# taz.de -- Fachkräftemangel im Gesundheitssystem: Teufelskreis der Belastung | |
> In der Pflege fehlen Fachkräfte, dadurch steigt die Belastung der | |
> Beschäftigten. Aufgrund der schlechten Arbeitsbedingungen ziehen sich | |
> immer mehr Menschen aus dem Job zurück. | |
Bild: Immer weniger helfende Hände, immer mehr Patienten. | |
Es ist merkwürdig: Einerseits suchen Pflegedienste und -heime händeringend | |
examinierte Fachkräfte. Andererseits aber steigt die Zahl der arbeitslos | |
gemeldeten AltenpflegerInnen. "Die Leute bleiben oft nicht lange im Beruf", | |
erklärt Johanna Knüppel, Sprecherin des Deutschen Berufsverbands für | |
Pflegeberufe (DBfK). Die körperlichen und nervlichen Belastungen, die | |
Schichtdienste schlagen auf die Gesundheit - und wer krankheitsbedingt | |
ausscheidet, landet erst mal in der Arbeitslosenstatistik. | |
Wegen der schlechten Arbeitsbedingungen in der Pflege schlägt der Verband | |
jetzt Alarm. Am Montag startete er seine Aktion: "Gelbe Karte an die | |
Bundeskanzlerin", in deren Rahmen Pflegekräfte gelbe Karten an das | |
Bundeskanzleramt schicken können, auf denen sie gegen die hohe Belastung | |
protestieren ([1][www.dbfk.de]). Verbandsgeschäftsführer Franz Wagner | |
erklärte, das Hauptproblem der Beschäftigten sei "zu viel Arbeit für zu | |
wenig Köpfe". Dies wiege sogar noch schwerer als die Frage einer | |
angemessenen Bezahlung. Die Anforderungen an die Pflege in Heimen oder auch | |
bei den Betroffenen zu Hause steige auch deswegen, weil die Verweildauern | |
in den Krankenhäusern schrumpften. | |
"Wir bräuchten dringend mehr examinierte Fachkräfte", erzählt Bärbel | |
Rogait, Pflegeleiterin bei einem ambulanten Pflegedienst in Berlin, "unsere | |
Krankenschwestern arbeiten an der Belastungsgrenze". Früher zum Beispiel, | |
schildert Rogait, blieben Patienten, die intravenös über einen Katheter | |
versorgt wurden, im Krankenhaus. Heute aber werden die Betroffenen nach | |
Hause entlassen, eine ambulante Pflegekraft muss dann bei der sogenannten | |
Portversorgung die Zugänge legen. Die Arbeitsverdichtung pro Fachkraft habe | |
"enorm zugenommen", schildert die Pflegedienstleisterin, die schon 40 Jahre | |
in der Branche arbeitet. | |
Die Belastung entwickelt sich zum Teufelskreis, denn wegen des Stresses | |
"gehen viele in andere Berufe oder reduzieren auf Teilzeit", so Rogait. Das | |
wiederum verstärkt den Fachkräftemangel und damit die Arbeitsverdichtung | |
für diejenigen, die in der Branche noch ausharren. | |
Vor kurzem warnte der Arbeitgeberverband Pflege, dass aufgrund des Mangels | |
an examinierten Pflegekräften bald Stationen oder Heime geschlossen werden | |
müssten. Der Arbeitgeberverband erwartet bis zum Jahre 2020 in der Pflege | |
einen zusätzlichen Bedarf von 300.000 Arbeitskräften, davon 77.000 | |
Fachkräften. | |
Dabei könnte die Arbeit unter besseren Bedingungen sogar Freude machen: | |
"Ich mag eigentlich meinen Beruf", sagt Rogait. In ihrem Pflegedienst gibt | |
es nur ein Zweischichtsystem. Eine Fachkraft verdient brutto zwischen 2.500 | |
und 3.000 Euro im Monat. Das Dreischichtsystem in Kliniken und Heimen ist | |
für viele Frauen ein großes Problem. "Viele Alleinerziehende bekommen die | |
Schichtdienste nicht mit der Kinderbetreuung unter einen Hut", sagt | |
Verbandssprecherin Knüppel. | |
Es gibt allerdings einen bemerkenswerten Unterschied zwischen Kranken- und | |
Altenpflege. Nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit hat sich die | |
Zahl der arbeitslos gemeldeten Altenpfleger und AltenpflegehelferInnen in | |
zehn Jahren auf heute fast 40.000 nahezu verdoppelt. Die Zahl der | |
arbeitslosen Krankenschwestern und -pfleger ist hingegen gesunken. Es | |
werden heute aber mehr offene Stellen für AltenpflegerInnen als für | |
Krankenschwestern angeboten - geeignetes Personal in der Altenpflege ist | |
offenbar schwer zu finden. | |
1 Nov 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.dbfk.de/ | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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