# taz.de -- Rothemden gehen auf die Straße: Roter Sonntag in Bangkok | |
> Ein symbolhafter Tag. Vier Jahre nach dem Militärputsch und vier Monate | |
> nach der blutigen Niederschlagung ihres Protestes sind die Rothemden | |
> wieder auf der Straße. | |
Bild: Auch wenn die Proteste nach außen hin wie ein Festival wirken - unter de… | |
Mit roten Rosen, Luftballons und Kerzen gegen die Regierung: Bis zu | |
zehntausend Demonstranten gingen trotz Ausnahmezustands und verschärfter | |
Sicherheitsvorkehrungen auf die Straße. Ihrem Frust wollten sie gleich | |
doppelt Luft machen: Der Sonntag markierte nicht nur den vierten Jahrestag | |
des Militärputsches gegen den damaligen gewählten Premier Thaksin | |
Shinawatra; es ist auch genau vier Monate her, dass Thailands Armee die | |
roten Massenproteste an der Ratchaprasong-Kreuzung in Bangkok | |
niedergeschlagen hat. | |
Sombat Boonngamanong, Initiator der friedlichen Gruppe Red Sunday, staunt | |
über die seit dem Vormittag zusammenströmenden Menschenmassen: "Ich hatte | |
mich doch erst um 17 Uhr mit ihnen verabredet!" Zur taz sagt Sombat noch: | |
"Die Roten sind erneut aufgestanden." | |
Auch wenn die Proteste nach außen hin wie ein Festival wirken - unter der | |
Oberfläche sind viele traumatisiert. Immerhin kosteten Auseinandersetzungen | |
zwischen Demonstranten und den Behörden im April und Mai mindestens 91 | |
Menschen das Leben. Mehrheitlich waren Rothemden die Opfer, aber auch | |
Soldaten und zwei ausländische Journalisten wurden getötet. Fast 2.000 | |
Menschen wurden verletzt. Ein schmaler, kleiner Mann mit rotem Halstuch hat | |
Tränen in den Augen: "Ich trage keine Waffen, aber die andere Seite hat | |
welche", sagt er in Anspielung auf die Niederschlagung der Rothemden durch | |
das Militär am 19. Mai. | |
Schon einige Wochen zuvor hatte die Armee versucht, die Demonstrationen zu | |
zerschlagen. Das endete nicht zuletzt deshalb im Fiasko, weil eine | |
mysteriöse Gruppe von "Männern in Schwarz" - mutmaßlich rivalisierende | |
Militärs oder der Armee nahestehende Gruppierungen - sich unter die Roten | |
gemischt und gegen die eigenen Kameraden gekämpft hatte. Boert, ein | |
unbewaffneter Demonstrant, verlor an jenem 10. April sein rechtes Auge. | |
"Ein Soldat hatte mich mit einem Gummigeschoss getroffen", sagt der junge | |
Mann, der sich trotz allem kämpferisch gibt: "Wir hören nicht auf, bis wir | |
Demokratie haben." | |
Ein Mann mit hellem Haarkranz, ein Rentner, steht ganz in der Nähe: "Wir | |
sind heute auch hier, um gegen den Militärputsch vor vier Jahren zu | |
protestieren", ruft er. Das, was man derzeit im Land erlebe, sei eine | |
Langzeitfolge des Staatsstreiches. Nicht alle, die gegen den Coup | |
protestieren, sind Thaksin-Anhänger. Aber sie erregen sich über die Weise, | |
in welcher der Expremier geschasst und zwei ihm nahestehende Parteien | |
aufgelöst wurden: Da gab es die Massenproteste der von der konservativen, | |
königstreuen Elite unterstützten Gelbhemden sowie umstrittene | |
Entscheidungen der Justiz. Die politischen Ränkespiele brachten Ende 2008 | |
schließlich die jetzige, von der Demokratischen Partei geführte Koalition | |
unter Premier Abhisit Vejjajiva an die Macht. Dabei half auch das Militär | |
nach - in Thailand ein offenes Geheimnis. | |
"Was wir gerade im Land erleben, das ist Diktatur" moniert der Rentner | |
weiter, "die Roten werden ungerecht behandelt." Während sich rote Anführer | |
wegen Terrorismusvorwürfen in Haft befinden, sind die führenden Köpfe der | |
Gelbhemden, die 2008 den Regierungssitz und beide Bangkoker Flughäfen | |
blockierten, weiterhin in Freiheit. | |
20 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Nicola Glass | |
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