# taz.de -- Rhythmisches Klatschen: Zwei Hände, eine Erfahrung | |
> Das Klatschen war immer da in der populären Musik - vom echten Handclap | |
> bis zum synthetischen Knallklatscher. Derzeit erlebt dieses Urgeräusch | |
> ein großes Revival. | |
Bild: Eine der ältesten Kulturleistungen des Menschen: klatschen. | |
Klatschen ist eine simple Klanggeste mit universeller Bedeutung und | |
historischem Nachhall. Vom Ausdruck spiritueller Riten bis zum artigen | |
Applaus, als frenetische Anfeuerung beim Sport oder Rhythmus in der Musik - | |
Klatschen dürfte neben der Stimme eine der ältesten Kulturleistungen des | |
Menschen sein. | |
Auch in der populären Musik war und ist das Klatschen immer da: als | |
Beatverstärker, Taktgeber, perkussives Soundschnipsel oder Ausdruck | |
spontaner Spielfreude, quer durch die Genres und Jahrzehnte, mal prominent, | |
mal eher versteckt. Die Bandbreite reicht vom echten organischen Handclap | |
in Gospel, Blues und Rock n Roll über Funk und Soul bis hin zur | |
Audiokulisse scharf geschnittener Knallklatscher in modernen HipHop- und | |
Technoproduktionen. | |
Auf einer aktuellen Vinyl-Maxi des Berliner House-Labels Innervisions etwa | |
unterlegt der Zürcher Produzent Kalabrese den Ethno-Beat der | |
französisch-nordafrikanischen Band Madioko N Rafika mit dem groovenden | |
Klang der zwei Hände. Klatschen als weltumspannender Sound, längst nicht | |
mehr nur in Gospelchor und Rock-n-Roll-Diner, schon lange auch im | |
Techno-Club. | |
Bereits seit Anfang der 2000er Jahre kann man von einem veritablen | |
Klatschrevival in der Popmusik sprechen. Nicht nur im Dance-Korsett von | |
Post-Disco-Acts wie Metro Area, auch in den Charts wurde der Clapper zum | |
signifikanten Sound. HipHop- und R&B-Musiker wie Missy Elliott, Timbaland | |
und The Neptunes ließen es kräftig klatschen, selten handgemacht, meistens | |
synthetisch. Der New Yorker Rapper Busta Rhymes inszenierte für sein Video | |
"Make it clap" gleich einen ganzen Gottesdienst, und erinnerte somit an | |
alte Klatschtraditionen der Gospelchöre. | |
"Handclaps klingen so sehr nach Menschen, wie Technik nur klingen kann. Das | |
heißt im Umkehrschluss, wir stecken mitten in einer Wiedererstarkung des | |
Humanen. Versucht das Menschliche sich in unsere schal gewordenen | |
Maschinenträume zurückzuschleichen? Beklatschen wir mit den Claps unsere | |
eigene Unperfektheit als den perfekten Zustand?", spekulierte Sven von | |
Thülen, Redakteur bei De:Bug, dem wichtigsten deutschsprachigen Magazin für | |
elektronische Musik. "Um solch einen Revanchismus der menschelnden | |
Sentimentalisten zu verhindern, üben wir schon mal, perfekter zu klatschen | |
als jede Maschine", unkte von Thülen schließlich über den vermeintlichen | |
Versuch, eine menschliche Note in eine künstlicher werdende Musik | |
zurückzubringen. | |
Die Zeiten sind in der Tat vorbei, als die US-Funkband The Meters in ihrem | |
"Handclapping Song", Iggy Pops frühere Protopunk-Band The Stooges oder der | |
West-Coast-Psychedeliker David Crosby echte Klatscher in ihre Stücke | |
einbauten. Clapper werden heute zumindest in der elektronischen Musik aus | |
Soundbibliotheken generiert und, wie zum Beispiel beim Berliner House-Duo | |
Tiefschwarz, so lange mit Effekten versehen, bis sie in die entsprechende | |
Klangästhetik des Tracks passen. | |
Auch in Rock, Pop, Folk und sporadisch selbst im Jazz finden sich seit je | |
hunderte Songs mit dem Klang der zwei Hände. Mit völlig unterschiedlicher | |
Wirkung. Bei den Stooges betont das Klatschen die harte Rhythmik der | |
Gitarren-Riffs, bei den Pop-Poeten Jonathan Richman oder Stephen Duffy eher | |
eine gewisse Lässigkeit. In einem Stück des schwedischen Singer-Songwriters | |
José Gonzáles steht das allgemein mit Lebendigkeit und Flamenco-Feurigkeit | |
assoziierte Klatschen als scharfer Kontrast zu dessen extrem | |
melancholischer Grundhaltung. Bei Foyer des Arts, der früheren | |
Avantgarde-Pop-Band des Schriftstellers Max Goldt, werden auf dem Album | |
"Von Bullerbü nach Babylon" die klatschenden Personen sogar in der | |
Besetzungsliste erwähnt. | |
Queens Klatsch-Hmyne "We will rock you" wurde zum Klassiker der Rockmusik. | |
Der Jazz-Exzentriker Charles Mingus baute sporadisch Clapper in seine | |
Kompositionen ein. Der "Hand Clapping Song" der Meters aus New Orleans | |
gehört zum festen Live-Repertoire bekannter HipHop-Künstler und Funk-Bands. | |
Die Roots coverten ihn, die Black Eyed Peas und auch die Red Hot Chilli | |
Peppers. | |
Bei Tom Waits wird das Klatschen zum reinen Imperativ, "Clap hands" heißt | |
sein dunkler perkussiver Blues mit der beschwörend-repetetiv gekrächzten | |
Titelzeile. Nicht ein einziger Handclap ist zu hören. Ganz im Gegensatz zum | |
US-amerikanischen Minimal-Musiker Steve Reich, der sein Werk "Clapping | |
Music" ausschließlich für zwei klatschende Personen komponiert hat und mit | |
diesem simplen Konzept ein komplexes und trotzdem mitreißendes Stück Musik | |
produziert hat. | |
"Über das Klatschen wird in der Musik eine Brücke zum Zuhörer gebaut, es | |
ist ein menschliches Geräusch. Man holt den Hörer herein in das Stück, es | |
gibt einen Bezug zum eigenen Körper", meint der Kulturwissenschaftler und | |
Poptheoretiker Jochen Bonz über die ungebrochene Faszination des | |
Urgeräusches Klatschen. Rhythmus sieht Bonz "als grundlegende, | |
überindividuelle menschliche Erfahrung". | |
Wenn das Publikum bei Konzerten mitklatscht, "geht es um ein gemeinsames | |
Dasein in der Situation. Man ist mit den eigenen Händen dabei, man fühlt | |
sich extrem beteiligt." Nicht umsonst dürfte der amerikanische Folk-Beatnik | |
Beck seinen spartanischen Funk-Song "Clap Hands" bei Konzerten regelmäßig | |
gleich zwei Mal darbieten. Und wie heißt es dort so schön: "I'll clap my | |
hands along, and rattle on like a vagabond." | |
15 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
York Schaefer | |
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Musik | |
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