# taz.de -- Fotoausstellung Stephen Shore: Der rote Bulli | |
> Sujets und Farbgebungen des US-Fotografen Stephen Shore haben die Bechers | |
> und ihre Düsseldorfer Schüler geprägt, wie eine Schau im NRW-Forum zeigt. | |
Bild: Der rote VW-Bus - aufgenommen, an einer Straßenkreuzung in Easton, Penns… | |
"Manchmal erscheinen Bücher, bei denen man sich wundert, dass es sie noch | |
nicht gibt." Mit diesen Worten beginnt Stefan Gronerts 2009 erschienener | |
Band "Die Düsseldorfer Photoschule". Darin wird erstmals das Phänomen der | |
Becherklasse an der Kunstakademie Düsseldorf ausführlich beleuchtet. Doch | |
so gut und nötig sein Buch auch war - auf die spektakuläre These, dass | |
ausgerechnet Stephen Shore der US-amerikanische Inspirator der Becherklasse | |
war, ging auch Gronert nicht ein; er erwähnte Shore lediglich, genau wie | |
Eugène Atget, Walker Evans und Ed Ruscha. | |
Dass Shores Einfluss ungleich größer war, will nun eine groß angelegte und | |
von Christoph Schaden ambitioniert kuratierte Ausstellung im NRW-Forum | |
beweisen. Ausgangspunkt ist eine Shore-Fotografie, die aus heutiger Sicht | |
fast sentimental auf Bernd und Hilla Becher verweist. Sie zeigt eine | |
Straßenkreuzung in Easton, Pennsylvania, aufgenommen am 20. Juni 1974 - es | |
war der erste Tag, an dem Shore mit einer 8 x 10-Inch-Großformatkamera | |
arbeitete. Die Kamera hatte er sich vom Kurator des Metropolitan Museum of | |
Art, Weston Naef, geliehen, der Shore drei Jahre zuvor eine | |
Einzelausstellung widmete. | |
Entscheidend ist allerdings: Am Straßenrand parkt ein roter VW-Bulli. Mit | |
einem solchen Vehikel waren die Bechers jahrzehntelang unterwegs, um ihre | |
nüchternen Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Fördertürmen, Hochöfen und | |
Getreidesilos zu machen. Vor diesem Hintergrund baut die Ausstellung und | |
auch der dazu erschienene, sehr umfangreiche Katalog auf. 142 Aufnahmen von | |
Shore werden 276 Fotografien von Bernd und Hilla Becher sowie 21 ihrer | |
ehemaligen Studenten wie Thomas Struth, Axel Hütte, Elger Esser, Candida | |
Höfer, Boris Becker und Thomas Ruff gegenübergestellt. | |
Landschaftszitate | |
Eine Verwandtschaft ist nicht von der Hand zu weisen. Manchmal ist die | |
Ähnlichkeit geradezu verblüffend - zum Beispiel in den frühen Arbeiten von | |
Andreas Gursky. "Gursky ist Shore eins zu eins", sagt der Sammler und | |
ehemalige Galerist Wilhelm Schürmann, der mit Shores Werk seit den 70er | |
Jahren vertraut ist und der den Bechers über seine damalige Galerie | |
Lichttropfen auch Farbaufnahmen Shores verkauft hat: Die isoliert | |
dastehenden Menschen in Shores "Yosemite National Park" findet man in | |
Gurskys Landschaften genauso wieder, aber auch urbane Szenen werden | |
zitiert. | |
Dies ist kein Zufall, wie Parallelen in den Biografien von Stephen Shore | |
und Bernd und Hilla Becher belegen. Im Januar 1975 etwa nahm Shore (als | |
einziger Farbfotograf) zusammen mit den Bechers (als einzige europäische | |
Fotografen) an der bedeutenden Ausstellung "New Topographics" teil. | |
Außerdem empfahl Bernd Becher, nachdem er 1976 die Professur an der | |
Kunstakademie Düsseldorf angetreten hatte, Shore für eine Einzelausstellung | |
in der dortigen Kunsthalle. | |
Durch diese enge Verbindung wurde Shore auch an der Kunstakademie | |
Düsseldorf regelmäßig rezipiert - natürlich auch, weil er das Bechersche | |
Fotografiekonzept um den Aspekt der Farbe erweiterte. "Da Bernd von Farbe | |
nichts verstand, musste er den Studenten sagen: Schaut euch Rembrandt an. | |
Schaut euch Rubens an. Und schaut euch Stephen Shore an", erinnert sich | |
seine Frau Hilla - schließlich war ihr Ehemann Schwarz-Weiß-Fotograf durch | |
und durch und verlangte dies anfangs auch von seinen Studenten. | |
1983 wurde für die Fotoklasse dann aber doch eine eigene | |
Farbentwicklungsmaschine angeschafft. Das war ein Jahr nach Erscheinen von | |
Stephen Shores Meilenstein "Uncommon Places" und zwei Jahre nach der | |
Ausstellung "The New Color Photography", kuratiert von Sally Eauclaire. Den | |
Katalog hat Gursky später einmal als "meine Bibel" bezeichnet. | |
Für einen so enormen Einfluss auf die vielleicht erfolgreichste deutsche | |
Kunstrichtung seit dem Bauhaus hat die Deutsche Gesellschaft für | |
Photografie (DGPh) den mittlerweile 62-jährigen Stephen Shore am Samstag | |
mit ihrem diesjährigen Kulturpreis gewürdigt. Gleichzeitig wirft die | |
Ausstellung aber auch unweigerlich eine neue Frage auf: Wie geht es weiter? | |
Die Antwort darauf wird bereits vorbereitet, denn Markus Schaden, Bruder | |
von Christoph Schaden und bekannter Fotobuchhändler und Verleger, hat vor | |
einem Jahr das Projekt "The La Brea Matrix" ins Leben gerufen. Dieses Mal | |
ist Stephen Shores Bild der Chevron-Tankstelle der Ausgangspunkt. Die sechs | |
deutschen Fotografen Jens Liebchen, Max Regenberg, Oliver Sieber, Olaf | |
Unverzart, Robert Voit und Janko Woltersmann erweisen Shore mit ihren | |
Arbeiten die Ehre und führen seine Tradition der New Color Photography ganz | |
bewusst bis in die Gegenwart fort. Das Projekt läuft noch bis 2012. | |
## "Der rote Bulli - Stephen Shore und die Neue Düsseldorfer Fotografie", | |
NRW-Forum, Düsseldorf, bis 16. Januar 2011, | |
27 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Damian Zimmermann | |
## TAGS | |
VW-Gesetz | |
Fotografie | |
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