# taz.de -- Kommentar Kandidatur in Berlin: Künasts gefährlichster Gegner ist… | |
> Gewinnt Renate Künast die Berlin-Wahl und boomen die Grünen so weiter, | |
> glaubt niemand, dass sie fünf Jahre Bürgermeisterin bleibt: Zwei Jahre | |
> später könnten Bundesregierung-Ämter locken. | |
Bild: Die nun ganz offiziell Nominierte im Kreise ihrer Partei. | |
Renate Künast lässt sich herab, Spitzenkandidatin der laut Umfragen | |
stärksten Partei in Berlin zu werden. Vor einem Jahr wäre das ein echtes | |
Risiko gewesen. Heute wirkt ihre Kandidatur fast wie ein Selbstläufer. | |
Der Boom der Grünen in Berlin hat viele Väter. Und Mütter. Die erste ist | |
die Bundesregierung, deren enttäuschte Wähler auch in der Hauptstadt nach | |
neuen Optionen suchen. Die CDU liegt laut Umfragen in Berlin bei | |
lächerlichen 16 Prozent. Die FDP würde derzeit an der 5-Prozent-Hürde | |
hängen bleiben. | |
Das beschert Künast überraschende Schützenhilfe. Die konservativen | |
Springer-Medien behandeln sie mit auffälliger Sympathie. Dabei waren die | |
Grünen einst das Schreckgespenst von Bild und Co. Doch die alten Fronten | |
sind aufgeweicht. Und Grün-Schwarz ist in Berlin der letzte | |
Hoffnungsschimmer für Konservative, in absehbarer Zeit einen Zipfel der | |
Macht zu erhaschen. | |
Und da ist schließlich der rot-rote Senat. Der betreibt seit fast zehn | |
Jahren eine solide Politik. In der strukturell links geprägten Stadt könnte | |
er normalerweise endlos weitermachen. Zumal der Regierende Bürgermeister | |
Klaus Wowereit, der lange lustlos wirkte, dank seiner Sparringspartnerin | |
Renate Künast zu alter Meckerform aufgelaufen ist. Dummerweise kann Rot-Rot | |
angesichts leerer Kassen nichts so stemmen, dass es die linken Wähler | |
emotional bindet. Es herrscht gepflegte Langeweile. Der beste Nährboden für | |
eine Wechselstimmung. | |
Es geht nicht darum, dass jemand alles anders macht. Sondern dass es mal | |
jemand anderes macht. Da ist Renate Künast die perfekte Kandidatin. Die hat | |
zwar noch kein erkennbares Programm für die Stadt, aber das ist | |
zweitrangig. Da der Wähler weder viel ändern kann noch will, bleibt ihm die | |
Lust, die Regierung zu stürzen. Und durch etwas Neues, noch nie Dagewesenes | |
zu ersetzen: eine grüne Regierende Bürgermeisterin. Das füllt zwar nicht | |
die leeren Kassen, aber es ist sexy, dabei gewesen zu sein. | |
Eigentlich hat Künast nur ein Problem: ihren Erfolg. Boomen die Grünen so | |
weiter, glaubt niemand, dass sie tatsächlich fünf volle Jahre als | |
Regierende zur Verfügung steht. Schon zwei Jahre später wird der Bundestag | |
neu gewählt. Dann locken Ämter in einer Bundesregierung, gegen die der | |
Chefsessel im Roten Rathaus nicht ankommt. Da wählt der Berliner dann wohl | |
doch lieber gleich jemanden, von dem er denkt, dass er bleibt. | |
21 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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