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# taz.de -- Diskriminierung: Kirche mit Sonderstatus
> Das Bundesarbeitsgericht weist die Klage einer Muslimin gegen das
> Diakonische Werk Hamburg ab: Der Bewerberin habe der verlangte Abschluss
> gefehlt, daher musste sie auch nicht eingestellt werden. Das eigentliche
> Thema freilich war ihre religiöse Zugehörigkeit.
Bild: Traute sich an die "Kirchenklausel" im Anti-Diskriminierungsgesetz nicht …
Im Diskriminierungsverfahren der muslimischen Sozialpädagogin Yesim F. aus
Hamburg gegen das Diakonische Werk hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) in
Erfurt die Revision wegen Formalien zurückgewiesen. In der
Stellenbeschreibung sei damals ein Hochschulstudium verlangt worden, was F.
nicht gehabt habe, aber eine indische Mitbewerberin, so die Richter. Wäre
ihr der Job allein mit dem Hinweis auf ihre Religion verweigert worden, so
der Anwalt von Yesim F., Sebastian Busch, hätte das BAG wohl den Komplex
zur Prüfung dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.
Die damals 40-jährige Deutsche türkischer Abstammung hatte sich 2006 beim
Diakonischen Werk um die Stelle einer Sozialpädagogin für das
EU-Equal-Projekt "Integrationslotse" zur beruflichen Integration von
Migranten beworben. Yesim F. bekam einen Anruf und wurde nach der Religion
befragt. Sie erklärte, dass sie keine Religion ausübe, jedoch als gebürtige
Türkin einen muslimischen Hintergrund habe. Die Diakonie erklärte, dass
neben einer fachlichen Qualifikation auch eine Zugehörigkeit zu einer
christlichen Kirche verlangt werde. Als sie die Frage verneinte, ob sie
nicht einer christliche Kirche beitreten wolle, schickte ihr die Diakonie
die Bewerbungsunterlagen zurück. Yesim F. fühlte sich diskriminiert und
klagte. Das Arbeitsgericht sprach ihr 3.900 Euro Entschädigung zu, das
Landesarbeitsgericht wies ihre Klage ab, da die Diakonie nunmehr
behauptete, die Ablehnung sei wegen eines fehlenden Hochschulstudiums
erfolgt und Yesim F. nicht wegen ihrer Religion benachteiligt worden.
Seit Inkrafttreten des AGG-Antidiskriminierungsgesetzes 1996 ist die
Religionsfrage im deutschen Recht höchst umstritten. Einerseits besagt das
Allgemeine Gleichstellungsgesetz (AGG) gemäß der
EU-Anti-Diskriminierungs-Richtlinie, dass niemand wegen seiner Religion
benachteiligt werden darf. Dennoch lässt die sogenannte "Kirchenklausel" im
AGG auch eine andere Interpretation zu, die auf dem Kirchen-Urteil des
Bundesverfasungsgerichts von 1985 basiert und Personalentscheidungen wegen
der Glaubensfreiheit viel Spielraum einräumt.
Denn es wurde im AGG die arbeitsrechtliche Ausnahme gemacht, dass die
Religion ein Kriterium sein könne, wenn sie "unter Beachtung des
Selbstverständnisses der jeweiligen Religionsgemeinschaft im Hinblick auf
ihr Selbstbestimmungsrecht oder nach der Art der Tätigkeit eine
gerechtfertigte berufliche Anforderung darstellt". Darauf hatte sich die
Diakonie auch im Fall von Yesim F. berufen. "Alle Mitarbeiter wirken
unabhängig von ihrer konkreten Aufgabe an der Erfüllung des diakonischen
Auftrags mit", sagte eine Sprecherin.
Die Autoren des Bremer Kommentars zum AGG kommen zu einem ganz anderen
Schluss. "Der Gesetzgeber habe an dieser Stelle im AGG absichtlich die
EU-Richtlinie nicht erfüllt", kritisiert der Arbeitsrechtler Klaus
Bertelsmann. "An diesem Punkt ist das AGG rechtswidrig."
Im Fall Yesim F. sei die Personalpolitik sogar der Intention des
Equal-Projektes zuwider gelaufen, das gerade der beruflichen Integration
von Migranten dienen sollte - auch Muslimen.
19 Aug 2010
## AUTOREN
Kai von Appen
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