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# taz.de -- "Handelsblatt"-Chef Steingart: Ein Mann denkt an den Leser
> Ex-"Spiegel"-Mann Gabor Steingart leitet seit gut einem halben Jahr die
> Redaktion des "Handelsblatts". Seine Online-Strategie: "Wir machen nichts
> mehr für umsonst".
Bild: Dem Verleger gefällt er: Gabor Steingart.
Seit rund vier Wochen haben die sechs, bald sieben US-Korrespondenten des
Handelsblatts noch einen kleinen Nebenjob: Wenn die Düsseldorfer Redaktion
Feierabend macht, übernehmen die Kollegen aus Übersee für einige Stunden
die Kontrolle über [1][Handelsblatt.com] und aktualisieren den
Onlineauftritt des im März 2009 von Stefan von Holtzbrinck an seinen
älteren Halbbruder Dieter zurückverkauften Wirtschaftsblatts - ein
überraschendes Comeback des 69-Jährigen, der sich selbst nun scherzhaft
"Jungunternehmer" nennt.
"Begeisterung wäre übertrieben", schildert Gabor Steingart, seit Ostern
Handelsblatt-Chefredakteur, in der vergangenen Woche vor Journalisten und
Werbekunden in Frankfurt die Reaktionen der Korrespondenten auf die
zusätzliche Arbeitsbelastung durch "Handelsblatt 24/7", "aber die wissen,
was die neue Zeit erfordert." Und nachts mit Aushilfskräften zu arbeiten
sei nun wirklich nicht "Handelsblatt-like", sagt Steingart, 48, der zuvor
Washington-Korrespondent des Spiegels war und gern dessen Chefredakteur
geworden wäre.
"Er gibt Gas. Das ist toll", lobt Dieter von Holtzbrinck seinen Mann in
Düsseldorf bei einem seiner seltenen öffentlichen Auftritte, "und er ist
unheimlich diskussionsoffen." Gegenüber dem Verleger mag das stimmen, bei
seinen Mitarbeitern aber gilt Steingart als - vorsichtig formuliert -
äußerst eigensinniger und fordernder Chef.
Wenn Redakteure stöhnen, muss das kein schlechtes Zeichen sein, es zeigt
jedoch, dass da zwei noch nicht zusammengewachsen sind: die Thesenmaschine
Steingart, die schon Bücher über den Abstieg Deutschlands und das
Nichtwählen geschrieben hat, und die eher biedere zahlenbasierte
Handelsblatt-Welt, in der sich so mancher Leser und Redakteur immer noch
nicht an die Umstellung aufs Tabloidformat vor genau einem Jahr gewöhnt
haben dürfte.
Apropos Leser: Vor lauter Krisengerede hätten Journalisten ihn aus den
Augen verloren. Daher fordert Steingart fürs Handelsblatt, eigentlich für
die ganze Branche eine "Rückkehr zur Leitwährung Leser". Die Frage, wie
viele Zeitungen verkauft würden, müsse abgelöst werden von "Wie viele
Menschen erreichen wir insgesamt, unabhängig von der Plattform?"- also
nicht nur per Zeitung und Website, sondern auch über die geplante
iPad-Applikation "Handelsblatt exklusiv". Selbstverständlich sei die
iPad-Anwendung kostenpflichtig, so Steingart, "wir machen nichts mehr für
umsonst."
Und trotzdem bleibt die Frage, wie ein Erlösmodell ohne das Kerngeschäft
Zeitung aussehen kann. Dieter von Holtzbrinck gibt sich überzeugt: 2010
werde die Verlagsgruppe Handelsblatt, zu der auch noch die Wirtschaftswoche
gehört, voraussichtlich wieder schwarze Zahlen schreiben, im nächsten Jahr
sogar wieder "vernünftige Gewinne" abwerfen.
Das unterscheidet das Handelsblatt von der defizitären
Gruner+Jahr-Konkurrenz Financial Times Deutschland, "unter
marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gibts die gar nicht", bemerkte von
Holtzbrinck spitz. Das Handelsblatt werde die FTD überleben und die Krise
sowieso.
Steingart selbst kann übrigens die Handelsblatt-Website nicht
aktualisieren, verriet er auf Nachfrage, zu viel zu tun bisher, "aber
vielleicht sollte ich auch mal in die Schulung gehen". Den Online-Chef
freuts: "Jederzeit!" Sonst hat er, der sein Namensschild selbst beschriften
musste - Onlinestrategie hin oder her -, während der gesamten Veranstaltung
nichts zu sagen.
1 Nov 2010
## LINKS
[1] http://Handelsblatt.com
## AUTOREN
David Denk
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