# taz.de -- Privatisierung: Blaues Wunder in Braunschweig | |
> Durch die Privatisierung ihrer Abwasserversorgung hat die Stadt auf | |
> fragwürdige Weise ihren Haushalt "saniert". Ein Film zum Thema hebt das | |
> neu ins Bewusstsein. | |
Bild: Gutes Geschäft: Schmutzwasse, hier in der Kläranlage Hannover-Herrenhau… | |
Braunschweig spielt eine Hauptrolle in einem Film, der dieser Tage in | |
verschiedenen norddeutschen Städten zu sehen ist: "Water makes money" | |
dokumentiert die Privatisierung der Wasserwirtschaft und deren Folgen. | |
Kritiker in Braunschweig werfen dem Oberbürgermeister Gert Hoffmann (CDU) | |
vor, öffentliches Eigentum verschleudert zu haben, um den Haushalt zu | |
sanieren. Dabei seien die Schulden nur in die Zukunft verschoben worden. | |
Die Klage einer Bürgerinitiative dagegen ist zurzeit beim | |
Oberverwaltungsgericht in Lüneburg anhängig. | |
Der Film blickt auf die Zeit um die Jahrtausendwende, in der Privatisierung | |
in Mode war. Noch heute versuchen sich Länder und Städte auf diese Weise | |
von finanziellen Lasten zu befreien, wie etwa Schleswig-Holstein im Falle | |
seines Universitätsklinikums. Die kritischen Stimmen sind allerdings lauter | |
geworden, weil sich die öffentliche Hand zwar kurzfristig entlastet aber | |
langfristig um Einnahmen und Handlungsmöglichkeiten bringt. Selbst der | |
Hamburger CDU leuchtete ein, dass der Verkauf faktischer Monopole keine | |
Effizienzgewinne erwarten lässt. Im Gegensatz zu Berlin behielt die Stadt | |
ihre Wasserbetriebe. | |
In Braunschweig gehört der Verkauf der Stadtentwässerung zu einer großen | |
Privatisierungswelle ab 2002, die der Stadt einen Schuldenabbau großen | |
Stils ermöglichte. Ob und wie viel die Stadt dabei gespart hat, ist | |
umstritten. Im Januar versuchte Hoffmann nachzuweisen, dass der Verkauf von | |
74,9 Prozent der Stadtwerke jährlich acht Millionen Euro einbringe. Die | |
Grünen, die sich selbst einmal für einen Teilverkauf von 25 Prozent | |
ausgesprochen hatten, bezweifeln das. Die von Hoffmann behauptete | |
Wirtschaftlichkeit des Verkaufs sei "politisch motiviert". | |
Peter Rosenbaum von der Bürgerinitiativenpartei BIBS sieht die Lage heute | |
trostlos: "Wir sind inzwischen eine der ärmsten Kommunen", behauptet er. | |
Das eingenommene Geld sei weg, während die Stadt an den fetten Einnahmen | |
des teilprivatisierten Versorgers BS Energy nur noch zu einem Viertel | |
profitiere. | |
Im Fall der Stadtentwässerung ärgert Rosenbaum, dass Hoffmann das Kanalnetz | |
verkauft habe, das eigentlich den Gebührenzahlern gehöre. Das Konstrukt ist | |
vertrackt: Die Stadt verkaufte den Betrieb Stadtentwässerung mit seinen | |
Mitarbeitern, seinem Knowhow und seinem beweglichen Kapital für 24 | |
Millionen Euro an den Konzern Veolia. Die Kanäle verkaufte sie an einen | |
eigens gegründeten Abwasserverband, der sie unentgeltlich Veolia zur | |
Verfügung stellt. Der 240-Millionen-Euro-Kredit, den der Abwasserverband | |
dafür aufnehmen musste, wird in den nächsten 30 Jahren mit den | |
Abwassergebühren zurückgezahlt. | |
Damit, sagt Rosenbaum, seien aber nur der laufende Betrieb der | |
Stadtentwässerung und die Instandhaltung der Rohre abgedeckt. Für | |
Investitionen ins Leitungsnetz müssten weitere Kredite aufgenommen werden, | |
für die die Gebührenzahler aufkommen müssten. Diese zahlten am Ende mehr, | |
weil in den bisherigen Abwassergebühren Investitionen enthalten gewesen | |
seien. | |
Die Stadtverwaltung sah sich am Donnerstag Nachmittag nicht in der Lage, | |
das zu kommentieren. | |
7 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Gernot Knödler | |
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