz. | |
Der Druck auf Sauerland wächst. In den vergangenen Tagen wurde er bedroht | |
und auch angegriffen. Bei einer Demonstration vor dem Duisburger Rathaus | |
haben am Donnerstagmorgen rund 200 Menschen seinen Rücktritt gerodert. Sie | |
riefen "Sauerland weg" und forderten ihn vergeblich auf, herauszukommen. | |
Zwischendurch legte die aufgebrachte Menge eine Schweigeminute für die Oper | |
der Loveparade-Katastrophe ein. Der Eingang zum Rathaus wurde von | |
Polizisten bewacht. | |
Nicht nur großte Teile der Bevölkerung, auch Politiker fordern Sauerlands | |
Rücktritt. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) etwa sagte | |
im ZDF: "Es gibt eine politisch-moralische Verantwortung." Sauerland wäre | |
gut beraten, die Frage seiner moralischen Verantwortung "sehr schnell zu | |
beantworten". | |
Nach dem vorläufigen Ermittlungsbericht sei klar, dass die Stadt Duisburg | |
dem Veranstalter genehmigt habe, Flucht- und Zulaufwege "sehr viel kleiner, | |
sehr viel enger gestalten zu dürfen, als die gesetzliche Lage eigentlich | |
erlaubt", sagte Jäger. "Das wird ein Problem der Stadt Duisburg werden, das | |
zu begründen im Rahmen der Genehmigung." Aber auch der Veranstalter, der | |
für den Bereich des Tunnels verantwortlich gewesen sei, habe sein eigenes | |
Sicherheitskonzept nicht eingehalten. Der Veranstalter habe für die | |
Sicherheit zu sorgen gehabt. "Das hat überhaupt nicht funktioniert." | |
Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl | |
(CSU), griff im Südwestrundfunk Stadtverwaltung und Polizei scharf an. Der | |
Auflagenbescheid der Stadt für die Massenveranstaltung zeige | |
"abenteuerlich, wie fahrlässig hier gehandelt" worden sei. In dem Dokument | |
sei "an keiner Stelle erwähnt", wie der Veranstalter "Sicherheit herstellen | |
will und soll, und wie viele Ordner er dazu braucht, und an welcher Stelle | |
was zu tun und zu lassen" sei. | |
Die politische Verantwortung für die Tragödie liegt Uhls Meinung nach bei | |
der Behörde, die die Veranstaltung genehmigt hat, also der Stadt. Deshalb | |
sei es "natürlich", dass Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) | |
zurücktreten müsse. "Je schneller, um so besser", sagte der | |
Unionspolitiker. | |
Aber auch die Polizei hat Uhls Einschätzung nach versagt. Sie dürfe nicht | |
nur Bedenken vortragen, sondern müsse sich notfalls durchsetzen, was sie | |
nach geltendem Recht auch könne. | |
29 Jul 2010 | |
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