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# taz.de -- Debatte Ost-West-Männer: Du machst Angst
> Gemischte Paare gelten weithin als wichtiges Indiz für Integration. Mein
> Weg zum Westmann hat etwas länger gedauert. Aber die Zeit arbeitet für
> mich.
Bild: Nicht alle sind erfreut darüber, dass die Mauer weg ist
Nach der Trennung von meinem Studienfreund, ein Jahr nach der
Wiedervereinigung, hatte ich nie wieder eine Beziehung mit einem Mann mit
DDR-Vergangenheit. Absicht war das nicht, eher Schicksal. Ein brotloser
Studienabschluss als Textilkünstlerin und das sinnlose Angebot des
Arbeitsamts, mich zur Agrartechnikerin umzuschulen, trieben mich Anfang
1991 in den Westen. Eine Freundin meiner Mutter bot mir ein zweites
Zuhause.
Arbeit war schnell gefunden und Gelegenheit machte Liebe. Um mich herum
waren nur Westmänner, also traf es einen von ihnen. Als echten Westmann
habe ich diesen jedoch gar nicht wahrgenommen, immerhin war seine Mutter in
der DDR aufgewachsen und erst in den 50er Jahren nach Westdeutschland
gelangt. In meinen Augen handelte es sich bei ihm bestenfalls um einen
Wossi.
Dein Schaden ist kleiner
Aber irgendwann entdeckte ich sie, die Unterschiede der Herkunft. Er
wünschte sich fünf Kinder und ich sollte zuhause bleiben, bis das jüngste
Kind sechs Jahr alt sei.
Ich hätte heute gern meinen Gesichtsausdruck von damals dabei gesehen, er
hatte bestimmt großen Unterhaltungswert. Aber an Kinder dachte ich noch
nicht so konkret und diese Vorstellung war so absurd, dass sie sich nicht
mal als Streitgrundlage eignete. Wir stritten uns ohnehin fast nie, aber
wenn, dann ging es fast immer um die DDR.
Für ihn war die DDR der reinste Stalinismus, jede Erwähnung positiver
Elemente ließ ihn vermuten, ich würde das Rad der Geschichte gern
zurückdrehen. Ein Grund für echte Krisen war das nie, unsere Beziehung
scheiterte nicht an der Sozialisation.
Meine nächste Eroberung aus dem Westen wurde tatsächlich Vater meines
Kindes. Ich hatte inzwischen mitbekommen, dass in Westdeutschland die
Vorstellung sehr verbreitet war, dass Mütter nach der Geburt erst einmal
ein paar Jahre zuhause bleiben.
Die Einstellung eines Mannes spielte daher für mich durchaus eine wichtige
Rolle bei der Partnerwahl. Aber dieser erschien vielversprechend untypisch
- großgezogen von einer überwiegend alleinerziehenden, stets arbeitenden
Mutter.
Dummerweise merkte ich erst nach der Geburt, dass es einen kleinen, aber
feinen Unterschied gibt zwischen großzügiger Toleranz gegenüber der
Erwerbsneigung einer Mutter und einer aktiven Unterstützung durch
gleichberechtigte Teilung von Familienarbeit.
Als ich vorschlug, den Erziehungsurlaub halbe-halbe zu nehmen,
argumentierte er kühl, dass ich zwar sicherlich einen Karriereschaden
erleiden würde, wenn ich länger ausstiege, aber seiner wäre natürlich viel
größer und deshalb käme das nicht in Frage. Ich saß eindeutig und
frustriert am kürzeren Hebel, wenn er jeden Montag in den Flieger stieg und
für eine Woche auf Dienstreise verschwand - jahrelang.
Ich will Selbstbewusstsein
Meine berufliche Entwicklung kam tatsächlich ins Stocken, Teilzeit ist
nicht gerade ein Karrieresprungbrett und eingeschränkte Mobilität auch
nicht. Mein noch in der DDR erworbenes Selbstverständnis kollidierte mit
der Tradition in Westdeutschland - nicht nur mit der Sozialisierung meines
Lebenspartners, sondern auch mit der meiner männlichen Chefs.
Von Dankbarkeit, überhaupt noch arbeiten zu dürfen, war die Rede und von
den schweren seelischen Schäden, die Kinder im Kindergarten erleiden und
von noch viel mehr. Meine Emanzipation dauerte eine Weile, beschleunigt
wurde sie durch den Umzug zurück nach Ostberlin, in eine Gegend, die keine
Rabenmütter kennt.
Nach dieser Trennung wünschte ich mir einen Ostmann, einen Mann, vor dem
man sich nicht rechtfertigen muss, wenn man Karriereambitionen hat, und
dessen Ego keinen Knacks erleidet, wenn man beruflich erfolgreich ist.
Mein ostdeutscher Traummann sollte "Gleichberechtigung" nicht nur
aussprechen können, ohne zwinkern zu müssen, sondern auch danach leben. Er
sollte das Kunststück fertigbringen, sowohl männlich, mutig und stark zu
sein als auch sensibel, aufmerksam und von hoher emotionaler Kompetenz.
Natürlich sollte er auch ein wunderbarer Gesprächspartner sein, humorvoll
und sozial engagiert. Ich wollte einen Mann auf Augenhöhe, der mich nicht
nur liebt, sondern auch respektiert und dessen Selbstbewusstsein von ganz
allein groß genug war, ohne ein Gefälle nach unten zu erfordern, wie man es
so oft bei Paaren sieht.
Männer heiraten gern Frauen, die jünger, weniger gebildet, beruflich
weniger weit gekommen sind und die auch in der Regel weniger verdienen. Das
Resultat meiner Suche nach dem "perfekten Mann" waren mehrere Jahre
Erfahrung als Alleinerziehende und eine weitere gescheiterte Beziehung.
Mein bester Freund, ein schwuler Kellner, wusste genau, warum: "Du machst
den Männern einfach Angst, du bist viel zu stark und zu erfolgreich für
einen normalen Mann, so eine wollen die nicht." Ich hatte keinen Zweifel
daran, dass wenn, dann nur ein Ostmann mit mir klarkäme.
Jeder Wessi musste mich für eine durchgeknallte Radikalfeministin halten,
für eine Rabenmutter, die überzogene Ansprüche hat, für eine Frau, die
einfach nicht weiß, wo ihr wahrer Platz ist.
Wessi, aber jung
Diesen höchst unwahrscheinlichen Traummann habe ich nicht nur gefunden,
sondern auch geheiratet, das Schicksal hat ihn mir in einem Berliner Imbiss
in den Weg gestellt. Nur meine Vorurteile musste ich danach revidieren.
Der Liebste kommt aus einer westdeutschen Kleinstadt. Irgendwann fiel mir
auch wieder ein, wie mein letzter Freund aus der DDR nach der Wende mit mir
nach Chile reiste, wohin wir auswandern wollten und wie heftig wir uns dort
stritten, weil er meinte, eine Waschmaschine würden wir die ersten Jahre
nicht anschaffen, ich könnte seine schmutzige Arbeitskleidung auch mit der
Hand waschen und mit seinen Reisesocken könnte ich schon mal anfangen.
Vielleicht liegen Unterschiede ja doch weniger am Geburtsort als an der
individuellen Persönlichkeit oder an der Generation. Mein Mann ist zehn
Jahre jünger als ich. Er meint, seine Kumpels wären alle so wie er.
Hausfrauen stehen bei ihnen nicht besonders hoch im Kurs. Heute will Mann
auf seine Frau stolz sein und ihr auf Augenhöhe begegnen.
1 Oct 2010
## AUTOREN
Anke Domscheit-Berg
## TAGS
Deniz Yücel
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