# taz.de -- Studie über Jugendliche: Generation pragmatisch | |
> Je wohlhabender ihr Elternhaus, desto zuversichtlicher blicken | |
> Jugendliche in die Zukunft, so eine Jugendstudie. In den ärmeren Familien | |
> sieht es umgekehrt aus. | |
Bild: Ja zur Familie, ja zur Leistungsbereitschaft: Drei Viertel der Jugend von… | |
BERLIN taz | Jugendliche aus reicheren Familien fühlen sich besser als noch | |
vor einigen Jahren, Jugendliche aus ärmeren Familien hingegen schlechter. | |
Das ist, vereinfacht gesagt, das Fazit der 16. Shell-Jugendstudie, die am | |
Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Anders ausgedrückt: Die soziale | |
Schere geht auch bei jungen Menschen immer weiter auseinander. | |
Damit bestätigt die Jugendstudie, die Shell seit 50 Jahren alle vier Jahre | |
herausgibt, die Ergebnisse der vergangenen beiden Untersuchungen. Schon in | |
den Jahren 2006 und 2002 zeigte sich, dass eher jene Mädchen und Jungen | |
optimistisch in die Zukunft blicken, deren soziales Umfeld stimmt. Und | |
diejenigen, die zu den bildungsfernen Schichten zählen oder aus | |
Migrationsfamilien stammen, zeichnen ein eher düsteres Bild ihrer nächsten | |
Lebensjahre. Die sogenannten abgehängten Jugendlichen machen der Studie | |
zufolge 10 bis 15 Prozent aus. | |
Insgesamt aber, sagte der Sozialwissenschaftler Mathias Albert, sei die | |
heutige Jugend zuversichtlich. "Ich hätte gemutmaßt, dass sich die Krise | |
auf die Stimmung Jugendlicher legt", sagte der Soziologe von der | |
Universität Bielefeld, die die Studie durchgeführt hat. Danach beurteilen | |
59 Prozent der befragten Mädchen und Jungen ihre persönlichen | |
Zukunftschancen als positiv. Vor vier Jahren waren es 9 Prozent weniger. | |
Wirtschaftsstagnation, Kriege und Klimawandel können der Jugend also nicht | |
so viel anhaben, wie Sozialwissenschaftler allgemein glauben. Aber ist | |
Jugend nicht immer zuversichtlich? Das schon, sagt Mathias Albert: "Es | |
wurde aber auch deutlich, dass Jugendliche heutzutage sehr leistungsbereit | |
sind. Dadurch wird ihre optimistische Grundhaltung bestimmt." | |
Jugendforscher nennen die jungen Leute von heute auch gern die | |
"pragmatische Generation": Die Mädchen und Jungen gehen rational an die | |
Anforderungen im Alltag, im Beruf und im Privatleben heran, wägen ab und | |
üben sich in der Selbst- und Fremdwahrnehmung. | |
Letzteres hat schließlich zur Folge, dass Mädchen und Jungen aus sozial | |
benachteiligten Schichten ihre Zukunftschancen schlechter einschätzen. Nur | |
40 Prozent dieser Jugendlichen sagen, dass sie mit ihrem Leben zufrieden | |
sind. Sie wissen darum, dass sie mit schlechten Schulnoten weniger Chancen | |
auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt haben und später eher Gefahr laufen, | |
arbeitslos zu werden. "Das produziert Druck", sagt Mathias Albert. | |
"Nichtsdestotrotz haben diese Jugendlichen einen ebenso so starken | |
Leistungswillen und ganz normale Wünsche." | |
Dazu zählten unter anderem Freunde, Spaß am Leben und die Gründung einer | |
Familie. Mehr als drei Viertel der Jugendlichen - unabhängig davon, welchen | |
sozialen Hintergrund sie haben - meinen, dass sie eine Familie brauchen, um | |
wirklich glücklich zu sein. | |
An diesem Punkt unterscheiden sich junge Menschen nicht so sehr von | |
älteren: In einer Zeit, in der Jobs immer fragiler werden und | |
Erwerbsbiografien öfter Brüche erleiden, suchen Menschen wieder verstärkt | |
nach sozialen - und das heißt zumeist: familiären - Bindungen. | |
Den Jugendlichen liefert diesen Halt momentan die Herkunftsfamilie. Später | |
wollen die meisten aber eine eigene Familie gründen. 73 Prozent der Mädchen | |
wünschen sich Kinder, bei den Jungen sind es 65 Prozent. | |
Interessant ist, dass 90 Prozent der Mädchen und Jungen angeben, dass sie | |
ein gutes Verhältnis zu ihren Eltern haben. Fast drei Viertel von ihnen | |
würde ihre Kinder genauso erziehen, wie sie selber erzogen worden sind. | |
Dieser Umstand erfreute besonders Bundesfamilienministerin Kristina | |
Schröder (CDU): "Vor einigen Jahren war das noch anders", sagte sie. Durch | |
die Studie fühle sie sich in ihrer Politik bestätigt. Um die soziale Schere | |
nicht noch weiter auseinandergehen zu lassen, sollten vor allem Kinder aus | |
sozial schwächeren Familien gezielt gefördert werden. Dazu gehöre, dass sie | |
frühzeitig Deutsch lernen. | |
Vor wenigen Tagen hatte die Ministerin angekündigt, im kommendem Jahr 4.000 | |
"Brennpunkt-Kitas" zu fördern: Mit 400 Millionen Euro, die der Bund zur | |
Verfügung stellt, sollen in den Einrichtungen dann halbtags Sprach- und | |
Integrationsvermittler arbeiten. | |
14 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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