# taz.de -- Kommentar Union und Migranten: Die Integration der Stammtische | |
> Gespensterdebatten um angebliche "Integrationsverweigerer" und "falsche" | |
> Zuwanderer tragen nur dazu bei, Ressentiments zu schüren. Da war die | |
> Union schon mal weiter. | |
Wenn sich Angela Merkel heute mit Migrantenverbänden und anderen | |
Interessenvertretern zum "Integrationsgipfel" trifft, dürfte die Stimmung | |
gereizt sein. Sie wolle die Einwanderer stärker "fordern und fördern" - das | |
gab die Kanzlerin als Motto aus, als sie vor fünf Jahren die erste | |
Konferenz dieser Art einberief. Doch dass die Ausländer- und | |
Aufenthaltsgesetze seither noch verschärft wurden, während es in Sachen | |
"Fördern" meist bei vagen Absichtserklärungen blieb, hat viele ernüchtert. | |
Die CSU legt jetzt gleich einen ganzen Stapel neuer Forderungen auf den | |
Tisch. Sie dringt darauf, sogenannte Integrationsverweigerer mit härteren | |
Sanktionen zu bestrafen, Dabei weiß niemand so genau, wer das sein soll und | |
wie viele es von ihnen gibt. Und sie will die Zuwanderung aus dem Ausland | |
begrenzen. Dabei ist die ohnehin spärlich. | |
Horst Seehofers Kalkül ist klar: Mit seinen populistischen Sprüchen über | |
türkische und arabische Einwanderer will er jene Lücke zwischen der | |
Merkel-Union und den Stammtischen schließen, in die sonst eine neue | |
rechtspopulistische Partei stoßen könnte. Doch dieses Kalkül ist | |
kurzsichtig, denn die Erfahrung aus Ländern wie Österreich und den | |
Niederlanden lehrt: Wer Ressentiments gegen Einwanderer salonfähig macht, | |
bereitet künftigen Rechtspopulisten den Weg. | |
Gespensterdebatten wie die um angebliche "Integrationsverweigerer" und | |
"falsche" Zuwanderer tragen nur dazu bei, verbreitete Ressentiments zu | |
schüren. Und Angela Merkel fällt dazu nicht viel mehr ein, als zu erklären, | |
dass "Multikulti gescheitert" sei. Da war die Union schon mal weiter. | |
Gleichzeitig lenkt die CSU mit ihrem Getöse von den wirklichen Problemen in | |
Sachen Bildung und Arbeitsmarkt ab - und droht, jene Fortschritte in der | |
Integrationspolitik zu blockieren, zu denen diese Regierung ansonsten | |
durchaus in der Lage wäre. | |
Viele Migranten haben sich an solche Debatten gewöhnt. Sie gehören zu | |
diesem Land wie der kalte Novemberregen, der ja auch irgendwann | |
vorübergeht. | |
Andere, wie jene rund 700 Deutschtürken etwa, die jetzt einen offenen Brief | |
an die Politik verfasst haben, sind alarmiert und fürchten Schlimmeres: | |
eine Wiederkehr jener populistischen Stimmungsmache, die in den frühen | |
Neunzigerjahren in Mölln und Solingen mehrere Tote forderte. So weit muss | |
es nicht kommen. Aber die Politik muss auch diese Sorgen und Ängste ernst | |
nehmen. | |
2 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Daniel Bax | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Gestaltung der Einwanderungspolitik: Jungpolitiker fordern Ausländerwahlrecht | |
Jusos und Grüne Jugend kritisieren "Rassismus bei den Eliten" und wollen | |
die Integrationspolitik umkrempeln. Und der Zentralrat der Muslime fordert | |
eine Migrantenquote. | |
Migranten in der CSU: Bayerisch, türkisch, sozial | |
Auch in der CSU gibt es sie, wenn auch nicht sehr zahlreich: türkische | |
Migranten. Vor allem das Traditionsbewusstsein der Christsozialen gefällt | |
ihnen. |