| # taz.de -- Ruanda vor der Wahl: Gesucht wird der Machetenmörder | |
| > Kurz vor der Präsidentenwahl hat die Regierung Ruandas auch die | |
| > Zusammenarbeit mit den Niederlanden gegen flüchtige Völkermordtäter | |
| > vereinbart. | |
| Bild: Die Allzweckwaffe des Majors: eine Machete. | |
| MUGINA taz | Mugina ist ein typisches ruandisches Dorf: Einfache Häuser | |
| entlang einer Staubstraße oben auf einem Hügel; auf dem Hang arbeiten die | |
| Einwohner auf steilen Äckern, die aus der Ferne aussehen wie kleine | |
| Briefmarken. Neben der katholischen Kirche steht ein Denkmal für 20.000 | |
| Menschen, die hier während des Völkermordes an Ruandas Tutsi 1994 getötet | |
| wurden. Verantwortlich dafür, sagen die Einwohner, ist ein ehemaliger | |
| Major, der heute in den Niederlanden wohnt und sich der juristischen | |
| Verfolgung entzieht. | |
| "Er hat sogar die niederländische Nationalität bekommen", weiß Marcel | |
| Rutagarama über den Major, dessen Name aus juristischen Gründen nicht | |
| genannt werden kann. Der 36-jährige Sportjournalist bei Radio Ruanda ist | |
| einer der wenigen, der im April 1994 den Macheten und Granaten der | |
| Hutu-Extremisten in Mugina entrinnen konnte. Er reist jetzt wieder in sein | |
| Geburtsdorf. Auf dem Weg schlägt seine heitere Stimmung um, er wird | |
| verschlossen. | |
| "Das Morden fing hier am 21. April an. Ich floh mit meiner Familie in die | |
| Kirche oben auf dem Hügel, wo Tausende andere auch Schutz suchten", | |
| erinnert sich Marcel. Er läuft zum Denkmal, eigentlich ein Keller mit den | |
| Überresten der 20.000 Toten. Eine Staubschicht liegt auf den zwei gläsernen | |
| Eingangstüren. | |
| "Am 25. April sah ich mit eigenen Augen und hörte mit eigenen Ohren, wie | |
| der Major den Auftrag gab, jeden mit der Machete zu töten, der aus der | |
| Kirche kam", erinnert sich Marcel weiter. Er rannte aus dem Gebetshaus | |
| heraus, als Granaten hineingeworfen wurden. Bis heute hat er Narben auf dem | |
| Kopf - von den Machetenhieben damals. Seine gesamte Familie starb außer er | |
| selbst, seine Schwestern und ein Onkel. Sie konnten fliehen und sich | |
| verstecken, bis die Tutsi-Rebellenarmee RPF (Ruandische Patriotische Front) | |
| des heutigen Präsidenten Paul Kagame den Hügel besetzte. | |
| Marcel will den Auftraggeber der Morde im Gefängnis sehen. "Es bringt meine | |
| Brüder und Eltern nicht zurück. Aber es kann nicht, sein dass ein | |
| Völkermörder frei herumlauft und ein gutes Leben hat in den Niederlanden." | |
| Ein Gacaca-Dorfgericht in Mugina hat den Major in Abwesenheit verurteilt. | |
| Der Gacaca-Richter zweifelt nicht an seiner Schuld. Aber wieso lebt er in | |
| Freiheit, wundert er sich. "Warum liefern die Niederlande ihm nicht an uns | |
| aus? Hier sind die Beweise gegen ihn, hier leben die Zeugen, hier soll er | |
| büßen." | |
| Sechzehn Dossiers über mutmaßliche Völkermordtäter in den Niederlanden hat | |
| Ruanda an Den Haag überreicht, darunter auch das Dossier des Majors, | |
| bestätigt Ruandas Justizminister Tharcisse Karagurama. "Die ins Ausland | |
| geflohenen Verdächtigen hatten Geld und Möglichkeiten, um vor der Justiz zu | |
| fliehen. Die einfachen Leute, die sie beauftragten zu töten, konnten | |
| nirgends hin. Das geht doch nicht", meint der Minister. "Und nicht nur in | |
| den Niederlanden gibt es Verdächtige. Auch in Frankreich, Belgien, | |
| Deutschland." | |
| Er und sein niederländischer Amtskollege Ernst Hirsch Ballin | |
| unterzeichneten im Juni ein Auslieferungsabkommen für ruandische | |
| Genozidverdächtige. Der niederländische Justizminister will auch Genozid | |
| weltweit ab 1970 in den Niederlanden strafbar machen. | |
| Bis jetzt wurde lediglich ein Ruander in den Niederlanden verurteilt - | |
| wegen Folter. Er bekam 20 Jahre Haft und legte Berufung ein. Die | |
| Ermittlungen dauerten anderthalb Jahre und kosteten über eine Million Euro. | |
| In den Niederlanden lebte bis zu ihrer Rückkehr nach Ruanda dieses Jahr | |
| auch Victoire Ingabire, Führerin der Oppositionspartei FDU (Vereinigte | |
| Demokratische Kräfte). Ruandas Regierung beschuldigt sie, im Exil mit | |
| Tätern des Völkermordes zusammengearbeitet zu haben, die in der Miliz FDLR | |
| (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) organisiert sind. Ingabire | |
| kann bei den Präsidentschaftswahlen am 9. August nicht antreten. Die | |
| Polizei ermittelt gegen sie. | |
| Ingabire verneint die Beschuldigung, mit der FDLR zusammenzuarbeiten. Aber | |
| ihr Assistent Joseph Ntanwangundi, der im Januar gleichzeitig mit ihr nach | |
| Ruanda kam, nahm aktiv am Völkermord teil. Er wurde von einem | |
| Gacaca-Gericht in Abwesenheit verurteilt. Ingabire verteidigte ihn, bis er | |
| seine Schuld gestand. "Er hat mich belogen", sagt Ingabire dazu. "Ich | |
| wusste das alles nicht." | |
| 4 Aug 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Ilona Eveleens | |
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