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# taz.de -- Kino-Film "The American": Auftragskiller im Abseits
> Anton Corbijns Spielfilm "The American" hat einen attraktiv alternden
> George Clooney in der Hauptrolle, weiß aber recht wenig mit seinen
> Genre-Versatzstücken anzufangen.
Bild: Clooney mit Knarre: attraktiv alternder Vor-sich-hin-Brötler-Killer.
Ein Mann wird gejagt. Es ist Winter. Der Mann heißt, zunächst jedenfalls,
Jack und es spielt ihn George Clooney. Jack wird beschossen und er schießt
zurück. Er tötet, als lästige Zeugin, seine Gespielin und bereut es, darf
man mutmaßen, hinterher. Mutmaßen darf und muss man überhaupt viel in "The
American", denn George Clooney lacht nicht nur niemals und verströmt keinen
Charme, sondern spricht auch nie sein Innerstes aus. Er ist ein sehr
schweigsamer Profikiller und Waffenexperte. Die Schuld, die er mit dem Mord
zu Beginn auf sich lädt, trägt er auf seinen Schultern. Heiter blickt er
nicht drein. Für einen letzten Auftrag - er soll nicht töten, nur die
perfekte Waffe bereitstellen - reist er, nach einem Abstecher über Rom, in
die Abruzzen.
Der Pfarrer vor Ort nimmt ihm den Fotografen, der zu sein er behauptet,
nicht ab. Mit der Prostituierten Clara mit dem goldenen Herzen (Violante
Placido) hat Jack im Abruzzendorf-Puff Sex und es wird mehr daraus. Jack
stapft durch das Dorf, macht Konversation mit dem Pfarrer, bekommt Anrufe
von seinem Boss und sitzt, das vor allem, in seiner spartanischen
Mietwohnung am Tisch und bosselt mit düsterer Miene in Großaufnahmen an
Waffen. Dazu setzt dann gerne etwas plumpe Instrumentalmusik ein, die von
Anton Corbijns Londoner Nachbar Herbert Grönemeyer stammt. Grönemeyer &
Clooney & Corbijn: kein match made in heaven.
Für die Landschaft hat Corbijn sichtlich ein Auge. Mal pittoresk (Wald,
Bach, Natur, Hügel, Schmetterling), mal ornamental (sich schlängelnde
Straße in Draufsicht) setzt er sie ins Bild. Es ist eine sehr schöne
Gegend. Unterwegs in der Landschaft ist Jack. Etwa für Schießübungen mit
der Kundin Mathilde, für die er das Gewehr fertigt. Dann auch einfach so.
Sehr viel sogar einfach so.
Der als Popstarfotograf, Plattencoverdesigner und Musikvideomann zu Ruhm
und Ehre gekommene Anton Corbijn setzt sich mit seinem zweiten Spielfilm
(davor gab es als Langfilm schon das Ian-Curtis-Biopic "Control")
offenkundig ins Verhältnis zum Genre: Die Spannung, sonst Anfang und Ende
des Killerfilms, nimmt er heraus. Er konzentriert das Geschehen auf die für
gewöhnlich gern ausgelassenen Momente, in denen sich nichts ereignet, das
dem Unterhaltungsinteresse des Betrachters zuträglich wäre. Nur ist er auch
dabei wieder keineswegs konsequent: Irgendwer scheint doch hinter Jack her
zu sein. Eine halbwegs kompetent in Szene gesetzte Verfolgungsjagd gibt es
auch. Und Schüsse. Und Blut.
In die Landschaft aus leblosen Genre-Versatzstücken eher lieblos
hineingesetzt, wirkt George Clooneys Jack (bzw. vielleicht doch eher
Edward) als attraktiv alternder Vor-sich-hin-Brötler-Killer kurz vor dem
Ruhestand. Vermutlich dienten Corbijn die lakonisch existenzialistischen
Genre-Endspiele der siebziger Jahre als Vorbild. Heraus kommt dann aber
doch eher Westentaschen-Antonioni, ein sehr verbiesterter Film, dessen
Verhältnis zum Raum, zum Genre, zu den Figuren komplett unklar bleibt.
Corbijn unternimmt alles, durch Atmosphäre gutzumachen, was nicht nur dem
Drehbuch an Konsequenz fehlt.
Der Versuch, das Aktionsbild - mit Deleuze gesprochen - ins Zeitbild zu
transformieren, scheitert hilflos an der kunstgewerblichen Plumpheit der
ästhetischen Mittel. Der Held gerät im Raum, den Corbijn dabei einfach nur
auf Fotografenart abfilmt, auf wenig erhellende Weise ins Abseits. Zuletzt
wird dann doch wieder nach den erwartbarsten Regeln des Genres gespielt. Zu
schade, dass der Film davor nur als Schatten seiner selbst auf dem Platz
war.
15 Sep 2010
## AUTOREN
Ekkehard Knörer
## TAGS
Fotografie
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