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# taz.de -- Ökobauern stoppen Spekulation in der Schorfheide: Bio, so weit das…
> In der Schorfheide haben Ökobauern einen eigenen Bodenfonds initiiert, um
> ihr Land vor Spekulanten zu schützen. Der sichert das größte
> zusammenhängende Bioanbaugebiet Europas.
Bild: Frisch aus der Schorfheide: Gemüse aus dem Ökodorf Brodowin
Das Führerhaus eines Mähdreschers ist ein idealer Aussichtspunkt. Weit
öffnet sich die Landschaft, Felder ziehen sich über Bodenwellen, Wälder
begrenzen den Horizont. Es ist still. Stefan Palme aber hat gerade keinen
Blick für die Schönheit der Schorfheide. Sein Mähdrescher hat den Geist
aufgegeben, das Display im Führerhaus zeigt eine Fehlermeldung nach der
anderen. Dabei müsste der Landwirt dringend den Körnerfenchel ernten. Der
Fenchel ist vom Pilz befallen, ein Großteil der Ernte ist ohnehin
ausgefallen. Den Rest wollte Palme eigentlich bis zum Nachmittag ernten.
Und nun das. "Die gesamte Elektronik ist ausgefallen", schimpft er leise
vor sich hin.
Für Palme ist das Biosphärenreservat Schorfheide Kapital und Lebensinhalt.
1.100 Hektar - eine Fläche dreimal so groß wie der Tempelhofer Park -
bewirtschaftet der Biobauer rund um sein Gut Wilmersdorf nördlich von
Angermünde. Er baut Weizen, Dinkel und Gerste speziell für Babykost an. Den
Hof hat er 1996 gekauft, das Land vom Bund gepachtet. Damals zahlte Stefan
Palme 200 Mark pro Hektar und Jahr. 40 Prozent der Flächen hat er
inzwischen erworben. Für die restlichen Hektar zahlt er nun je 240 Euro:
eine Steigerung von 140 Prozent.
Die Bodenpreise in der Schorfheide sind in den vergangenen Jahren drastisch
gestiegen. Längst interessieren sich nicht mehr nur Menschen dafür, die
Land selbst beackern wollen: Investoren vor allem in der Biogas-Branche
sind auf die Gegend aufmerksam geworden. Schon sind Fälle bekannt, in denen
Landwirte Flächen an Unternehmer verloren haben.
In vier Jahren laufen für Stefan Palme die Verträge mit der bundeseigenen
Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft (BVVG) aus; Palme hätte dann
zwar das Recht, einen Teil der Grundstücke direkt zu kaufen und bei
Ausschreibungen mitzubieten - er hat aber nicht das Geld dafür. Der
46-Jährige und seine Frau würden entweder in den finanziellen Ruin
getrieben oder so viel Land verlieren, dass sie kaum noch wirtschaftlich
arbeiten können.
Andere Ökolandwirte in der Gegend sind in der gleichen Lage. Sie haben sich
zu zwölft zusammen geschlossen und aus ihrer Empörung heraus beschlossen zu
handeln: Private Geldgeber sollten das Land kaufen. Auf der Suche nach
einem Modell stießen die Uckermärker auf die GLS Bank, die sich auf
alternative Anlagen spezialisiert hat; ihre Kunden sind weniger an der
Rendite als an ethischen Zielen interessiert. Die Bank beschloss, einen
Bio-Bodenfonds einzurichten. Der kaufte das Land von der BVVG, die im
Auftrag des Bundes ehemaliges DDR-Land privatisiert. Das Vorhaben schlug
ein: "Der Fonds war schnell überzeichnet", sagt Uwe Greff, der den Fonds
für die Bank aufgelegt hat. "Wir könnten mehr Genussscheine ausgeben, wenn
wir mehr Flächen hätten." Die Bauern wiederum schlossen einen Pachtvertrag
mit dem Fonds mit der Verpflichtung, mindestens 18 Jahre ökologisch zu
wirtschaften. Wer sich nicht daran hält, fliegt aus dem Vertrag.
Es sei darum gegangen, durch den Fonds Kernflächen zu sichern, sagt Greff.
Derzeit sind das insgesamt 12.000 Hektar Anbaufläche, nach Angaben der
Initiatoren das größte zusammenhängende Bioanbaugebiet Europas. Ganz ohne
öffentliche Mittel.
Für die BVVG indes war es keine wohltätige Aktion, sondern ein lukratives
Geschäft: Sie wurde auf diesem Weg auch 1.100 Hektar Naturschutzgebiet los,
die sonst kostenlos an einen Naturschutzverband hätten abgegeben werden
müssen - so bekam sie Geld für die Flächen.
An das Gut Wilmersdorf hat der Fonds 240 Hektar verpachtet. Zusätzlich
konnte der BVVG abgerungen werden, die restlichen verpachteten 160 Hektar
2014 mit ökologischen Bedingungen auszuschreiben. Für Palme und seine Frau
bedeutet das ein Stück Sicherheit. Die Landwirtschaft ist kein beständiges
Geschäft, die Ökolandwirtschaft schon gar nicht. Die Preise schwanken
stark, dazu kommen die Abhängigkeit vom Wetter und die wechselhafte
Nachfrage.
Auf dem Gut Wilmersdorf arbeiten acht Menschen. Palme investierte Jahre und
viel Geld in Abriss und Sanierung des mehrseitigen Gehöfts, schließlich
renovierte er das denkmalgeschützte Gutshaus an der Hauptstraße des
250-Einwohner-Dorfes. Der studierte Landwirt setzte von Beginn an auf
Ökolandbau. Seine Frau Tina Boeckmann, promovierte Landwirtin und
Regionalsoziologin, hat sich auf Heil- und Kräuterpflanzen wie den
Körnerfenchel spezialisiert.
"Ich bin eigentlich nicht so ein Heimat-Typ", sagt Palme. Er schaut jetzt
doch auf die weite Landschaft vor ihm. Aber in den vergangenen Jahren sei
ein gewisses Zuhause-Gefühl entstanden, erzählt er, während er auf den
Mechaniker wartet. Der Experte ist seine letzte Hoffnung, das tonnenschwere
Gerät doch noch zum Laufen zu bringen. Stefan Palme, ein kantiger,
kräftiger Mann, kommt aus Schongau im Bayerischen, seine Frau aus dem
Rheinland. Er wollte eigentlich nie Landwirt werden, eher in der Forschung
bleiben. Dann fiel die Mauer, und Palmes Neugier war geweckt. In der
Uckermark blieb er hängen. Palme kommt mit den Leuten im Dorf gut zurecht:
"Sie tragen nicht so dick auf, helfen sich, halten zusammen."
Der Bio-Bodenfonds schließlich habe die Ökolandwirte in der Gegend
richtiggehend zusammengeschweißt. Eine Lehrschäferei ist dabei,
Anbaubetriebe, eine Rinderzucht. Die Menschen im Dorf, anfangs eher
kritisch gegenüber der Biolandwirtschaft, stünden ebenfalls dahinter. "Die
sind auch froh, dass es nicht so stinkt und weniger Mais rumsteht", sagt
Palme.
Überhaupt, der Mais. Er ist eines der Anzeichen für die
Landschaftsentwicklung - beliebteste Pflanze für die Biogas-Erzeugung,
unkompliziert und billig. In der Schorfheide entdeckten Investoren vor etwa
vier Jahren, dass sie hervorragend Energie produzieren und sich mit dem
Beiwort Bio schmücken könnten. Für eine Gasanlage von etwa 500 Megawatt
Leistung braucht man an die 400 Hektar Fläche; in der westlichen Uckermark
gibt es auch Anlagen mit mehreren tausend Hektar, auf denen Mais angebaut
wird. Palme sieht solche Betriebe kritisch: "Es ist nicht gut für den
Boden, weil das optimale aus ihm rausgeholt wird, es gibt wenig
Artenvielfalt." Die Monokultur laugt den Boden aus. Darüber hinaus wirken
auch in Brandenburg die globalen Preistreiber für Boden: mehr Menschen,
mehr Hunger, mehr Energiebedarf. Dünn besiedelte Gegenden wie die Uckermark
sind prädestiniert für Spekulanten.
Genau diesen spekulativen Umgang mit Grund und Boden halte er für eine
Fehlentwicklung, bekräftigt Uwe Greff von der GLS Bank. Er sieht den
Bio-Bodenfonds als Modell für ganz Deutschland. Schon schaut er sich nach
Flächen um, die ebenfalls in Frage kommen. Bedingung sei allerdings, dass
sich ein Landwirt konkret für ökologischen Anbau dort interessiere. Wenn
sich ganze Cluster wie in der Schorfheide ergeben - umso besser: Den
Biobauern erleichtert das die Bewirtschaftung, weil nicht mehr die Gefahr
droht, dass Pflanzenschutzmittel von konventionell bewirtschafteten Feldern
herüberwehen. Und für die steigende Zahl an Rad- und Wandertouristen ist
eine kleinteilige Landschaftsstruktur allemal attraktiver als öde
Mais-Weiten: ein Idyll eben, jetzt mit gesicherter Zukunft.
12 Oct 2010
## AUTOREN
Kristina Pezzei
## TAGS
Biogas
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