# taz.de -- Milchbauernchef über Dumpingpreise: "Wir brauchen harte Regeln" | |
> Die Viehhalter könnten ihre Kosten trotz gestiegener Preise nicht decken, | |
> sagt der Chef des Milchbauernverbands BDM, Romuald Schaber. Der Handel | |
> solle mehr für die Milch zahlen. | |
Bild: "Bei niedrigen Milchpreisen geraten vor allem Familienbetriebe unter Druc… | |
taz: Herr Schaber, die Bauern bekommen heute sechs bis acht Cent mehr für | |
ihre Milch als vor einem Jahr. Ist damit das Problem Dumpingpreise gelöst? | |
Romuald Schaber: Nein, die Preise steigen nicht genug. Wir haben in | |
Deutschland zwar die Marke von 30 Cent pro Kilogramm Milch geknackt. Wir | |
brauchen aber mindestens 40 Cent, um unsere Kosten zu decken. Das zeigen | |
beispielsweise Daten der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft. Wenn | |
morgen der Euro wieder stärker wird, werden wir weniger exportieren und die | |
Preise geraten erneut unter Druck. | |
Was sagen Sie Hartz-IV-Empfängern, die bei höheren Milchpreisen noch mehr | |
Geld allein für ihre Ernährung ausgeben müssten? | |
So viel mehr müssten die Leute nicht zahlen. Der Handel gibt die niedrigen | |
Preise bis jetzt nur bei Trinkmilch und Butter an die Verbraucher weiter. | |
Diese Produkte würden dann vielleicht ein bisschen teurer. Aber die Preise | |
für Joghurt und Käse sind auch jetzt immer schön oben geblieben. Da würde | |
es wohl kaum einen Unterschied für die Verbraucher geben. | |
Wo soll dann das Extra-Geld für die Bauern herkommen? | |
Vom Einzelhandel. Er ist das Glied in der Kette, das am meisten an der | |
Milch verdient. | |
Sind höhere Milchpreise auch im Interesse des Verbrauchers? | |
Wenn die Milchpreise niedrig sind, geraten vor allem Familienbetriebe unter | |
Druck. Sie bieten viele Arbeitsplätze. Und sie denken wie Bauern, nicht wie | |
Investoren, die nur die nächste Halbjahresbilanz interessiert. Bauern | |
denken über Generationen, weil sie ihren Betrieb ihren Kindern übergeben | |
wollen. Deshalb beuten sie den Boden nicht aus und auch nicht die Tiere. | |
Deshalb sind auch viele von ihnen gegen Gentechnik - anders als | |
Agrarkonzerne. | |
Wie sollen die höheren Preise durchgesetzt werden? | |
Die Bauern müssen Erzeugergemeinschaften gründen, um Marktmacht zu | |
erhalten. Die können dann festlegen, dass ihre Mitglieder nur so viel | |
produzieren, dass die Preise nicht verfallen. Diese Entscheidungen müssen | |
von der Politik für alle Produzenten für verbindlich erklärt werden. | |
Das ist aber nicht sehr demokratisch. | |
Wenn die Zusammenschlüsse freiwillig sind, werden nicht genügend Bauern | |
mitmachen. Denn wenn einer weniger produziert, werden andere einfach mehr | |
produzieren. Wir sind als Rohstoffproduzenten austauschbar. Da geht es | |
wirklich nur mit harten Regeln. | |
Was legitimiert Sie zu solchen Forderungen? Anders als der Deutsche | |
Bauernverband vertreten Sie nur eine Minderheit der Landwirte. | |
Der Bauernverband geht einen anderen Weg. Er will die Molkereien stärken, | |
damit sie gegenüber dem Einzelhandel höhere Preise durchsetzen können. Aber | |
die Molkereien haben kaum Interesse an einer niedrigeren Milchmenge. Wir | |
vertreten nur ein Drittel der schätzungsweise etwa 80.000 Milchbauern in | |
Deutschland, doch die Mehrheit steht hinter unseren Ansätzen. Laut Umfragen | |
wollen 85 Prozent der Bauern eine Steuerung der Produktionsmenge. | |
Warum treten diese trotzdem nicht Ihrem Verband bei? | |
Die Verunsicherungskampagne des Bauernverbands führt dazu, dass nicht alle | |
Bauern konsequent dem BDM beitreten. Sie redet ihnen ein: Mengensteuerung | |
funktioniert nicht und ist nicht durchsetzbar. | |
Sie haben gestreikt und Kampagnen initiiert. Dennoch lehnt die Politik Ihre | |
Vorschläge ab, immer mehr Höfe müssen aufgeben. Brauchen Sie realistischere | |
Ziele? | |
Die Leute in Brüssel haben panische Angst davor, dass die Preise wieder so | |
stark sinken wie 2009 und erneut Protest ausbricht. Doch mit den bisherigen | |
Vorschlägen der Europäischen Union kann sich das Szenario von 2009 | |
jederzeit wiederholen. Aber im Agrarausschuss des EU-Parlaments wurde klar | |
eine Mengensteuerung gefordert. Da tut sich schon etwas. Es dauert nur sehr | |
lange. | |
11 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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