| # taz.de -- Fifa-Korruptionsskandal: In den Klauen der Funktionäre | |
| > Die aktuellen Bestechungsfälle von mehreren Fifa-Exekutivmitgliedern | |
| > zeigen auf, dass der Fußballweltverband ein strukturelles Problem hat. | |
| Bild: Machtlos? Fifa-Präsident Blatter Joseph Blatter. | |
| Die Fifa wird gern als Weltregierung des Fußballs bezeichnet. Das kann sich | |
| nur eine Werbeagentur ausgedacht haben, die vom Fußballweltverband bezahlt | |
| worden ist. Denn wäre die Fifa eine Regierung, dann müsste sie abgewählt | |
| werden können. Alle vier Jahre müssten sich ihre Minister respektive | |
| Funktionäre dem Votum des Volkes stellen. In einer Legislaturperiode müsste | |
| die Weltregierung des Fußballs Rechenschaft ablegen. Sie müsste einen | |
| parlamentarischen Diskurs pflegen und Einsicht in Akten gewähren, zumindest | |
| teilweise. | |
| Die Fifa, wäre sie eine Regierungspartei, würde in ihrer derzeitigen | |
| Verfassung eine krachende Wahlniederlage kassieren. Korrupt, | |
| geheimniskrämerisch, selbstherrlich - so lautete das Urteil. Das Gleichnis | |
| von der Weltregierung des Sports ist freilich absoluter Humbug, weil sich | |
| der Politikbetrieb, wie er in westeuropäischen Ländern idealerweise | |
| gepflegt wird, oft so sehr von der höheren Sportpolitik unterscheidet wie | |
| die Rhythmische Sportgymnastik vom Ultimate Fighting. Kurz gesagt: Die Fifa | |
| ist alles andere als ein demokratischer Verein. | |
| Sie ist allein sich und dem Wohlbefinden ihrer Funktionäre verpflichtet. | |
| Mittel zum Zweck ist der Fußball, das heißt: das Fußballgeschäft. Auf | |
| diesem Markt ist die Fifa, was die Ausrichtung von Weltmeisterschaften | |
| angeht, Monopolist. Ohne Kontrolle und ohne Konkurrenz lässt sich gut | |
| werkeln - wenn da nicht ein paar hartnäckige Journalisten wären, welche die | |
| Fifa, diese quasi auf exterritorialem Gebiet florierende | |
| Bakschisch-Republik, nicht gut finden und den von ihrer eigenen Bedeutung | |
| besoffenen Bossen zu Leibe rücken. Der Maßstab der Medien sind | |
| demokratische Prinzipien und Rechtsnormen. Wer diese Elle an die Fifa | |
| anlegt, findet immer wieder Dinge, die nicht dem rechten Maß entsprechen. | |
| Alles dreht sich im Grunde um eine einzige Formel: Korruption, also um den | |
| Missbrauch von anvertrauter Macht zu privatem Vorteil. Darum geht es auch | |
| im aktuellen Fifa-Skandal. Reporter der englischen Zeitung Sunday Times | |
| haben - verdeckt - die Mitglieder der Fifa-Exekutive Amos Adamu aus Nigeria | |
| und Reynald Temarii aus Tahiti bestochen. Sie kauften deren Stimmen bei der | |
| Vergabe der Fußball-WM 2018 und 2022. Am 2. Dezember wird in Zürich bekannt | |
| gegeben, wer Ausrichter der Championate sein wird. Und siehe da: Adamu und | |
| Temarii signalisierten nicht nur Interesse, sie sagten ohne größere | |
| Umschweife zu. Ganz selbstverständlich. Die Fifa versucht nun hektisch, das | |
| Vergehen der beiden Herren als Ausnahme von der Regel darzustellen. Die | |
| Fifa-Ethikkommission hat Temarii und Adamu suspendiert. Was nach einem | |
| achtkantigen Rausschmiss aussieht, ist jedoch eine in der Milde hanebüchene | |
| Strafe. Nach 30 Tagen kehren die Delinquenten zurück. Dann wird | |
| entschieden, ob sie noch für weitere 20 Tage in die Ecke für böse Jungs | |
| müssen. In der Fifa-Familie wird keiner so schnell fallen gelassen. Wäre ja | |
| auch noch schöner, haben Amadu und Temarii doch nur nach Fifa-Maxime | |
| gehandelt: "Eine Hand wäscht die andere. Gibst du mir Geld, deklariert als | |
| Fußballentwicklungshilfe, geb ich dir meine Stimme!" | |
| Wer immer noch daran glaubt, die Fifa sei ein Verein, der nur der | |
| Philanthropie sowie der Verbreitung des schönen Spiels Fußball fröne, der | |
| sei an einen der größten Skandale in der Sportgeschichte erinnert: an die | |
| ISMM/ISL-Causa. Die persönliche Bereicherung von Sportfunktionären klappte | |
| wie geschmiert: Man gründete eine Vermarktungsagenur, eben jene ISL. Die | |
| verkaufte die Rechte an den Weltmeisterschaften. Das spülte viel Geld in | |
| die Kassen. Manches davon landete in den Taschen von Fifa-Funktionären, | |
| mindestens 138 Millionen Schweizer Franken, die zwischen 1989 und 2001 | |
| gezahlt wurden. Insider sprechen von bis zu einer Milliarde. ISL zahlte die | |
| "Provisionen" an zwei Stiftungen, eine in Liechtenstein, eine auf den | |
| Jungferninseln. Von dort aus ging das Geld an eine Firma namens Sicuretta | |
| Invest Establishment. Der Anwalt Guido M. Renggli reichte dann Barbeträge | |
| an Sportfunktionäre weiter. | |
| "Diese Praxis war unerlässlich, sie war branchenüblich, sie gehörte zum | |
| Stil des Geschäfts", sagte ein ISL-Manager im Zuge der Aufarbeitung des | |
| Skandals. Ein anderer sagte über die Praxis der Schmiergeldzahlungen: "Das | |
| war, als wenn man Lohn bezahlen muss. Sonst wird nicht mehr gearbeitet. | |
| Ansonsten wären diese Verträge von der anderen Seite nicht unterschrieben | |
| worden." Und weiter: "Diese Zahlungen sind betriebswirtschaftlich | |
| notwendig, sind echte Aufwandspositionen. Nur die andere Seite möchte nicht | |
| genannt werden, das ist das Sensitive." | |
| Temarii wollte für seine Stimme 3 Millionen neuseeländische Dollar (1,7 | |
| Millionen Euro) haben. Angeblich sollte damit eine Fußballakademie in | |
| Auckland finanziert werden. Adamu wurde dabei gefilmt, wie er umgerechnet | |
| 580.000 Euro für den Bau von Fußballplätzen forderte. Das Geld sollte | |
| direkt an ihn gehen. Sepp Blatter, der Pate des Fußballs, weinte am | |
| Mittwochabend ein paar Krokodilstränen. "Es ist ein trauriger Tag für den | |
| Fußball", säuselte der Schweizer in Zürich. | |
| Richtigerweise hätte Sepp Blatter sagen müssen: Es ist ein trauriger Tag | |
| für die Fifa. Sie ist denkbar ungeeignet, die Welt zu regieren. | |
| 21 Oct 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Markus Völker | |
| ## TAGS | |
| Fifa-Präsident | |
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