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# taz.de -- Buch über Geo-Engineering: Planet Erde in ernsthafter Gefahr
> Der Träger alternativen Nobelpreises, Pat Mooney, sieht im Geoengineering
> die größte Gefahr für Mensch und Planet. Die Auswirkungen beschreibt er
> in dem Buch "Next BANG!".
Bild: Endlich wieder ordentlich Kohlendioxid rausblasen - Geoengineering macht'…
Von seiner Frau erfuhr Pat Mooney, dass er über eine spezielle Gabe
verfüge. Der alternative Nobelpreisträger fragte: Ach, welche denn? Und
sie: "Du siehst immer das Dunkle am Ende des Tunnels." Mooney, 63, ist
Kanadier und weltweit führender Experte für Welthunger, Genforschung, Bio-
und Nanotechnologie. Da bleibt ein gewisser Skeptizismus wohl nicht aus.
In dieser Woche ist er in Bonn, wo er noch bis Sonntag Zeit hat, die 80
Träger des alternativen Nobelpreises für eine noble Allianz gegen eine
bisher kaum diskutierte Megatechnologie zu gewinnen: Geoengineering. Das
bedeutet die absichtliche Manipulation der großen planetaren Ökosysteme, um
den Klimawandel aufzuhalten. Mooney nennt es in einem offenen Brief an die
Kollegen Preisträger die "neueste und womöglich bedrohlichste Gefahr für
die Menschen und unseren Planeten". Soeben hat er dazu auch ein Buch
veröffentlicht: "Next BANG!".
Blockierte Sonnenstrahlen
Geoengineering kommt daher wie Frank Schätzings letzter Weltraumökoroman
"Limit". Die faszinierendste Idee: Man schießt mit einer Silberkugel Wolken
aus Sulfatnanopartikeln in die höheren Luftschichten der Stratosphäre. Das
soll schädliche Sonnenstrahlen blockieren und die Temperatur senken.
Oder man streut Eisenpartikel auf die Meeresoberfläche, um Kohlendioxid
absorbierende Algen zu vermehren und so die Meerestemperatur zu senken. Es
ist das transglobale Update des alten Traums vom Regenmachen. Nur, dass
nicht die Medizinmänner der Stämme dran werkeln, sondern die Ingenieure von
Unternehmen, die das große Geschäft wittern.
Es ist ein verführender Gedanke für Politiker und Bürger, dass uns eine
Silberkugel den ganzen lästigen Ärger mit dem Klimawandel vom Hals schaffen
könnte. Aber um welchen Preis?
Der Weltklimarat IPCC hat auf die unkalkulierbaren Risiken hingewiesen.
Mooney, seine Organisation ETC Group und andere NGOs haben 2008 die
Mitglieder der UN-Biodiversitätskonvention zur Verabschiedung eines
Moratoriums gebracht.
Fehlende Verantwortung
Aber Mooney hat selbst eine Expertise für das Weiße Haus angefertigt, und
für ihn ist klar, dass sich die USA ernsthaft mit Geoengineering als "Plan
B" beschäftigen. Obamas Energieminister Steven Chu gilt als Befürworter.
Die Berater, die gestern noch dagegen waren, schweigen heute. Und der
Präsident werde sich irgendwann dem Argument beugen, zumindest die
Erprobung von Geoengineering weiterzuverfolgen, weil das immer noch besser
sei, als den Planeten abzubrennen. Ein globales Klimakonzept gilt vielen
nicht erst seit Kopenhagen als sehr unwahrscheinlich. Hier bräuchte man
keine globale Allianz. Man könnte mit dem alten Argument kommen, dass die
USA - und ein paar wohlhabende Industriestaaten - die Weltverantwortung
übernehmen.
Sollte man sich das als Ausweg offen halten? Nein, sagt Mooney beim
Gespräch in einem Berliner Hotel. Erstens: Schon die Experimente müssten so
groß angelegt sein, dass die Auswirkungen unkalkulierbar seien, vor allem
für den ärmeren Teil der Welt. Zweitens: "In dem Moment, in dem es heißt,
es gäbe eine umfassende Lösung für das Klimaproblem, sagen alle Politiker:
Dont worry, be happy. Wir können aufhören, die Industrie zu beunruhigen,
alles kann so weiterlaufen." Und jeder, der vor einer Wahl stehe, sage:
"Entspannt euch, Leute, wir haben die Lösung, wir sorgen für euch." Ein
weiteres Argument: Selbst wenn Schwefelwolken in der Stratosphäre die vom
Kohlendioxid aufgeheizte Temperatur zunächst senkten, brächte das
langfristig nichts, wenn weiterhin immer mehr CO2 ausgestoßen wird. Für Pat
Mooney ist Geoengineering ein fataler "Fluchtweg" für Politiker aus ihrer
Verantwortung, genauer gesagt, für einen "Haufen weißer Jungs in den
Industrienationen". Diese Jungs, sagt er, "haben nicht einmal den Mut, der
Gesellschaft zu sagen, dass sie auch mal den Bus nehmen kann. Wie könnten
wir jemals annehmen, dass sie die Intelligenz und die Integrität haben, um
den Thermostat des Planeten zu managen? Auf eine Art, die die Interessen
von Asien, Afrika, Lateinamerika beinhaltet?" Und nicht nur die der
Unternehmen, die die Technologien verkaufen.
Übrigens ist Mooney nach eigener Einschätzung alles andere als ein
Pessimist. Er fürchte nicht das Ende der Menschheit und schreibe über
Dinge, "die uns von Armageddon" wegbringen. Das stimmt: Er weiß, dass es
mit einem Stopp von Geoengineering nicht getan ist. Das Herausarbeiten von
positiven alternativen Szenarien ist Teil des Buchs "Next BANG!" Die
Überwindung der Klimakrise ist für ihn ein langwieriger Prozess. "Die
nächsten drei bis sechs Jahrzehnte werden lausig", sagt Pat Mooney. Wer
also selbst noch das Helle am Ende dieses Tunnels sehen will, sollte heute
relativ jung sein.
16 Sep 2010
## AUTOREN
Peter Unfried
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