# taz.de -- Pressefreiheit in der Ukraine: Chefredakteur spurlos verschwunden | |
> In der Ukraine hat sich der staatliche Druck auf kritische Journalisten | |
> unter Wiktor Janukowitsch erhöht. Nun ist ein Chefredakteur spurlos | |
> verschwunden. | |
Bild: Geht massiv gegen kritische Journalisten vor: der ukrainische Präsident … | |
In der Ukraine könnte ein weiterer Journalist sein berufliches Engagement | |
mit dem Leben bezahlt haben. Bereits am 11. August verschwand Wasili | |
Klimentjew, Chefredakteur der Wochenzeitung Novy Stil (Neuer Stil), in der | |
ostukrainischen Stadt Charkow. Seitdem fehlt von ihm jede Spur - lediglich | |
sein Mobiltelefon wurde auf einem Boot in der Region Charkow gefunden. | |
Laut Angaben der Polizei wurde der 66-Jährige zuletzt in Begleitung eines | |
Unbekannten gesehen, als er in einen BMW einstieg. Kurz zuvor hatte er sich | |
noch mit seinem Stellvertreter getroffen, um die Veröffentlichung eines | |
kritischen Artikels über Immobilien einiger hochrangiger örtlicher | |
Behördenvertreter vorzubereiten. Die Polizei hat mittlerweile Ermittlungen | |
wegen versuchten Mordes eingeleitet. Vor rund einer Woche teilte der | |
ukrainische Innenminister Anatoli Mogiliow mit, die Ermittler schlössen | |
nicht aus, dass Klimentjews Verschwinden mit seiner Arbeit zu tun habe. | |
Diese Annahme ist begründet. Novy Stil hat sich auf die Berichterstattung | |
über Korruption spezialisiert. Auch Klimentjew hatte sich mit Beiträgen | |
über Menschenrechtsverletzungen und Machtmissbrauch durch Beamte einen | |
Namen gemacht. Erst kürzlich war er bedroht worden, weil er es abgelehnt | |
hatte, sich für die Nichtpublikation eines Artikels bezahlen zu lassen. | |
Darin hatte er einen Staatsanwalt angeprangert, der gegen Schmiergeld | |
mehrfach Ermittlungen eingestellt hatte. | |
Die Behinderung unbequemer Journalisten hat in der Ukraine Methode. Der | |
traurige Höhepunkt wurde 2000 erreicht, als die enthauptete Leiche des | |
regimekritischen Onlinejournalisten Georgi Gongadse in einem Wald bei Kiew | |
gefunden wurde. Nach dem Machtwechsel infolge der orange Revolution 2005 | |
kam es unter Staatschef Wiktor Juschtschenko zu einer Liberalisierung und | |
spürbaren Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Journalisten. | |
Doch damit ist seit dem Machtantritt von Wiktor Janukowitsch im vergangenen | |
Frühjahr Schluss. Regelmäßig gehen Medienvertreter wieder gegen wachsenden | |
Druck vonseiten der Staatsmacht und wiederkehrende Zensur auf die Straße. | |
In den vergangenen Wochen wurden mehrfach Fernsehjournalisten von | |
Ordnungskräften tätlich angegriffen. | |
Am heutigen Donnerstag findet vor dem Kiewer Berufungsgericht eine Anhörung | |
in Sachen der beiden oppositionellen Fernsehsender 5. Kanal und TVi statt. | |
Den Sendern waren im vergangenen Juni ihre Frequenzen entzogen worden. Zur | |
Begründung hieß es, es habe Unregelmäßigkeiten bei dem Vergabeverfahren | |
gegeben. Beobachter vermuten hinter diesem Fall die Einflussnahme des Chefs | |
des ukrainischen Geheimdienstes und Besitzer der Medien-Holding Inter Media | |
Group, Waleri Choroschkowki. Die Holding bemüht sich derzeit um ein neues | |
Vergabeverfahren für Frequenzen. | |
Unter Janokowitsch seien einige Themen für die Berichterstattung wieder | |
tabu, meint der Generaldirektor von TVi, Mykola Knjaschitski. Zudem seien | |
einige Blogger von Sicherheitsbeamten zu Befragungen vorgeladen und | |
aufgefordert worden zu unterzeichnen, dass sie nichts Negatives mehr über | |
die Regierung schreiben würden. | |
In einem offenen Brief an Staatspräsident Janukowitsch von Mitte August | |
äußert sich das Wiener Institut für Internationale Presse (IPI) besorgt | |
über den Niedergang der Pressefreiheit in den vergangenen sechs Monaten. | |
Doch das ficht den Staatschef nicht an. Anlässlich des 19. Jahrestages der | |
Unabhängigkeit der Ukraine am 24. August ließ er seine Landsleute wissen, | |
dass der Staat in keinster Weise daran beteiligt sei, die Pressefreiheit | |
einzuschränken und Druck auf die Massenmedien auszuüben. | |
26 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Barbara Oertel | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |