# taz.de -- NPD-Kundgebung: Letztes Aufbäumen in Schöneweide | |
> Die Berliner NPD kommt nicht aus der Krise: Rechtspopulisten konkurrieren | |
> um Wähler, Jungnationalisten bestimmen die Aufmärsche. Mit ihrem heutigen | |
> Konzert will sich die NPD wieder aufrappeln. Erfolg: ungewiss. | |
Bild: Versucht sich mit Rechtsrock aus der Krise zu hieven: die NPD | |
Es sind keine leichten Zeiten für die Berliner NPD. Seit Jahren ist die | |
Luft raus beim Landesverband. In der Öffentlichkeit bleibt die Partei | |
inzwischen unsichtbar. Zudem erwächst ihr rechtspopulistische Konkurrenz. | |
Die heutige NPD-Kundgebung gegen das geplante Integrationsgesetz des Senats | |
in Schöneweide ist ein Versuch, aus dieser Krise auszubrechen. Es könnte | |
beim Versuch bleiben. | |
"Die Berliner NPD befindet sich in anhaltender Lethargie, ihre öffentliche | |
Wahrnehmung geht gen null", konstatiert Berlins Verfassungsschutzchefin | |
Claudia Schmid. 40 von rund 300 Mitgliedern verlor die NPD allein 2009. Im | |
Streit traten die Kreisverbände Marzahn-Hellersdorf und | |
Tempelhof-Schöneberg fast komplett aus und formierten teils die im November | |
2009 verbotene Kameradschaft "Frontbann 24". Von den elf 2006 gewählten | |
BVV-Abgeordneten der NPD schmissen drei hin. Bei der Bundestagswahl 2009 | |
blieb die NPD in Berlin deutlich unter der Fünfprozenthürde: 1,6 Prozent. | |
NPD-Landeschef Jörg Hähnel fiel derweil allenfalls durch Gerichtsauftritte | |
auf: Mal billigte er im Nachhinein die Tötung Rosa Luxemburgs, mal | |
beschimpfte er einen BVV-Abgeordneten als Verbrecher. Bereits am Mittwoch | |
steht Hähnel wieder vor Gericht, diesmal wegen Volksverhetzung: Der | |
35-Jährige hatte vor der Bundestagswahl einen "5-Punkte-Plan zur | |
Ausländerrückführung" entworfen und diesen an 22 Abgeordnete mit | |
Migrationshintergrund versandt - samt "Bekanntmachung über die geordnete | |
Durchführung der Heimreise". | |
Im Februar dann zieht man die Reißleine: Der bayerische Neonazi Uwe Meenen | |
wird neuer Landeschef, einer der Radikalen in der NPD. Dazu gesellen sich | |
Stellvertreter, die verschiedene rechtsextreme Klientelen wieder an die NPD | |
binden sollen: der Ex-DVU-Landeschef Dietmar Tönhardt fürs Moderate, der | |
frühere Kroatien-Söldner Eckart Bräuniger fürs Kernige, der Berliner | |
Kameradschaftskader und Dauer-Demo-Anmelder Sebastian Schmidtke für die | |
Jungnazis. | |
Und doch läuft die NPD nur hinterher. Seit dem Sommer sind in der | |
Hauptstadt mit "Pro Berlin" und der "Freiheitspartei" des CDU-Aussteigers | |
René Stadtkewitz Konkurrenten aufgetaucht, die auch am rechten Rand fischen | |
- und die die von Thilo Sarrazin popularisierte Islamophobie als Markenkern | |
für sich reklamieren. Die NPD versucht nur noch, auf den Zug aufzuspringen. | |
Vor einer Woche hängte sie ein Banner aus ihrer Parteizentrale: "Sarrazin | |
hat recht". Noch am selben Tag entfernte es die Polizei - auf Aufforderung | |
Sarrazins. "Jetzt gibt es schon diese Steilvorlage, und die NPD nutzt dies | |
nur mit einem Rechtsrockkonzert. In Wählerstimmen dürfte sich das kaum | |
auszahlen", bemerkt Ulf Bünermann von der Mobilen Beratung gegen | |
Rechtsextremismus (MBR). "Das sagt viel über den Zustand der Partei." | |
Längst setzen in der rechtsextremen Szene der Stadt andere die Akzente. | |
Alle öffentlichkeitswirksamen Aktionen der letzten Zeit - die Aufmärsche am | |
1. Mai und vom Alexanderplatz im Oktober 2009, die Aktionen um die | |
Szenekneipe Zum Henker - gingen von den radikaleren "Freien Kräften" aus. | |
Diese versucht die NPD mit ihren Vorständen Schmidtke und Bräuninger wieder | |
an sich zu binden. Den ohnehin nazistischen Landesverband dürfte das weiter | |
radikalisieren. Wählerstimmen der Berliner Bürgerschaft aber wird das nicht | |
bringen. Und es widerspricht auch der Strategie von Teilen der NPD, eher | |
bürgerlich als "soziale Heimatpartei" aufzutreten, wie etwa in Sachsen. | |
Auch die geplante Fusion mit der DVU bringt der NPD in Berlin keinen | |
Nutzen. "Siech und ohne jegliche Aktivitäten" sei deren Landesverband in | |
der Stadt, bemerkt Verfassungsschutzchefin Schmid. Die letzten | |
verbliebenen, moderateren DVUler würden eher noch zu den Rechtspopulisten | |
wechseln. | |
Die heutige NPD-Kundgebung ist denn auch ein Zeichen nach innen, ein | |
Aufbruchssignal der Partei vor dem Wahlkampf 2011. Und ein weiterer Wink an | |
die rechtsextreme Subkultur. Denn auf der Bühne werden sich neben den | |
Berliner NPD-Landesgrößen auch drei Rechtsrockbands einfinden: Exzess, | |
Kahlschlag, Totalverlust. Letztere firmiert sonst unter dem Namen Tätervolk | |
- deren CD "In brauner Uniform" wurde 2009 indiziert. "Die Texte von | |
Totalverlust sind klar NS-verherrlichend", so MBR-Mitarbeiter Bünermann. | |
"Dass die NPD diese Bands einlädt, zeigt einmal mehr, wessen Geistes Kind | |
sie ist." | |
Nach Ansicht von Claudia Schmid geht es der NPD mit der Aktion vor allem | |
darum, verlorenes Ansehen in der Szene zurückzugewinnen und die "Freien | |
Kräfte" wieder einzubinden. "Ohne diese könnte die NPD ihren Wahlkampf 2011 | |
gar nicht stemmen." Einen "Befreiungsschlag" erwartet Schmid nicht von der | |
Kundgebung. "Die von der NPD anvisierten 250 Teilnehmer sind noch kein | |
Signal der Stärke. Kommen noch weniger, könnte das Ganze zum Bumerang | |
werden - dann wäre die Schwäche der NPD auch öffentlich dokumentiert." | |
Nicht von ungefähr geht die NPD deshalb nach Schöneweide im Bezirk | |
Treptow-Köpenick. In dem Bezirk steht ihre Bundeszentrale. Hier bedient die | |
Szenekneipe Zum Henker rechtes Stammpublikum. Hier stellt die NPD eine drei | |
Mann starke BVV-Fraktion. "In Schöneweide liegt die Masse unserer Wähler | |
und Interessenten", sagt NPD-Landeschef Uwe Meenen. "Deshalb sind wir | |
Samstag hier." Einen "Angsttraum" nennt die MBR die Gegend um den Bahnhof | |
Schöneweide. | |
Dirk Retzlaff, SPD-Jugendstadtrat in Treptow-Köpenick, kann seinen Ärger | |
über die ungebetenen Gäste schwer verbergen. "Ausländerfeindlich", | |
"rassistisch" sei die NPD-Kundgebung. Retzlaff ist Teil des | |
Bürgerbündnisses, das am Samstag die NPD blockieren will. Er kennt die | |
Partei hautnah - seit vier Jahren sitzt sie bei ihm im Bezirksparlament. | |
"Inhaltlich kommt da gar nichts", schimpft der 50-Jährige über die drei | |
NPDler in der BVV, darunter NPD-Bundeschef Udo Voigt. Ab und zu eine | |
Provokation, das wars. Retzlaff ist studierter Geschichtslehrer. | |
"Belastend" sei das, was er sich an "nationalistischem Gequirle" von dem | |
Trio anhören müsse. Deshalb habe sich die Blockadetaktik der BVV-Fraktionen | |
bewährt: Kein NPD-Antrag sei bisher durchgekommen, die Reden würden kurz | |
inhaltlich abgelehnt, dann werde in der Tagesordnung fortgefahren. "Man | |
muss sich nicht alle Dummheiten anhören", findet Retzlaff. Die MBR lobt das | |
"geschlossene Vorgehen der demokratischen Parteien". "Außer ein paar | |
Propagandaauftritten und Provokationen schafft es die NPD nicht, Themen zu | |
besetzen", so MBR-Mann Bünermann. | |
Für Bezirksrat Retzlaff haben die NPD-Auftritte nur einen positiven Effekt: | |
Die Partei disqualifiziere sich selbst. Einer ihrer Köpenicker | |
Abgeordneten, Fritz Liebenow, sei früher ortsbekannter Fleischer und | |
Stadtführer gewesen. "Ein Köpenicker Urgestein." Seit Liebenow für die NPD | |
im Parlament sitzt, laufen die Führungen nicht mehr, die Leute meiden den | |
60-Jährigen. "Der hat sich selbst ins Abseits geschossen", so Retzlaff. "Zu | |
Recht." | |
CLAUDIA SCHMID, VERFASSUNGSSCHUTZ | |
18 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Konrad Litschko | |
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