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# taz.de -- Die Machtergreifung der Medien: "Ein Akt nationaler Notwehr"
> Die Pressegeneräle erläutern nach der Machtergreifung der Leitmedien ihr
> Programm. Diekmann, Matussek und Schirrrmacher verkünden das "Ende der
> Gleichheit". Eine Vision
Bild: Den Feind im Visier: Eine Meute Medienleute pirscht sich an die letzten g…
BERLIN, 3. Juli 2010 taz | Zwei Wochen nach dem spektakulären
"Presseputsch" mühen sich Deutschlands neue Machthaber um eine Beruhigung
der Lage. Kai Diekmann (vormals Bild), am vergangenen Mittwoch nach einer
stürmischen Nachtsitzung im ehemaligen Kanzleramt zum Vorsitzenden des
"Rates der Pressegeneräle" gewählt, sprach von einer "notwendigen
Konsolidierung". Stolz präsentierte er ein persönliches
Glückwunschtelegramm von Papst Benedikt.
"Die Machtübernahme durch die Leitmedien", erläuterte Diekmanns Vorgänger
Dirk Kurbjuweit (ex Spiegel) vor ausgewählten Schreibsoldaten im Café
Einstein Unter den Linden, habe man "eben hier" bei einem zufälligen
Treffen führender Alpha-Journalisten "spontan beschlossen". Allen
Anwesenden sei ein Putsch plötzlich "als einzig logische Folge" ihrer
Kommentare und insbesondere des Spiegel-Titels vom 14. Juni ("Aufhören!")
erschienen.
"Wir hatten Rot-Grün, Schwarz-Rot und Schwarz-Gelb heruntergeschrieben.
Jetzt mussten wir selbst ran." Die "Trümmerfrau Angela Merkel" habe ihn
angesichts der "Scherben ihrer Kanzlerschaft" persönlich um Ablösung
gebeten. Seine Entscheidung, bereits nach wenigen Tagen ins zweite Glied
zurückzutreten, erklärte Kurbjuweit mit "notorischer Nachdenklichkeit":
"Ich bin zu sensibel für die Führung einer Junta."
Wirtschaftsgeneral Gabor Steingart (ex Handelsblatt) legte unterdessen in
einem Tagesbefehl an die Vorstände der wichtigsten DAX-Unternehmen
Grundzüge der neuen Politik dar: Man werde "Deutschlands Abstieg zügig
stoppen" und den "Weltkrieg um Wohlstand proaktiv vorbereiten". Vor allem
das Verhältnis zu China müsse neu bewertet werden.
Im Inland gelte es zunächst, "den sozialen Missbrauch und eine vieles
erdrückende - fast schon sozialistische - Bürokratie" einzudämmen. Bis zum
Jahresende, versprach Steingart, würde der "Faktor Arbeit" durch
Lohnkürzungen und die "Verschlankung der Sozialsysteme" um "mindestens 30
Prozent verbilligt".
Das von den Medienmächtigen angekündigte "Ende der Gleichheit", beteuerte
Finanzgeneral Rainer Hank (vormals Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung),
müsse "niemandem Angst machen". Nach einer kurzen Phase der Anpassung werde
die "weitgehende Deregulierung der Arbeits-, Güter- und Kapitalmärkte und
eine ebenso weitgehende Privatisierung des öffentlichen Sektors"
automatisch zu mehr Wohlstand für alle führen: "Die Märkte werden es
richten!"
Bald, ergänzte der neue Chefgeneral Diekmann, werde die Nation auch vom
Anschluss Griechenlands als 17. deutsches Bundesland profitieren, den er in
den EU-Gremien zügig vorantreibe. Größere Küstenabschnitte Spaniens, die
"ohnehin in deutscher Hand" seien, könnten bei den in Südeuropa
grassierenden Zahlungsproblemen "ebenfalls angegliedert werden". Diekmann
selbst soll bereits eine griechische Insel als Sommerresidenz requiriert
haben. Schon Axel Springer, erläuterte ein Presseoffizier aus seinem Stab,
habe "dort tiefe Inspiration gefunden".
Verteidigungsgeneral Josef Joffe (ehemals Die Zeit) bedankte sich bei den
Streitkräften für ihre schnelle Einsicht in die neue Macht der Vierten
Gewalt. In einem mehrfach von starkem Beifall unterbrochenen Vortrag vor
dem Verein Atlantikbrücke benannte er den Kampf gegen "politisch korrekten
Quatsch" als weiteres Kernanliegen der Medienjunta. "Wir bereiten dem
Klimageschwätz ein Ende", so Joffe. Ab sofort werde man sich auf "brutale
Marktreformen" sowie die "Zerschlagung des Islamofaschismus" konzentrieren.
Der kommissarische Regierungssprecher Matthias Matussek wandte sich derweil
energisch gegen "das Gerede vom Presseputsch". Die weitgehend unblutige
Machtübernahme durch die Leitmedien stelle einen "Akt nationaler Notwehr"
dar. Ab heute, drohte Matussek, werde man "feministischen Sirenen und
tränenschlierigen Bedenkenträgern" offensiv gegenübertreten, ihnen "auch
mal den Arsch aufreißen".
Die militärische Abriegelung der nicht an der Machtübernahme beteiligten
Pressehäuser werde aufrechterhalten, "bis das Vaterland gefestigt ist". Die
Sperrung des Internets hingegen könne bereits in der kommenden Woche
gelockert werden, so Matussek - "schon damit ich wieder bloggen kann".
Bereits am Montag hatten nach den Privatsendern auch die Spitzen von ARD
und ZDF ihre "unbedingte Kooperationsbereitschaft" mit den Pressegenerälen
bekräftigt. Gerüchte, der scheidende Süddeutsche-Chefredakteur Hans Werner
Kilz sei unter Hausarrest gestellt worden, wurden nicht offiziell
bestätigt. "Der gute Kilz", hieß es allerdings im Umfeld des für Kultur und
Forschung zuständigen Befehlshabers Frank Schirrmacher (ex FAZ), sei "ein
Methusalem", habe schon 2004 beim Kampf von Bild, Spiegel und FAZ gegen die
Rechtschreibreform gezaudert.
Schirrmacher kündigte an, die für den kommenden Sonntag angesetzte
Inthronisierung des neuen Bundespräsidenten Günther Jauch werde der
Leitmedien-Regierung "ein Glanzlicht aufsetzen" und "eine neue Epoche
einläuten". Kritik an der Verzehnfachung des Präsidentengehalts bezeichnete
er als "kleinliche Neiddebatte". Einer neu erwachten Nation müsse ein Jauch
"allemal einen kleinen zweistelligen Millionenbetrag wert sein". Die
Medienjunta werde die Politik, so Schirrmacher, "zunächst einmal von allem
Ideologischen, ja sogar von allem Zivilisatorischen befreien".
22 Jun 2010
## AUTOREN
Tom Schimmeck
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