# taz.de -- Residenzpflicht: Wegezoll ohne Rechtsgrundlage | |
> Zum ersten Mal hat ein Flüchtling protestiert, das Innenministerium gab | |
> ihm nun Recht. Dass Niedersachsens Ausländerbehörden Gebühren für | |
> "Reiseerlaubnisse" verlangen, war demnach nicht zulässig. | |
Bild: Europaweit einmalig: Der Widerstand gegen die Residenzpflicht wächst. Im… | |
Niedersachsens Ausländerbehörden hätten von Geduldeten und Asylbewerbern | |
keine Gebühren für Reiseerlaubnisse nehmen dürfen. Das stellte jetzt das | |
Landesinnenministerium in einer Stellungnahme klar. "Das ist in der | |
Gebührenordnung gar nicht vorgesehen", sagt Werner Ibendahl, der im | |
Ministerium für den Bereich Asyl zuständig ist. "Und deswegen darf eine | |
Reiseerlaubnis auch nichts kosten." Das sei aber "nichts Neues, diese | |
Auffassung haben wir immer schon vertreten." | |
Bei der Ausländerbehörde Stadthagen im Landkreis Schaumburg hat man das | |
anders gesehen. Dort verlangte man von dem ruandischen Flüchtling M. zehn | |
Euro dafür, dass man ihm gestattete, für einige Tage nach Hamburg zu | |
fahren. M. lebt in einem Asylbewerberheim in Rinteln. Er brauchte für die | |
Reise eine Sondererlaubnis, weil er der so genannten Residenzpflicht | |
unterliegt. Diese Vorschrift aus dem Aufenthaltsgesetz ist europaweit | |
einmalig. Sie verbietet es Flüchtlingen, den ihnen zugewiesenen Landkreis | |
zu verlassen. Selbst Reisen von wenigen Stunden erfordern eine | |
Sondererlaubnis. | |
In Hamburg wollte der 30-jährige M. an Gegenaktionen zur | |
Innenministerkonferenz Ende Juni teilnehmen. Dies erlaubte man ihm zwar. | |
Doch zehn Euro waren ein hoher Preis für M.: Als Flüchtling bekommt er nur | |
den halben Hartz IV-Satz, 40 Euro Bargeld, 140 Euro in | |
Lebensmittelgutscheinen. M. beklagte sich beim niedersächsischen | |
Flüchtlingsrat. Der legte die Sache zur Prüfung bei der Landesregierung | |
vor. | |
"Dass wir von Herrn M. Gebühren verlangten, war ein Versehen", sagt nun der | |
Sprecher des Landkreises Schaumburg, Klaus Heimann. "Früher haben wir diese | |
Gebühren genommen. Aber seit einem entsprechenden Gerichtsurteil tun wir | |
das nicht mehr." Das Verwaltungsgericht Halle hatte im Februar dieses | |
Jahres entschieden, dass Residenzpflicht-Gebühren keine Rechtsgrundlage | |
haben. Seit vielen Jahren hielten Ausländerbehörden munter die Hand auf, | |
wenn Flüchtlinge reisen wollten. "Da waren wir aber mit Sicherheit nicht | |
die einzigen", sagt Heimann. | |
Von modernem "Wegezoll" spricht die Journalistin Beate Selders. Sie hat | |
dokumentiert, wo Ausländerbehörden kassiert haben: In mindestens elf von 16 | |
Bundesländern kostet Bewegungsfreiheit bis zu zehn Euro. "Spätestens nach | |
dem Urteil aus Halle muss damit Schluss sein", sagt Bernd Mesovic von Pro | |
Asyl. Der Verband fordert, die Regelung insgesamt abzuschaffen. | |
Denn jenseits der Gebührenerhebung bleibt es im Ermessen der | |
Ausländerbehörden, ob solche Erlaubnisse für private Zwecke überhaupt | |
erteilt werden. Über Weihnachten wollte M. Freunde in Rheine besuchen. Die | |
Ausländerbehörde habe ihm die Erlaubnis verweigert, berichtet er. Zerwa | |
fuhr trotzdem. Im Zug kurz hinter Osnabrück kontrollierte ihn die Polizei. | |
Weil er sich zum ersten Mal über die Vorschrift hinweg gesetzt hatte, blieb | |
es für M. bei einer Verwarnung. Doch im Wiederholungsfall droht | |
Flüchtlingen nach wie vor Gefängnis. | |
9 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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