# taz.de -- Kommentar Flüchtlingsrechte im Libanon: Noch kein Ende der Aparthe… | |
> Nach mehr als sechs Jahrzehnten hebt die Regierung in Beirut die | |
> schwersten Einschränkungen für plästinensische Flüchtlinge auf. Eine | |
> völlige Gleichbrechtigung liegt aber noch in weiter Ferne. | |
Bild: Forderten erfolgreich mehr Rechte für Flüchtlinge: Palästinensische De… | |
Na endlich! Gestern stieg über dem Parlament in Beirut so etwas wie weißer | |
Rauch auf, als es den seit Generationen im Land lebenden Palästinensern - | |
zumindest teilweise - ein Recht auf freie Berufswahl und Sozialversicherung | |
zuerkannte. Damit hob es einige der schwersten Einschränkungen auf, die | |
deren Leben in den letzten 62 Jahren erschwert haben. | |
Nach Jahrzehnten der von Elend und Rechtlosigkeit geprägten Existenz der | |
Palästinenser im Zedernland kommt dieser Schritt zwar reichlich spät. | |
Trotzdem grenzt er fast an ein Wunder, denn die Libanesen sind in ihrem | |
Verhältnis zu den Palästinensern bis heute tief gespalten. Diese tiefe | |
Spaltung der Gesellschaft führte nicht nur in den Bürgerkrieg, der 1975 | |
begann und erst 1990 offiziell endete: die christliche Rechte sah damals | |
ihre Vormachtstellung durch die bewaffnete Präsenz der PLO im Land bedroht, | |
während sich die nationalen und muslimischen Kräfte mit den Palästinensern | |
solidarisierten. Diese Kluft besteht bis heute fort und trägt zur | |
politischen Instabilität des Landes bei. | |
Zwar werden Flüchtlinge wohl nirgendwo auf der Welt herzlich und gerne | |
aufgenommen. Doch die libanesische Politik tat sich mit den Palästinensern, | |
die nach der Staatsgründung Israels 1948 aus ihrer Heimat vertrieben worden | |
waren, besonders schwer und verhielt sich ihnen gegenüber irrational und | |
inhuman. Aus Angst, dass diese Minderheit auf Dauer in Libanon ansässig | |
werden und damit das fragile demografische Gleichgewicht zwischen den | |
Konfessionen verändern könnte, wurden die etwa 425.000 mehrheitlich | |
muslimischen Palästinenser faktisch als Menschen zweiter Klasse behandelt. | |
Bis heute bildet das komplizierte politische System des Libanon, in dem die | |
Macht zwischen den insgesamt 18 Religionsgemeinschaften aufgeteilt wird, | |
das größte Hindernis für eine echte Integration der Palästinenser in die | |
libanesische Gesellschaft. Deshalb bleibt der Weg hin zu einer völligen | |
Gleichberechtigung der Palästinenser noch lang und steinig. Nach dem neuen | |
Gesetz dürfen sie zwar arbeiten, bleiben jedoch von der Wahl freier Berufe | |
wie Arzt oder Anwalt, aus Armee und Polizei sowie von der | |
Krankenversicherung ausgeschlossen; auch der Bau von Wohnungen und Besitz | |
von Grundeigentum bleiben ihnen weiterhin verwehrt. Noch ist es deshalb zu | |
früh, von einem echten Ende ihrer Ausgrenzung zu reden. | |
Fraglich ist, ob sich die Palästinenser künftig mit weitergehenden | |
Forderungen nach mehr Gleichberechtigung durchsetzen können. Dass sich die | |
libanesische Politik überhaupt mit ihren Problemen befasst hat, geht | |
indirekt auf die Tragödie um die Gaza-Flotille vom April zurück. Diese | |
machte nicht nur die Welt auf Israels anhaltende Blockade von Gaza | |
aufmerksam. Sie erinnerte die Libanesen auch an das Los der Palästinenser | |
im eigenen Land, die zum größten Teil noch immer in Flüchtlingslagern | |
leben. | |
Dass es in dieser Frage nun einen Fortschritt gibt, ist nicht zuletzt ein | |
Erfolg der Zivilgesellschaft - vor allem jener libanesischen und | |
palästinensischen Gruppen und internationalen Hilfsorganisationen, die das | |
Problem anprangerten und dafür auf die Straße gingen. Der Drusenführer | |
Walid Djumblad setzte sich an die Spitze der Bewegung, als er vor zwei | |
Monaten im libanesischen Parlament per Eilantrag den Entwurf für ein Gesetz | |
einbrachte, das den Palästinensern mehr soziale Rechte gewähren sollte. | |
Dass es nun auch im Parlament zu einem politischen Kompromiss kam, der | |
zumindest einige dieser Vorschläge aufgreift, geht auf die "Waffenruhe" | |
zurück, die gegenwärtig zwischen der - von der Hisbollah angeführten - | |
Opposition und dem prowestlichen Lager um Saad Hariri herrscht. Dass beide | |
Seiten sich nun zu einer halbherzigen Lösung des palästinensischen Problems | |
durchringen konnten, kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Libanon | |
erneut schwere Tage bevorstehen. Dafür sorgen der Atomkonflikt mit dem Iran | |
sowie die Anklageschrift des internationalen Gerichts, deren | |
Veröffentlichung unmittelbar bevorsteht - darin werden wahrscheinlich | |
Mitglieder der Hisbollah für den bislang ungeklärten Mord am Expremier | |
Rafik Hariri verantwortlich gemacht. Die jüngsten Spannungen an der Grenze | |
zu Israel zeigen überdies, wie eng die Lage der Palästinenser im Libanon | |
mit einer Lösung des israelisch-arabischen Konflikts zusammenhängt. | |
18 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Abdel El-Husseini | |
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