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# taz.de -- Frauenrechte am Beispiel Uganda: "Vergewaltigung zerstört Menschen"
> Die ugandische Juristin Jane Adong Anywar hat eine Initiative gegründet
> um Opfern von Vergewaltigung zu helfen. Diese würden durch die
> UN-Resolution 1325 nicht ausreichend geschützt.
Bild: Werden häufig wie niedere Wesen behandelt: Frauen in Ländern wie dem Su…
taz: Frau Adong Anywar, die "Fraueninititiave für
Geschlechtergerechtigkeit" ist in Uganda entstanden. Dort haben die
LRA-Rebellen systematisch Frauen und Mädchen entführt. Warum sind Frauen
ihre ersten Opfer?
Jane Adong Anywar: Die LRA hat von Beginn an Frauen und junge Mädchen
verschleppt. Der Grund ist der, dass in der Kultur der Acholi, also des
Stammes, aus dem sich die Rebellenarmee zusammensetzt, die Männer von
Frauen versorgt werden. Frauen sind niedrigere Wesen, deren Lebenszweck es
ist, sich um das Wohlergehen des Mannes zu bemühen und ihm Kinder zu
gebären. LRA-Anführer Joseph Kony hat sich einen ganzen Harem zugelegt.
Diese Frauen haben ihm eine große Schar Kinder geboren. Ich kenne eine
dieser Frauen sehr gut. Sie war selbst noch ein Kind, 12 Jahre alt, als
Kony sie zur Frau nahm. Sie hat ihm drei Kinder geboren. Heute ist sie 20,
und die Kinder sind alt genug, zur Schule zu gehen. Kony hat sie in ihr
Dorf zurückgeschickt. Doch als sie zurückkam, hat sich ihre Familie
geweigert, sie wieder aufzunehmen und die Kinder anzuerkennen. Sie lebt nun
ganz allein, ihr Dorf behandelt sie wie eine Aussätzige.
Wie hilft Ihre Organisation diesen Frauen?
Der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag führt Verfahren bei
Kriegsverbrechen durch, die im Rom-Statut definiert sind, darunter auch
Verbrechen an Frauen sowie Vergewaltigung als Kriegswaffe. Wir wollen
Frauen die Möglichkeit geben, in den Gerichtsverfahren gehört zu werden,
ohne um ihr Leben fürchten zu müssen.
Sie versuchen den Zeugenschutz zu verbessern?
Oft werden die einfachsten Dinge falsch gemacht. Ein Beispiel: Meist fahren
Mitarbeiter des Gerichts mit einem weißen UNO-Geländewagen in ein kleines
Dorf, um dort eine Frau abzuholen. Doch selbst in abgelegenen Regionen
spricht es sich herum, dass am anderen Ende der Welt gerade dieser oder
jene Fall verhandelt wird. Sobald die Dorfbewohner sehen, vor welchem Haus
das Auto hält, kann sich jeder ausmalen, dass die Frau als Zeugin geladen
ist. So funktioniert Zeugenschutz nicht. Wir setzen uns dafür ein, dass die
Frauen mit ihren Familien eine Möglichkeit erhalten, sich weit entfernt von
ihrem Dorf eine neue Heimat zu suchen oder gar Asyl in Europa zu erhalten.
Auch die Möglichkeit, eine neue Identität anzunehmen, sollte in Betracht
gezogen werden - bis hin zu der Option einer plastischen Gesichtsoperation.
Welchen Problemen begegnen Sie weiter?
Nehmen wir Uganda, wo ich selbst herkomme. Hier waren die Täter nicht nur
Rebellen. Die haben Uganda vor vielen Jahren verlassen, sie wüten nun in
den Nachbarländern. Während des Krieges haben sich aber auch
Regierungssoldaten an Frauen vergangen - Soldaten, die eigentlich die
Bevölkerung beschützen sollten. Es ist ein schwieriges Unterfangen, in
diesem Fall Gerechtigkeit zu erfahren.
Wie wichtig ist es, dass Ihre Organisation stellvertretend diesen Frauen
eine Stimme gibt?
Die Verbrechen werden meist in abgelegenen Regionen begangen. Wenn wir als
Organisation nicht dorthin gehen, um ihre Aussagen aufzunehmen, würden ihre
Geschichten niemals gehört werden. Denn die Mehrheit dieser Frauen sind
Analphabetinnen. Sie haben vom Rom-Statut noch nie etwas gehört. Sie
benötigen Vermittler, eine Initiative wie die unsrige, die ihnen überhaupt
erst erklärt, dass es Wege zur Gerechtigkeit gibt. Wir haben auch die
Initiative ergriffen, um Frauen, die entweder von den Rebellen als
Sexsklavinnen misshandelt oder von Soldaten vergewaltigt wurden, in die
Friedensverhandlungen mit einzubeziehen. Die Aussagen der Frauen haben
immerhin bewirkt, dass wir nun auch bei der Einrichtung des nationalen
Gerichtshofs für Kriegsverbrechen in Uganda mitwirken können.
Wie wichtig ist es, dass Verbrechen an Frauen als Kriegsverbrechen
anerkannt werden?
Ich muss vorweg sagen: Ich bin selbst kein Opfer von Vergewaltigung. Doch
ich kenne die Opfer und bin deren Anwältin. Aus dieser Perspektive kann ich
sagen: Vergewaltigung ist ein sehr intimes Verbrechen. Es zerstört den
Menschen innerlich. Man kann jemanden entschädigen, dessen Haus
niedergebrannt wurde. Doch eine Vergewaltigung ist nicht wiedergutzumachen.
Der Schmerz in der Seele bleibt für immer. Doch es ist wichtig, dass diese
Opfer sagen dürfen, was genau ihnen helfen würde, ihren Schmerz zu lindern.
Viele wollen die Täter nicht unbedingt lebenslang hinter Gittern wissen.
Einigen wäre es bereits genug, ein Geständnis und eine Entschuldigung aus
deren Mund zu vernehmen. Wir sprechen übrigens nicht nur über Frauen und
Mädchen. Wir haben uns "Fraueninitiative für Geschlechtergerechtigkeit"
genannt, weil wir uns auch gegen Vergehen an Jungen und Männern einsetzen.
Die LRA entführt mehrheitlich Jungen, und im Kongo werden zunehmend auch
Männer von Rebellen sexuell missbraucht.
Wie wichtig ist die Resolution 1325 für Ihre Arbeit?
Die Resolution war ein Meilenstein. Doch es gibt in der Praxis noch immer
Probleme. Denn Frauen müssen vor Gericht beweisen, dass sie vergewaltigt
wurden. Wie soll das funktionieren, wenn nach der Tat keine medizinische
Untersuchung gemacht wurde? Hinzu kommen kulturelle und psychologische
Barrieren. Ich habe Gerichtsprozesse erlebt, in denen die Frau sagte, "er
hat mich mit Gewalt genommen". Das Wort "Vergewaltigung" wollte sie einfach
nicht aussprechen. Aber der Richter hat sie so lange ausgefragt, bis sie
psychisch fast zusammengebrochen wäre. Für Frauen sind solche Aussagen eine
Gefahr der Retraumatisierung. Sie benötigen psychologischen Beistand. Diese
Punkte müssten in der Resolution berücksichtigt werden.
29 Oct 2010
## AUTOREN
Simone Schlindwein
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