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# taz.de -- GESUNDHEIT UND PFLEGEBERUF: "Lernen am schlechten Beispiel"
> Mehr als die Hälfte der Pflegeschüler hat schon gesundheitliche Probleme,
> sagt eine neue Studie der Bremer Uni. Das Problem sind die schlechten
> Vorbilder, sagt Stefan Görres.
Bild: Viele PflegerInnen sind schon während ihrer Ausbildung krank
taz: Das Pflegekräfte häufig krank sind, ist nicht neu. Hat es Sie da
überrascht, dass das auch schon für die Auszubildenden gilt, Herr Görres?
Stefan Görres: Ja. Angesichts der Tatsache, dass wir auf einen neuen
Pflegenotstand zusteuern, alternde Belegschaften und Probleme wie hohe
Fluktuationsraten und Burn-out bei Pflegekräften haben, sind wir im Vorfeld
unserer Untersuchung davon ausgegangen, dass Pflegeschulen hier mehr
investieren.
Und?
Die Träger der Ausbildung und auch die Krankenhäuser und Pflegeheime
arbeiten - wenn es um das gesundheitsbewusste Arbeiten geht - noch nicht
so, wie wir das erwartet haben.
Worunter genau leiden die PflegeschülerInnen?
Über die Hälfte der Untersuchten hat schon Kreuz- und Rückenschmerzen.
Außerdem leidet fast die Hälfte unter Schulter, Nacken und Kopfschmerzen.
Ein Drittel hat Schlafstörungen oder andere psychosomatische Beschwerden.
Insgesamt beurteilt jeder Dritte der Auszubildenden den eigenen
Gesundheitszustand und das allgemeine Wohlbefinden nur als befriedigend bis
mangelhaft. Das kann man nicht hinnehmen, wenn zugleich davon die Rede ist,
der Beruf muss attraktiver werden.
Werden die SchülerInnen erst durch den Beruf krank?
Wir haben nicht untersucht, ob und inwieweit sie Krankheiten vielleicht
auch schon mitbringen. Wenn aber doch, wäre das ein
gesamtgesellschaftliches Alarmzeichen. Das würde ich nicht ohne weiteres
unterstellen.
Ist die Ausbildung an den Schulen schlecht?
Nein. Die Auszubildenden lernen inzwischen vieles über Gesundheitsförderung
und Prävention in der Schule, etwa über rückenschonendes Arbeiten. Die
Frage ist: Können sie das auch im Pflegealltag umsetzen, der von hoher
Leistungsdichte gekennzeichnet ist und in den sie oft voll integriert
werden? Da liegt der Hase im Pfeffer. Die praktische Ausbildung ist da noch
nicht genügend sensibilisiert.
Rückenschonendes Arbeiten ist kein zusätzlicher Zeitaufwand.
Richtig. Aber jene, die seit langem in dem Beruf arbeiten, machen es ja
auch oft nicht, benutzen etwa nur selten technische Hilfsmittel, haben also
vielfach kein ausgeprägtes Gefühl für gesundheitsbewusstes Arbeiten. Die
Schüler haben kein gutes Vorbild vor Augen und lernen dann am schlechten
Beispiel.
Sind die SchülerInnen für ihre eigenen Belange genügend sensibilisiert?
Das denke ich schon. Aber Auszubildende können sich oft nicht gegen eine
jahrzehntelang eingespielte Praxis durchsetzen.
Was könnte man dagegen tun?
Theorie und Praxis müssen besser zusammen arbeiten. Die Träger müssen viel
mehr in gesundheitsbewusstes Arbeiten investieren, erst recht jetzt, wo die
Belegschaften immer älter werden. Auch die Schulen müssen modernisiert
werden. Bundesweit entspricht unserer Untersuchung zufolge mehr als die
Hälfte der Schulgebäude nicht den gesundheitlichen Anforderungen. Und ein
Drittel der Schulen ist unter ergonomischen Gesichtspunkten ungenügend.
Aber nur wenige verfügen über die finanziellen Möglichkeiten, das zu
ändern. Pflegeschulen sollten mehr Möglichkeiten haben für Sport- und
Freizeitangebote, um Stressabbau zu ermöglichen und die Ausbildung in der
Pflege attraktiver zu machen.
Ist das Problem Berufs nicht in erster Linie die Bezahlung?
Das würde ich nicht so sehen. Gerade in der Ausbildung ist die Bezahlung
oft nicht so schlecht, verglichen mit anderen Berufen. Wichtiger sind oft
die Arbeitsbedingungen und die Attraktivität des Arbeitsplatzes.
Wie realistisch sind die geforderten Verbesserungen?
In wenigen Jahrzehnten brauchen wir doppelt bis dreimal so viel
Pflegepersonal. Da müssen wir jetzt investieren, egal wie hoch der Druck
ist.
Ist der Mindestlohn, der seit 1. August gilt, eine Verbesserung?
Er zieht eine Grenze gegen Dumpinglöhne ein - das ist gut. Aber er wäre ein
falsches Signal, wenn 8,50 Euro damit auch als Höchstgrenze festgesetzt
würden.
Stefan Görres, 56
ist Krankenpfleger, Professor für Pflegewissenschaften und Direktor des
Instituts für Public Health und Pflegeforschung.
2 Aug 2010
## AUTOREN
Jan Zier
Jan Zier
## TAGS
Rentner
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