| # taz.de -- Sommer im Museum (VI): Andenken ans Büro | |
| > In einem Privathaus in Barsbüttel bei Hamburg steht eine einzigartige | |
| > Sammlung von alten Büromaschinen: angefangen von mechanischen | |
| > Buchungsmaschinen bis hin zu frühen Computer-Ungetümen. | |
| Bild: Aus der Wunderkammer: Analoge Urgeräte der Moderne | |
| Ein Einfamilienhaus bei Hamburg: Nichts lässt erkennen, dass dieser rote | |
| Klinkerbau etwas Besonderes in sich birgt. Im Vergleich zu den Nachbarn | |
| sind hier nicht so viele Blumen - vielleicht haben die Besitzer andere | |
| Interessen. Eine große, dicke Kalksteinplatte fällt auf. Sie liegt über dem | |
| Kasten, in dem hinten die Müllbehälter stehen und an dem man vorne | |
| klingelt. Doch was dieser Stein bedeutet, werden die BesucherInnen erst | |
| verstehen, wenn sie das Haus nach Stunden wieder verlassen. | |
| Erst einmal gilt es zu klingeln: Nicht bei dem Familiennamen Koch, nicht | |
| bei dem Schild mit den Vornamen der Söhne, sondern ganz unten, wo steht: | |
| "Büromaschinenmuseum". Freundlich begrüßt vom Ehepaar Ingrid und Hartmut | |
| Koch, merken die BesucherInnen erst ab der Treppe, dass sie in einem Museum | |
| sind. Das obere Stockwerk, alle Räume unter dem offen Dach sind dicht | |
| gefüllt mit mechanischen Schreib- und Rechenmaschinen und alten Computern, | |
| samt Schränken mit all dem nötigen Zubehör. Es ist ein riesiges Archiv der | |
| zu ihrer Zeit jeweils neuesten Wundermaschinen zum schnelleren Rechnen und | |
| Schreiben: 2.500 Exponate. Klingt für ein Museum nicht so viel, reicht aber | |
| völlig aus, ein Privathaus fast zum Platzen zu bringen. | |
| Mit einer vor dem Schrott geretteten mechanischen Triumph-Buchungsmaschine | |
| von 1930 begann 1974 die Sammlung. Ankäufe, Geschenke von Privatleuten und | |
| gute Kontakte zu den Entwicklungsabteilungen der Industrie sorgen für | |
| Komplettierung. Mit der genauen Dokumentation und Archivierung ist das | |
| alles weit mehr als ein Feierabendhobby, zumal Hartmut Koch vom Fach ist: | |
| Nach einer Feinmechaniker- und Optikerlehre arbeitete er bei verschiedenen | |
| Büromaschinenherstellern als technischer Revisor und Vertriebsleiter. Seit | |
| 1996 im Ruhestand, hat er die Sammlung noch erweitert - das Privatmuseum | |
| dokumentiert inzwischen auch die Geschichte der Computer-Prozessoren. | |
| Trotz vieler Erstseriengeräte und vieler Seltenheiten konnten auch die | |
| Kochs nicht alles aus der Computer-Frühzeit besorgen. So muss natürlich der | |
| von 1987-89 erstellte Nachbau des Z1 von 1936, des ersten Computers des | |
| bewunderten Konrad Zuse, dem Deutschen Technik Museum Berlin vorbehalten | |
| bleiben. Auch die 63 Zentimeter im Durchmesser großen, beidseitig | |
| beschichteten Aluminiumplatten, von denen es für die Speicherkapazität von | |
| nur fünf Megabyte um 1956 eines Turmes von 50 Stück bedurfte, sind bisher | |
| nur im Holzmodell vorhanden. Die heutigen Chips, bei denen locker mehr als | |
| 1.000 Strombahnen auf eine Haaresbreite passen, sind dagegen so klein, dass | |
| sie aufwendig verpackt werden müssen, um sie in der Schublade überhaupt | |
| noch wiederzufinden. | |
| Die Entwicklung der Schreib- und Rechengeräte hat sich derart beschleunigt, | |
| dass nicht nur Fakturiermaschinen von 1912 oder eine der legendären | |
| deutschen "Enigma" verwandte Chiffriermaschine von 1947 wie aus fernen | |
| verschrobenen Wunderkammern angestaubter Science-Fiktion wirken, sondern | |
| schon Geräte aus den 1970ern. Mit der damals noch magischen Zahl 2001 | |
| schmückt sich 1978 der Commodore Personal Electronic Transactor PET 2001. | |
| Und heute läppische fünf Zoll in der Diagonale hatte noch 1981 der | |
| ausschließlich grün anzeigende Bildschirm des 13 Kilo schweren und mit zwei | |
| Floppy-Disk-Laufwerken ausgestatteten ersten Laptops OCC1 von Osborne. | |
| Wert und Preis dieser Arbeitshilfen waren stets hoch: 8.000 Mark kostete | |
| 1958 ein mechanischer Rechner der Berliner Firma Hamann, der außer den | |
| Grundrechenarten auch Wurzeln ziehen konnte. Und der erste große | |
| elektronische Tischrechner, die "Anita" aus Großbritannien kostete 1962 mit | |
| 5.290 Mark so viel wie ein VW-Käfer. Kein Wunder, dass damals selbst die | |
| meisten Ingenieure noch mit den hier ebenfalls ausführlich dokumentierten | |
| Rechenschiebern arbeiteten. | |
| Es wäre gut, wenn BesucherInnen nicht in zu großen Gruppen in diese | |
| überbordende Sammlung kommen. Und es wäre gut, wenn sie präzise Fragen | |
| hätten. Denn das in diesem Privatmuseum gespeicherte Wissen wird richtig | |
| nutzbar erst mit ein wenig eigenen Kenntnissen - die Kochs sind auf | |
| Fachsymposien gern gesehene Redner. Ihre Sammlung stemmt sich gegen das | |
| Vergessen der Wurzeln unserer Schreib- und Rechenpraxis, die eine extrem | |
| dynamische und für viele Nutzer kaum mehr verständliche Entwicklung | |
| genommen hat. | |
| Zugleich hält das Kochsche Privatmuseum die Fahne der Technikmuseen hoch, | |
| denn anders als beim Fetisch Automobil nimmt ihre Zahl kontinuierlich ab. | |
| So wurde das von den Hamburgischen Electricitäts-Werken HEW aufgebaute | |
| Museum "Electrum" nach der Übernahme durch Vattenfall 2001 geschlossen. Im | |
| Büromaschinenbereich gibt es keine größeren Firmenmuseen mehr, Abteilungen, | |
| die sich mit Firmengeschichte befassen, werden eher ab- als aufgebaut. | |
| Hier in Barsbüttel aber bietet sich ein interessanter, ja notwendiger Blick | |
| auf die analogen Quellen der digitalen Technik, die wir nutzen, ohne bei | |
| der extremen Verkleinerung der Funktionselemente noch irgendetwas erkennen | |
| zu können. Und zum Abschied entschleiert sich auch das Geheimnis der | |
| Steinplatte auf der Gartenmauer: Sie ist eine vergrößerte Kopie der | |
| einzigen aus der Antike erhalten großen Marmor-Rechentafel, wie sie | |
| Archäologen auf der griechischen Insel Salamis gefunden haben. Schon ein | |
| ungewöhnlicher Schmuck für ein Barsbütteler Eigenheim. | |
| Büromaschinenmuseum Barsbüttel-Willinghusen, Am Eichenhain 7, 22885 | |
| Barsbüttel. Geöffnet nach telefonischer Vereinbarung, Tel.: 040 / 71 06 18 | |
| 0. Eintritt frei | |
| 7 Sep 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Hajo Schiff | |
| ## TAGS | |
| Technik | |
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