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# taz.de -- Integrationsdebatte in der Schule: "Migrantenlehrer bestehen auf De…
> Viola Georgi hat Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte befragt. Ihre Rolle
> schwankt zwischen Erlöser und Mädchen für alles. Doch viele wollen nicht
> mehr nur die Migranten-Feuerwehr spielen.
Bild: Viele Lehrer mit Zuwanderungsgeschichte sehen sich als Brückenbauer.
taz: Frau Georgi, nur etwa 1 bis 2 Prozent der deutschen Lehrer haben einen
Migrationshintergrund. Ist der Beruf bei Einwanderern unbeliebt?
Viola B. Georgi: Wir haben in unserer Studie 260 Lehrer mit
Migrationshintergrund befragt. Ihre Biografien zeigen eine starke
Erfolgsorientierung und große Unterstützung auf dem Bildungsweg. In manchen
Interviews wurde deutlich, dass die Eltern fast ein bisschen enttäuscht
waren, wenn Kinder sich für den Lehrberuf statt für eine Arzt- oder
Juristenkarriere entschieden.
Man kann also vermuten, dass dieser Beruf wenig Prestige genießt. Obendrein
bindet er stark an dieses Land. Das bedeutet für Menschen mit
transnationalen Biografien eine Festlegung, die nicht ihrem Lebensentwurf
entspricht.
Werden also die im Sinne des öffentlichen Diskurses gut Integrierten
Lehrer?
Ein Hinweis darauf ist, dass viele Deutsch unterrichten. Dazu konnten wir
ein gewisses Sicherheitsdenken in Hinsicht auf die Kontinuität, die der
Beruf bietet, feststellen. Das kennt man aber aus der Motivationsforschung
bei Lehrern, das ist kein besonderes Merkmal der Migranten.
Sie plädieren für mehr Lehrkräfte mit Migrationshintergrund. Sind sie
bessere Lehrer?
Darum geht es auch nicht. Es geht um die Frage der Repräsentation von
Minderheiten: Die Vielfalt der Einwanderungsgesellschaft auch im
Klassenzimmer abzubilden. Zudem verändern Lehrkräfte mit
Migrationshintergrund das Bild, das die Mehrheitsgesellschaft von
Minderheiten hat. Sie sind Erfolgsträger und wichtige Rollenvorbilder.
Wegen ihrer Mehrsprachigkeit und ihres Aufwachsens in mehrkulturellen
Lebenszusammenhängen können sie auch besser auf Schüler aus
Einwandererfamilien eingehen.
Bestätigt Ihre Studie das?
Viele Befragten sehen sich in dieser Rolle der Brückenbauer und tragen sie
selbst aktiv in die Schule hinein, indem sie sich etwa anbieten für
Übersetzerdienste oder Elterngespräche. Es kommt vor, dass ihnen die Rolle
zugeteilt wird, sie gezielt für solche Dienste angefragt werden.
Werden die nicht verheizt?
Die Gefahr besteht. Daher kann es auch sein, dass migrantische Lehrkräfte
das irgendwann ablehnen, nicht immer Feuerwehr für bestimmte Fragen und
Probleme sein wollen. Das ist ambivalent: Mit dieser besonderen Funktion
ist ja Anerkennung und Wertschätzung in den Schulen, im Kollegium
verbunden. Gleichzeitig stellt sie die Lehrkräfte aber unter einen
Erwartungsdruck, der sie oft an ihre Grenzen bringt, weil ihnen Aufgaben
zufallen, die sie überfordern. Sie sind ja nicht Psychologen oder
Sozialarbeiter.
Auch die Haltung der Schulen ist ambivalent: Viele wollen zwar
mehrsprachiges Lehrpersonal - andererseits wird der Gebrauch der
Herkunftssprachen durch die Schüler sogar verboten. Was sollen solche
Schulen mit Lehrkräften, die diese Sprachen sprechen?
Da hat unsere Studie uns überrascht: Wir haben festgestellt, dass viele
Lehrer mit Migrationshintergrund diesen monolingualen Habitus der Schulen
mittragen. Sie verweisen Schüler mit gleichsprachigem Hintergrund, die sie
im Unterricht in der gemeinsamen Sprache ansprechen, auf Deutsch als
Unterrichtssprache. Das schließt aber nicht aus, dass in der Pause oder
beim Elterngespräch die gemeinsame Sprache doch benutzt wird und benutzt
werden darf. Auch das stellt Nähe her.
Die Lehrkräfte sind also an den Schulen erwünscht?
Über 70 Prozent der Befragten sagen, dass sie sich in ihren Kollegien
anerkannt fühlen. Aber ebenfalls fast 70 Prozent wünschen sich mehr
interkulturelle Kompetenz im Kollegium. Es gab erstaunlich viele Berichte
von Diskriminierung, die im Lehrerzimmer passiert. Dabei geht es um die
gesamte Palette von Zuschreibungen entlang der Kultur bis hin zu
Streitigkeiten über den Umgang mit Mehrsprachigkeit.
Ein Lehrer schwarzer Hautfarbe muss plötzlich immer die Afrikathemen
machen. An einer Schule, wo es mehrere Kollegen türkischer Herkunft gibt,
setzt ein Lehrer eine Petition in Gang, dass im Lehrerzimmer nur Deutsch
gesprochen werden darf.
Sind die Lehrkräfte vorbereitet auf das, was an den Schulen auf sie
zukommt?
Viele sind überrascht, welche Wirkung ihr ethnischer Hintergrund hat. Oft
ist es so: Schüler derselben Herkunft bauen ein besonderes
Vertrauensverhältnis auf. Schüler mit anderem Hintergrund sind deswegen
teilweise sauer. Und deutsche Eltern schauen LehrerInnen nicht deutscher
Herkunft oft besonders streng auf die Finger. Der ethnische Hintergrund hat
also positive Wirkungen, kann aber auch zu Konflikten führen. Das ist ein
unglaublicher Balanceakt - den sie leisten müssen, ob sie wollen oder
nicht.
Was brauchen die zugewanderten Lehrer, um das leisten zu können?
Unsere Studie zeigt, dass Lehrkräfte mit Migrationshintergrund einen sehr
bewussten Umgang mit kultureller und religiöser Heterogenität haben. Sie
sind deshalb ein wichtiger Bestandteil demokratischer, interkultureller
Schulentwicklung auch beim Umgang mit Rassismus an Schulen. Sie können
diese Erwartung aber nur bedienen, wenn man sie in dieser Rolle
professionalisiert.
Auch sie brauchen in der Aus- und Weiterbildung Möglichkeiten, sich mit
interkultureller Pädagogik zu beschäftigen. Damit sich aber unsere
Einwanderungsgesellschaft irgendwann tatsächlich auch im Bildungsbereich
widerspiegelt, brauchen wir ein Leitbild an Schulen, das Vielfalt als
Bereicherung auffasst und auch lebt. Wir müssen uns die Lehrpläne ansehen:
Was ist im Literatur-, im Geschichts-, im Musikunterricht an
interkultureller Bildung möglich? Das wird uns nur mit dem Einsatz von
Lehrkräften mit Migrationshintergrund nicht gelingen: Da muss das ganze
Lehrerzimmer mitmachen.
21 Sep 2010
## AUTOREN
Alke Wierth
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