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# taz.de -- Medizinprüfer über Pharmalobby: "Scheibchen machen aus dem Brot"
> Medikamente gegen seltene Krankheiten sollen ohne Prüfung zugelassen
> werden. Dann werden Ärzte bald aus normalen Krankheiten seltene machen,
> fürchtet Medizinprüfer Windeler.
Bild: Für eine Hand voll Pillen: Medikamente.
taz: Herr Windeler, die Koalition will Medikamente zur Behandlung seltener
Krankheiten von der Nutzenbewertung durch Ihr Institut befreien. Den
"orphan drugs", also Waisenmedikamenten, soll ein therapeutischer
Zusatznutzen und damit ein höherer Preis zugesprochen werden. Ist das
sinnvoll?
Jürgen Windeler: Das Ziel der Regierung bisher war, Geld zu sparen mit
Preisverhandlungen auf der Basis von Nutzenbewertungen. Wenn man jetzt die
Anforderungen verwässert, mit der Konsequenz, dass mehr Medikamenten ein
Zusatznutzen zugesprochen wird, dann ist dieses Einsparziel wohl kaum zu
erreichen.
Es heißt, für Patienten mit seltenen Krankheiten gäbe es nur wenige
Medikamente, die sich lohnten in der Erforschung. Deswegen sollten diese
Mittel nicht noch zusätzliche Hürden wie Nutzenbewertungen nehmen müssen.
Diese Logik verkennt, dass Menschen mit seltenen Erkrankungen die gleichen
Rechte in der Qualität der Arzneimittelversorgung haben. Ohne Prüfung ist
nicht klar, ob der patientenrelevante Nutzen größer ist als der denkbare
Schäden.
Lässt die Regierung der Pharmaindustrie freie Hand?
Eine Regelung, die den "orphan drugs" einen noch größeren Sonderstatus
zuspricht, passt gut in die momentanen Marketingstrategien der
Pharmaindustrie.
Inwiefern?
Man kann Erkrankungen nach Risikogruppen oder Stadien unterteilen und aus
jedem Teil eine eigene Erkrankung machen. Slicing ist der Modebegriff
dafür: Scheibchen machen aus dem großen Brot.
Um wie viele Medikamente geht es?
Derzeit niedrige zweistellige Zahlen pro Jahr. Überall dort aber, wo man
Anreize schafft, werden sie genutzt.
Wenn ein Medikament automatisch einen Zusatznutzen bekommt, dann können die
Hersteller höhere Preise verlangen.
Mich treibt vor allem um, dass die betroffenen Menschen mit den wirklich
seltenen Krankheiten erneut die Verlierer sein werden. Niemand wird sich
mehr für sie interessieren, weil plötzlich alles selten ist.
27 Oct 2010
## AUTOREN
Heike Haarhoff
Heike Haarhoff
## TAGS
Ethikrat
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