# taz.de -- Widersprüchliche Verbraucher: Daten-Striptease für ein Topfset | |
> In Umfragen sagen Bürger stets, Datenschutz sei wichtig. Doch wenn | |
> Rabatte winken, entblößen sie ihre Daten freiwillig. | |
Bild: Rabatt gegen Daten: Antrag für Payback-Karte. | |
BERLIN taz | Payback? Pluscard? Bonuskarte? Die Schlange an der Kasse mag | |
noch so lang sein: Der Kassierer fragt nach einer Kundenkarte. Mehr als 75 | |
Millionen dieser Karten kursieren laut Finanztest in Deutschland. | |
"Finanziell lohnen sich die meisten Karten für die Kunden kaum", sagt | |
Kerstin Backofen von der Stiftung Warentest. Dafür lohnen sie sich für die | |
Firmen. Denn die erfahren so Daten wie den Namen, die Anschrift und das | |
Geburtsdatum. Oder auch mal die Konfektionsgröße oder Angaben über die | |
Unterwäsche. | |
Es ist paradox: In Umfragen geben rund 70 Prozent an, Datenschutz sei ihnen | |
wichtig. Doch die Aussicht auf einen kleinen Rabatt oder ein Topfset als | |
Treueprämie lässt die Verbraucher Privates preisgeben. | |
Dorothea Kübler und Sören Preibusch, Forscher von der Technischen | |
Universität Berlin und der Universität Cambridge, haben 224 Studenten zu | |
einem Experiment eingeladen. "Wir wollten in einer Laborsituation | |
herausfinden, inwieweit sich die Sorge um Datenschutz tatsächlich im | |
Handeln niederschlägt", sagt Preibusch. Die ernüchternde Antwort: so gut | |
wie gar nicht. | |
Bei dem Versuch sollten Studierende über das Onlineversandhaus Amazon eine | |
DVD kaufen. Zwei fiktive Händler mit ähnlichen Namen standen zur Auswahl. | |
In der ersten Versuchsanordnung bot ein Händler die DVD 1 Euro günstiger | |
an, verlangte aber Angaben zum Geburtsdatum und zum Einkommen. Im zweiten | |
Experiment waren beide DVDs gleich teuer, ein Unternehmen erfragte aber | |
wieder erheblich mehr persönliche Daten. Das Ergebnis: Wenn ein Schnäppchen | |
winkt, denken viele nicht lange nach und geben bereitwillig Auskunft über | |
ihr Alter und sogar ihr Einkommen. | |
Eine wissenschaftliche Erklärung hat Forscherin Kübler nicht - die Studie | |
lässt keine Interpretation über die Motive der Probanden zu. | |
"Wahrscheinlich denken viele: Wenn ich diese Daten schon 30.000-mal | |
angegeben habe, ist es jetzt auch egal", vermutet Kübler. | |
Manchmal sei es aber auch schlicht Nachlässigkeit. Wenn man einmal begonnen | |
habe, ein Onlineformular auszufüllen, bleibe man wohl bei dem einen | |
Angebot. Viele Studenten hätten aber in einem Fragebogen hinterher | |
angegeben, dass sie ungern persönliche Daten preisgeben. Als sie den Kauf | |
bewerten sollten, waren viele eher unzufrieden - sie hatten offenbar doch | |
Bauchschmerzen, glaubt Koautor Preibusch. | |
Verbraucher sollten im Vorfeld nachvollziehen können, was Unternehmen mit | |
Daten vorhaben, sagt Kübler. Kerstin Backofen von der Stiftung Warentest | |
sieht das ähnlich. Im Umgang mit Kundendaten müssten viele Unternehmen | |
nachbessern. | |
Vor Kurzem verglich Finanztest 29 Kundenkarten - und bewertete die meisten | |
schlecht. Nur in vier Fällen waren die Regeln für den Umgang mit | |
Kundendaten akzeptabel. So fielen etwa die Kundenprogramme des | |
Möbelanbieters Ikea und der Parfümerie Douglas glatt durch. Nur sieben | |
Anbieter hielten sich daran, dass für Werbung per E-Mail oder Telefon seit | |
September 2009 die Daten nur noch verwendet werden dürfen, wenn die Kunden | |
zustimmen. | |
Besonders mies schnitt der Dessoushändler Palmers ab: Kundenklubmitglieder | |
sollen dort angeben, wo sie sonst noch einkaufen, welche Modemagazine sie | |
lesen und welche Konfektionsgröße sie tragen. Schließlich, ob sie eher | |
sportliche oder raffiniert-verführerische Unterwäsche bevorzugen. Wie | |
Palmers die Daten nutzen will, erfahren die Kunden nicht. Sie werden für | |
"Verwaltung, Kundenclub, Marketing etc." genutzt, heißt es schwammig. All | |
das für 3 Prozent Rabatt. | |
12 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Anne Onken | |
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Datenschutz | |
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