# taz.de -- Militär: Faustische Wissenschaft | |
> An der Uni Bremen steht die einst klare Ablehnung von Rüstungsforschung | |
> zur Disposition - auch weil es schwer geworden ist, eindeutig zu sagen, | |
> was das genau ist. | |
Bild: OHB-Satelliten: Die Grenze zwischen zivil und militärisch ist schwer zu … | |
Es ist die Frage von "gut" und "böse", die das höchste Gremium der Uni | |
Bremen da momentan diskutiert. Einst war die Antwort jener Beschluss von | |
1986: Er lehnte "jede Beteiligung" ihrer Wissenschaft an Rüstungsforschung | |
strikt ab. Inzwischen tut man sich nicht mehr so leicht wie zu Zeiten des | |
Kalten Krieges. Ein Antrag der Studierenden, die Selbstverpflichtung zu | |
erneuern, wurde am Mittwoch vom Akademischen Senat abgelehnt. Man will, | |
auch das wurde beschlossen, weiter diskutieren. | |
Die Bremer Zivilklausel sei "eine Art Alibi", sagt Götz Neuneck, Physiker | |
und Vize-Direktor am Hamburger Institut für Friedensforschung und | |
Sicherheitspolitik. Was nicht heißt, das er sie ablehnt. Neuneck war | |
eingeladen, dem Uni-Parlament die Frage zu beantworten: "Wie dünn ist die | |
Unterscheidung zwischen zivilem Nutzen und militärischer Verwendung?". | |
Anlass der Debatte ist die Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Uni Bremen | |
an das Ehepaar Fuchs im vergangenen Jahr. Sie ist Gründerin, er Vorstand | |
des bremischen Satellitenbauers OHB. Es ist eine von vielen Firmen der | |
Luft- und Raumfahrt im Norden, mehr als 12.000 Menschen beschäftigt die | |
Branche in Bremen und umzu. Geehrt wurden Fuchsens für eine "Vielzahl von | |
Forschungskooperationen". OHB baut unter anderem das Aufklärungs- und | |
Spionagesystem SAR-Lupe oder die Satellitennavigation Galileo, die | |
europäische Alternative zu GPS. | |
Aus Neunecks Sicht ist fast jede Forschung, die sich mit Hochenergie-Lasern | |
oder Atomenergie, mit Raketen und Satelliten, mit Raumfahrt oder | |
Fernerkundung befasst "hoch ambivalent". Kommunikationssatelliten dienten | |
dem Fernsehen - und den Streitkräften, Erdüberwachung dem | |
Katastrophenschutz - und der Spionage, Navis dem Autofahrer - und der | |
Cruise Missile. Gerade in der zivilen Informations- und Computertechnologie | |
fänden sich viele potenziell militärisch nutzbare Anwendungen. Wobei es | |
auch Rüstungsforschung gibt, die Neuneck selbst für "nötig und legitim" | |
hält - wenn sie der Bundeswehr dient. | |
Er plädiert für Transparenz der Forschung und setzt auf die | |
Eigenverantwortung der WissenschaftlerInnen: "Man kann sich verweigern als | |
Wissenschaftler", so Neuneck, und "man kann Forschungsgelder ablehnen". | |
Einen "Elfenbeinturm" gebe es nicht mehr. "Das ist eine Illusion." | |
Und während der Allgemeine Studierendenausschuss (Asta) der Uni vorhält, | |
nicht mehr auf Rüstungsforschung verzichten zu wollen, spricht Uni-Rektor | |
Wilfried Müller vor allem von der "außerordentlichen Schwierigkeit", | |
überhaupt zu erkennen, wann Forschung auch militärisch von Nutzen sein | |
könne. Vor schnellen Entscheidungen müsse man sich daher hüten. | |
Auch manche von denen, die, wie Informatik-Professor Hans-Georg Kreowski, | |
"große Anhänger" der Zivilklausel sind, wollen sie nicht einfach nur | |
fortschreiben. Man müsse nach der "aktuellen Bedeutung" fragen - und | |
zugleich "faire Bedingungen" in der Drittmittelvergabe einfordern. | |
Schließlich kennt nicht nur die Deutsche Forschungsgemeinschaft keine | |
Zivilklausel. | |
27 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Jan Zier | |
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