# taz.de -- Liberaler Abgeordneter Pascal Kober: Der Pfarrer und die FDP | |
> Pascal Kober ist Pfarrer, Sozialexperte - und FDP-Abgeordneter. Für den | |
> Mann aus Reutlingen ist das ganz normal. Die einst kirchenkritischen | |
> Liberalen geben sich heute christlich. | |
Bild: "Ich wollte die Welt verbessern": Pascal Kober, FDP-Bundestagsabgeordnete… | |
Als Pascal Kober vor einem Jahr zum ersten Mal im Plenum des Bundestags | |
saß, ging er hinüber zur Unionsfraktion. Er schritt auf Peter Hintze zu, | |
streckte die Hand aus und sagte: "Guten Tag, mein Amtsbruder." Wie Hintze | |
blickte, ist nicht überliefert. Vermutlich hat er verdutzt geguckt: Vor ihm | |
stand ein evangelischer Pfarrer, wie Hintze selbst es einst gewesen war. | |
Nur war der nicht von der Partei mit dem C im Namen, sondern von der FDP. | |
Ausgerechnet. | |
Überrascht zeigen sich seither viele Politiker und Journalisten, die von | |
der Berufung des stillen Manns mit dem württembergischen Akzent hören. | |
Kirche und FDP, das passt für viele Beobachter einfach nicht zusammen. | |
Liberalismus bedeutet im Kern, das gesellschaftliche Leben vom Individuum | |
aus zu denken. Und nicht vom Staat aus oder von Gott. Deshalb forderte 1974 | |
ein FDP-Bundesparteitag eine stärkere Trennung von Staat und Kirche. Und | |
noch im Jahr 2000 plädierten die Jungen Liberalen dafür, die Kirchensteuer | |
abzuschaffen und den Gottesbezug aus der Präambel des Grundgesetzes zu | |
streichen. | |
Trotzdem sitzt seit vergangenem Herbst der heute 39-jährige Kober für die | |
Freidemokraten im Bundestag. Der Mann aus Reutlingen rutschte über Platz 13 | |
der baden-württembergischen Landesliste ins Parlament. Er profitierte vom | |
blendenden Wahlergebnis seiner Partei. Parlamentarische Erfahrung hatte der | |
Pfarrer an einer Schule in Calw nicht. Er hat sich viel vorgenommen: "Ich | |
will, dass die FDP eine Sozialpolitik aus eigenem Recht entwickelt - und | |
nicht als Ableitung aus der Wirtschaftspolitik." | |
Deshalb hat er auch dafür gefochten, dass Zeitarbeiter in einem Unternehmen | |
nach einer "angemessenen Einarbeitungszeit" dasselbe Gehalt bekommen sollen | |
wie ihre Kollegen von der Stammbelegschaft. "Ökonomisch ist das nicht | |
begründet, sondern um der Gerechtigkeit willen", urteilt Kober. Dass | |
Unternehmen dadurch zusätzliche Kosten schultern müssten, nimmt er bewusst | |
in Kauf. Das alleine ist erstaunlich für einen FDPler. Noch erstaunlicher | |
ist: Heute ist "Equal Pay" offizielle Haltung seiner Fraktion. Sie ist auch | |
ihre Antwort auf die Forderung fast aller anderen Parteien nach | |
gesetzlichen Mindestlöhnen. Kober lächelt, wenn er vom FDP-Konzept erzählt. | |
"Wenn Sie so wollen", sagt er, "überholen wir da die Union links." | |
Ganz überraschend ist die Karriere des unverheirateten Pfarrers, der in | |
seiner Fraktion unter anderem für Hartz IV, Menschenrechte und die Rechte | |
von Homosexuellen zuständig ist, nicht. 42 der 93 FDP-Abgeordneten sind | |
Mitglied im Verbund der "Christen in der FDP-Bundestagsfraktion". Einmal im | |
Monat laden die Christen zur Andacht und einer Gesprächsrunde. "Gott ist | |
gelb", titelte der Spiegel. | |
Warum hat die Gruppe so regen Zulauf? "Das protestantische Arbeitsethos - | |
Pflichtbewusstsein, Fleiß, Sparsamkeit - passt gut zur FDP", sagt der | |
Lutheraner Kober. Das ist die eine, theoretische Erklärung. Die andere | |
lautet, dass seit dem Schwenk der FDP zur Union 1982 wirtschaftsliberale | |
Kräfte in der Partei stärker geworden sind: "Für die ist es | |
selbstverständlich, Mitglied der Kirche zu sein", urteilt Kober. | |
Prominentestes Beispiel ist Philipp Rösler. Der Gesundheitsminister ist | |
Mitglied im Zentralkomitee der Katholiken. | |
Kober ist seit zwölf Jahren in der FDP. Er weiß, was er fordern kann, ohne | |
die Linie seiner Partei zu verlassen. Auch er verteidigt die Streichung des | |
Elterngelds für Hartz-IV-Empfänger und plädiert dafür, grundsätzlich | |
weniger Erwartungen an den Staat zu richten. Doch während sein Parteichef | |
über drohende "spätrömische Dekadenz" fabuliert, redet Kober abwägend von | |
der Verantwortung des Einzelnen für sich und seine Nächsten. Deshalb, sagt | |
er, wurde er auch Pfarrer: "Ich wollte die Welt verbessern. Das will ich | |
immer noch." | |
7 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Matthias Lohre | |
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