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# taz.de -- Gottesstaat: Machtkampf an der Außenalster
> Die Hamburger Imam-Ali-Moschee geht unter dem neuen Imam auf
> Teheran-Kurs. Die deutschsprachigen Muslime in der Moschee diskutieren
> nun, ob sie eine liberale Gemeinde gründen sollen.
Bild: Gespalten: das Islamische Zentrum an der Hamburger Außenalster.
Der Freitag vor der Al-Quds-Demonstration ist für die Hamburger
Imam-Ali-Moschee ein entscheidender Tag gewesen. Würde der Imam nach dem
Freitagsgebet zur der anti-israelischen Demonstration in Berlin aufrufen,
die für den nächsten Tag, den Samstag, angesetzt war? Die Jahre zuvor hatte
man diesen Aufruf bewusst vermieden - ein solches Statement hätte den
Frieden in der Moschee gestört, unter deren Dach sich nicht nur
Teheran-treue Muslime versammeln, sondern auch Gegner des Regimes - und die
eher liberal orientierte deutschsprachige Gemeinde.
"Es geht um die Frage, ob in der Moschee überhaupt noch ein Platz für uns
ist", sagt der Schriftsteller Peter Schütt, Mitglied der Gemeinde. Er habe
den im vergangenen Jahr von Teheran eingesetzten Ayatollah Ramezani im
Vorfeld gebeten, den Aufruf zu unterlassen. Das Freitagsgebet handelte dann
von Imam Ali, dem schiitischen Gründungsvater. Ein Dichter, erklärte
Ramezani, habe über Imam Ali gesagt: "In der Nacht verrichtet er den
Gottesdienst vor dem Altar und spricht weinend mit seinem Gott, und am Tag
zieht er in die Schlacht und lacht in der Strenge des Krieges."
Dies sei schon eine "sehr eigenwillige" Sichtweise, sagt Schütt. Imam Ali
sei eher als Märtyrer bekannt, nicht als Krieger. Direkt nach dem
Freitagsgebet sei dann der Aufruf zur Al-Quds-Demonstration gekommen - auf
Persisch, Türkisch, Arabisch und Deutsch. "Und dann sind zwei Busse
gefahren."
Offenbar soll die Imam-Ali-Moschee unter dem neuen Imam auf Teheran-Kurs
gebracht werden. Der Vorgänger, Ayatollah Ghaemmaghami, hatte nach seinem
Amtsantritt das Porträt des iranischen Revolutionsführers Khomeini abhängen
lassen und versucht, sich vorsichtig in Richtung eines Euro-Islam zu
bewegen, der mit der Demokratie vereinbar wäre. Ramezani dagegen hat in
internen Gesprächen mit Gemeindemitgliedern erklärt, er vertrete die
Interessen der Iranischen Republik. Er sei vom derzeitigen religiösen
Führer, Ali Khamenei, eingesetzt, und werde entsprechend handeln.
Dabei steht im Gründungsvertrag des Islamischen Zentrums, zu dem die
Moschee gehört, dass das Gotteshaus für alle Richtungen offen sein solle.
Eine Festlegung auf die Schia ist nicht vorgesehen, schon gar nicht eine
auf die iranische Politik. "Daran muss sich der Imam halten", sagt Schütt,
der derzeit der einzige aus der Gemeinde ist, der sich traut, mit der
Presse zu sprechen.
Ob der neue Imam selbst ein Hardliner ist, oder ob er nur unter dem Druck
von Hardlinern steht, ist in der Gemeinde umstritten. Im Mai ließ Ramezani
eine "Islamische Tagung deutschsprachiger Muslime" vom "Islamischen Weg"
ausrichten, einem Verein, hinter dem die Brüder Yavuz und Gürhan Özuguz aus
Delmenhorst stehen.
Die beiden sind als Betreiber des Internetportals "Muslim-Markt" bekannt,
in seinen Forenbeiträgen sympathisiert Yavuz Özuguz offen mit dem
iranischen Präsidenten Ahmadinedschad. Der sei "für die Armen und Schwachen
da und nicht für die Reichen und Arroganten" und werde "vom Volk geliebt".
Nach der Islamisten-Tagung hätten sich die traditionellen Sponsoren der
Moschee, die iranischen Teppichhändler, zurückgezogen, berichtet Peter
Schütt, der mit einer Iranerin verheiratet ist. Das Geld komme jetzt nur
noch aus Teheran. "Jetzt diskutieren wir, ob wir nicht eine liberale
Gemeinde gründen sollen, nach dem Vorbild der liberalen jüdischen
Gemeinde", sagt Schütt.
Die Frage ist nur, ob das in der Moschee unter den herrschenden Bedingungen
möglich ist. Halima Krausen, die Imamin der deutschsprachigen Gemeinde,
sagt, sie sehe sich "in der Tradition der Gründerväter dieses Zentrums, die
es als ein für alle offenes erhalten wollten". Peter Schütt und seine
Mitstreiter spielen dagegen schon Auszugsszenarien durch. "Es fällt mir
nicht leicht, die Moschee ist mir eine Heimat geworden", sagt Schütt, der
als ehemaliger Kommunist nun bekennender Muslim ist.
Etwa 400 Familien stehen auf der Liste der deutschsprachigen Gemeinde,
Schütt rechnet damit, dass eine Mehrheit sich ihnen anschließt. Es könnten
aber auch Muslime von außerhalb der Moschee dazustoßen, Schütt denkt da an
Hamburger Sufi-Orden, die von ihren derzeitigen, im Ausland lebenden
Scheichs enttäuscht seien.
Das Motto für ihre liberale muslimische Gemeinde haben Schütt und seine
Mitstreiter dem Koran entnommen. "Es gibt keinen Zwang im Islam", heißt es
da in Sure 2, 257. "Das Gewissen ist die höchste Instanz, nicht irgendein
Imam oder Scheich", sagt Schütt. Die Leitung des Islamischen Zentrums
äußerte sich bislang nicht.
10 Sep 2010
## AUTOREN
Daniel Wiese
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