# taz.de -- Streit um Ökobilanz: Die Dose schön geredet | |
> Gegen Ökowerbung für Dosen ziehen Umweltschützer vor Gericht. Aber die | |
> Mehrwegbranche setzt durch neueste Bierflaschenformen ihren Vorteil aufs | |
> Spiel. | |
Bild: Die gemeine Dose: Steckt nur die individuelle Flasche in die Tasche. | |
"Die Dose ist eine umweltfreundliche Verpackung, die ökologisch auf | |
Augenhöhe mit Mehrwegflaschen liegt." Gegen diese Aussage des | |
Dosen-Lobbyverbands Beverage Can Makers Europa (BCME) geht die Deutsche | |
Umwelthilfe (DUH) jetzt auf juristischem Weg vor. Nachdem ein Gespräch mit | |
Industrievertretern am Freitag ergebnislos geblieben war, will der | |
Umweltverband an diesem Montag eine einstweilige Verfügung gegen die BCME | |
erwirken. | |
Die Dosenlobbyisten berufen sich auf eine "neue Ökobilanz", die sie beim | |
renommierten Heidelberger Institut für Energie- und Umweltforschung (Ifeu) | |
in Auftrag gegeben hatten. Durch geringes Gewicht und hohes Recycling habe | |
sich die Dose zu einer "grünen" Verpackung entwickelt: Mit dieser | |
angeblichen Kernaussage der Studie wirbt derzeit die ganze Branche - obwohl | |
sie sich ausschließlich mit Bierverpackungen befasst hat und zu Cola- oder | |
Limodosen keine Aussage macht. | |
Die DUH und die Stiftung Initiative Mehrweg, in der sich auch Unternehmen | |
der Mehrwegbranche engagieren, halten die Studie zudem für eine | |
unwissenschaftliche Auftragsarbeit. Auf Geheiß der Industrie habe das | |
Institut mit falschen Zahlen gerechnet: "Mehrwegflaschen werden viel | |
häufiger befüllt als für die Ökobilanz angenommen", sagt Thomas Fischer, | |
bei der DUH zuständig für Kreislaufwirtschaft. Zudem seien die | |
Transportwege laut einer Umfrage des Verbands privater Brauereien kürzer | |
als in der Studie angegeben. | |
Ein weiterer zentraler Kritikpunkt ist die Bewertung des Recyclings in der | |
Studie. Energie und die Rohstoffe, die dadurch eingespart werden, würden in | |
Deutschland normalerweise zur Hälfte dem wiederverwerteten Produkt | |
zugerechnet und zur Hälfte dem daraus hergestellten neuen Produkt. So soll | |
verhindert werden, dass eine Gutschrift doppelt zählt. In der Ifeu-Studie | |
aber bekamen die Dosenhersteller dennoch eine 100-Prozent-Gutschrift - für | |
Fischer eine "Verzerrung zugunsten der Dose". Andreas Detzel, einer der | |
Autoren der Studie, kontert, die "100-Prozent-Rechnung" werde im Ausland | |
häufig angewendet. Zudem habe man auch andere Szenarien durchgerechnet, die | |
das in Deutschland übliche Verfahren berücksichtigen. | |
Ansonsten gehen aber auch die Ifeu-Wissenschaftler vorsichtig auf Distanz | |
zur Werbekampagne der Dosenlobby. In einer "Handreichung" auf ihrer | |
Homepage erklären sie die Ergebnisse ihrer 200-seitigen Studie. Darin | |
betonen sie, dass regionale Biere in Mehrwegflaschen "weiterhin das | |
ökologisch günstigste System" seien. Ökologisch gleichwertig sei die Dose | |
nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen, nämlich wenn sie nicht mit | |
gewöhnlichen Bierflaschen, sondern mit speziellen Flaschen für bundesweit | |
vertriebene Premiummarken verglichen wird, denn diese werden über weitere | |
Strecken transportiert und seltener wiederbefüllt. Diesen Zusatz aber lässt | |
die Dosenlobby unerwähnt. | |
Auf individuelle Flaschen setzen allerdings immer mehr Brauereien - denn | |
sie bieten die Möglichkeit, im gnadenlosen Verdrängungswettbewerb, der auf | |
dem Biermarkt herrscht, aufzufallen. Statt im Einheitslook der grünen oder | |
braunen Standardbierflaschen kommen Getränke wie "Becks Chilled Orange" | |
oder "Veltins +" in schlanken oder gravierten Flaschen daher, oft auch aus | |
klarem Glas. "Diese werden schneller aussortiert, wenn sie Gebrauchsspuren | |
haben", sagt Jürgen Heinisch von der Wiesbadener Gesellschaft für | |
Verpackungsmarktforschung. Außerdem müssten diese besonderen Flaschen immer | |
wieder zu ihrer Abfüllstation zurückkehren, weil sie nicht in den | |
allgemeinen Flaschenpool einfließen könnten. Dadurch reisten sie weitere | |
Wege, sagt Heinisch. In diesem speziellen, aber wachsenden Trendsegment | |
seien Mehrwegflaschen nicht umweltfreundlicher als Dosen, da liege die | |
Ifeu-Studie ganz richtig. | |
"Brauer und Konsumenten haben es selbst in der Hand, das ökologisch gute | |
Mehrwegsystem zu bewahren", folgert Ifeu-Forscher Detzel. Wer also mit | |
gutem Gewissen ein Bier trinken will, der greift zu einer Standardflasche | |
im Kasten, befüllt von einer regionalen Brauerei. | |
29 Aug 2010 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |