# taz.de -- Randsportart Minigolf: Meister des Materials | |
> Ende der 1950er Jahre war Hamburg der Nabel der Minigolfwelt. Einer, der | |
> damals Minigolf-süchtig wurde, ist Sieghardt Quitsch. Nach wie vor ist er | |
> Vorsitzender des Hamburger Bahnengolf-Verbands. Und kämpft immer noch für | |
> die Wahrnehmung der einstigen Freizeitbeschäftigung als Sport. | |
Bild: "Ein Sport, der süchtig macht", sagt Sieghardt Quitsch: Minigolf. | |
Es gibt keine Tickets, keine Einlasskontrolle, keine Ordner. Die Tür in | |
diese Welt steht offen und es kann jeder eintreten, der will. Einzige | |
Bedingung: Die Zuschauer dürfen nicht näher als zwei Meter an die Bahnen | |
herantreten. Die SpielerInnen dürfen nicht gestört werden. Aber das würde | |
man sich sowieso nicht trauen, denn die Leute hier nehmen ihre Sache ernst. | |
Sie tun das auf eine Art und Weise, die viel mit Leidenschaft zu tun hat | |
und nichts mit Geld. Und das ist viel wert. | |
Wir befinden uns auf der Miniaturgolfanlage des SV Lurup im Hamburger | |
Westen. Ausgespielt werden gerade die Hamburger Minigolf Open, ein | |
Grand-Prix-Turnier, das international offen ist. Die internationale | |
Beteiligung ist überschaubar, aber dafür sind mit Gaby Rahmlow eine | |
amtierende Senioren-Europameisterin und mit Gerrit Below ein amtierender | |
Jugend-Weltmeister mit am Start. | |
Europa- oder Weltmeister sind im Minigolf keineswegs Titel, die so | |
inflationär vergeben werden wie beispielsweise beim Boxen. Die Hamburgerin | |
Rahmlow und der Elmshorner Below sind Nationalspieler des Deutschen | |
Minigolf Verbandes (DMV). Damit werden sie nie ihren Lebensunterhalt | |
verdienen, aber die Ausrüstung und die Reisekosten zu den Turnieren zahlt | |
der Verband. In dem gibt es Bundestrainer, Leistungszentren, einen | |
Verbandsarzt und eine Anti-Doping-Beauftragte. Sogar mit Gender | |
Mainstreaming befasst sich der DMV. | |
Einer, der die Entwicklung des Minigolf als Sport von Anfang an begleitet | |
hat, ist Sieghardt Quitsch, der Vorsitzende des Hamburger Bahnengolf | |
Verbands. Quitsch ist 76 Jahre alt, als junger Student der Gebrauchsgrafik | |
entwarf er in Hamburg transportable Miniaturgolf-Anlagen und war Ende der | |
1950er Jahre dabei, als sich die ersten Vereine an der Elbe gründeten. | |
Damals habe er "mehr Zeit auf der Anlage verbracht, als meinem Privat- und | |
Berufsleben guttat". Er schmiss sein Gebrauchsgrafik-Studium, seine Ehe | |
wurde "wegen nicht vertretbarer Hingabe an das Minigolfspiel" geschieden. | |
"So steht's im Urteil", sagt Quitsch. | |
Bei den Hamburger Minigolf Open hat Quitsch die Turnierleitung übernommen. | |
Er liest die Ergebnisse vor, die auf einem großen Spielplan neben dem | |
Anlagen-Kiosk festgehalten werden. "Minigolf wird nicht als Sport gesehen, | |
aber es ist ein Sport", sagt Quitsch. "Ein Sport, der süchtig macht. Weil | |
man immer versucht, das Beste rauszuholen. Man trainiert wie ein Ochse." | |
Training heißt beim Minigolf nicht nur, den Bewegungsablauf und die | |
Konzentration zu trainieren. Training bedeutet auch, sich mit dem Material | |
auseinanderzusetzen, vor allem mit dem des Balles und der jeweiligen Bahn. | |
"Ein guter Spieler hat mindestens 100 Bälle", sagt Quitsch. "Er kommt auf | |
eine Bahn, die er nicht kennt und probiert Bälle, bis er die besten | |
gefunden hat." Bis zu einer Woche vor dem Turnierstart würden manche | |
Spieler anreisen, um die Bahn kennenzulernen. "Es könnte schließlich am | |
Turniertag regnen. Dann bräuchte der Spieler andere Bälle." | |
Rund 3.000 verschiedene Bälle gebe es heutzutage auf dem Markt, sagt | |
Quitsch, wobei der Ball allein noch nicht die ganze Wahrheit ist. | |
Entscheidend dafür, wie sich der Ball verhält, ist die Temperatur seines | |
Materials. Also muss ein Ball entsprechend gewärmt oder gekühlt werden. Zum | |
Kühlen werden Kühlkoffer benutzt, Wassereimer oder das Gras neben der Bahn. | |
Zum Wärmen die Hand oder die Hosentasche. | |
Jugend-Weltmeister Gerrit Below trägt bei den Hamburg Open zwei | |
Trainingshosen übereinander: Damit hat er beim Wärmen zwei unterschiedliche | |
Temperaturniveaus zur Verfügung. Wie Below davon erzählt, sieht man ihm an, | |
dass er sich fragt, wie das wohl wirkt, auf Freizeit-Minigolfer. Below, 18, | |
sieht absolut nicht aus wie einer, der gerade dabei ist, abzudrehen. Eher | |
wie jemand, der einen krisensicheren Beruf ergreifen wird. Die meisten | |
Bundesliga-Spieler seien bei der Bundeswehr oder bei Behörden, sagt | |
Quitsch. "Sie brauchen Zeit, weil sie 30 bis 35 Wochenenden pro Jahr auf | |
der Piste sind." | |
In Deutschland gibt es derzeit rund 300 Vereine mit 10.500 Mitgliedern. Was | |
die Mitgliederzahl angeht, stand der Minigolf-Verband 2009 zwischen dem | |
Rugby- und dem Tauziehverband. In der Minigolf-Bundesliga spielen in der | |
Saison 2010/2011 fünf Damen- und sechs Herrenmannschaften. Macht insgesamt | |
rund 60 Bundesliga-SpielerInnen. | |
In den Anfangstagen Ende der 1950er war "Hamburg der Nabel der | |
Miniaturgolfwelt", sagt Quitsch. "Von hier gingen die meisten Initiativen | |
für den Sportbetrieb aus." Wobei die Hamburger damals schlicht einen | |
finanziellen Anreiz hatten, aus dem Freizeitvergnügen Minigolf einen Sport | |
zu machen. "Die Betreiber der Anlagen wollten keine Vergnügungssteuer | |
zahlen", sagt Quitsch. Also musste Minigolf als Sport akzeptiert werden. Es | |
gab dazu eine Verhandlung vor dem Hamburger Verwaltungsgericht, die dazu | |
führte, dass Minigolf weiter als Glücksspiel eingestuft wurde - bis sich | |
die Hamburger SPD der Sache annahm und bewirkte, dass Minigolf in Hamburg | |
als Sport anerkannt wurde. | |
Heutzutage ist Minigolf anerkannt als nicht-olympische Sportart wie | |
Motorradrennen, Bogenschießen oder Faustball, hat aber das Problem, dass - | |
anders beispielsweise als bei Billard oder Dart - die Fernsehtauglichkeit | |
fehlt. Das bedeutet: Es gibt keine Fernsehgelder und damit kaum Sponsoren. | |
"Wir bräuchten ein TV-taugliches Spielsystem", sagt Quitsch. "Die Zuschauer | |
müssten sehen, was auf der Anlage passiert." Bislang aber hat nur Sat.1 | |
angebissen - und das Ganze als Comedy-Spaß mit Hella von Sinnen | |
abgefrühstückt. | |
Dass Sat.1 überhaupt auf die Idee einer Minigolf-Show kommt, ist nicht | |
verwunderlich: Minigolf mag als Sport Probleme haben, als Freizeitspaß aber | |
ist es trotz des 50er-Jahre-Kurgarten-Images sehr populär. 20 bis 24 | |
Millionen Tickets verkauften die Minigolfanlagen-Betreiber pro Jahr, sagt | |
Quitsch. "Aber davon haben wir als Sportler gar nichts." Denn bei Weitem | |
nicht jede Anlage gehört einem Verein. Und bei Weitem nicht jeder | |
Anlagenbetreiber hat Lust, sportliche Wettkämpfe zu veranstalten. Denn | |
dafür müssen die Bahnen als Wettkampfbahnen genormt und abgenommen werden - | |
und das kostet wieder Geld. | |
24 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Klaus Irler | |
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