| # taz.de -- Rekordergebnisse für die Grünen: Umfrage-Hoch nur schöner Schein? | |
| > Dass die Grünen im Bund vermeintlich vor der SPD liegen, ist ein großes | |
| > Thema. Was oft vergessen bleibt: Zu diesem Ergebnis kommt nur ein | |
| > einziges Umfrage-Institut. | |
| Bild: Grünes Wachstum: Vor allem beim Institut Forsa zu finden. | |
| Die Grünen bundesweit vor der SPD: Das beschäftigt seit Wochen Medien und | |
| Politik. Auch heute meldet eine aktuelle Umfrage dieses Ergebnis. Ein | |
| genauer Blick auf die Prognosen der vergangenen Wochen zeigt aber: | |
| Lediglich bei Forsa sind die Grünen vor den Sozialdemokraten. | |
| Emnid sieht am gleichen Tag die SPD vor den Grünen. Bei GMS, Infratest | |
| dimap, der Forschungsgruppe Wahlen und Allensbach sind die Sozialdemokraten | |
| sogar deutlich vor den Grünen. Die Zahlen dieser Institute gleichen sich | |
| untereinander stark. Angesichts dieser Sachlage liegt eine Vermutung nahe: | |
| Die Werte von Forsa können nicht ganz stimmen. | |
| Einer solchen These widerspricht Manfred Güllner, Gründer und | |
| Geschäftsführer von Forsa, gegenüber der taz vehement. Vielmehr fragt er, | |
| woher die vermeintlich hohen Werte für die SPD bei anderen Instituten | |
| kommen. Die Sozialdemokraten hätten nicht dazu gewonnen, sie würden sich | |
| lediglich mühsam halten: Wenn die SPD in Baden-Württemberg in Prognosen bei | |
| 19 Prozent läge, im Bund aber fast zehn Punkte stärker gesehen wird, dann | |
| „passt etwas nicht zusammen“, so Güllner. | |
| Der Meinungsforscher, selbst Mitglied der SPD, verweist auch auf Umfragen | |
| vor der Europawahl, bei denen viele Institute der damals noch von Franz | |
| Müntefering angeführten Partei deutlich mehr Stimmen vorhersagten, als sie | |
| letztlich erhielt. | |
| Den Grund für die Diskrepanz zu den Umfrageergebnissen anderer Institute | |
| sieht Güllner vor allem in der Qualität der eigenen Befragungen. „Wir sehen | |
| Dinge schneller als andere.“ Er geht davon aus, dass sich die Werte der | |
| anderen Institute denen von Forsa annähern werden. Diese Prognose ist | |
| allerdings innerhalb der vergangenen zwei Wochen nicht eingetreten. | |
| Forsa-Werte stellen das Extrem dar | |
| Sind die Forsa-Zahlen also denen der anderen Instituten voraus? Klaus-Peter | |
| Schöppner, Geschäftsführer von tns Emnid, hält dagegen: Natürlich seien die | |
| Umfragen seines Instituts aktuell, jedoch bemühe man sich um eine Möglichst | |
| große Fallzahl, um Zufallsfehler möglichst gering zu halten: Je größer die | |
| Datenbasis ist, umso weniger Ausreißer gäbe es. | |
| Die Befragungen für die Sonntagsfrage, die Emnid beispielsweise für den | |
| TV-Sender N24 liefert, würden daher im Laufe einer Woche durchgeführt. Mit | |
| anderen Worten: Die ältesten Befragungs-Informationen sind bei der | |
| Veröffentlichung maximal sieben Tage alt, die jüngsten etwa einen Tag. Die | |
| Auftraggeber seien hochzufrieden: Sowohl mit der Größe der Stichproben von | |
| etwa 2500 Wählern, wie auch mit der Aktualität der Zahlen. | |
| Verständlicher Weise hält jedes Institut die eigenen Zahlen für korrekt. Zu | |
| denen anderer Einrichtungen will man sich nicht äußern. Für Güllners | |
| Aussage, Forsa sei der Konkurrenz voraus spricht, das mittlerweile mehrere | |
| Institute die Grünen über 20 Prozent sehen. So stark sah Forsa sie bereits | |
| im August. Auch die Werte für die SPD sind zumindest bei Emnid denen von | |
| Forsa näher gekommen. | |
| Dennoch bleibt auffällig, dass die Zahlen von Forsa in der letzten Zeit | |
| regelmäßig die Extremwerte unter den Instituten darstellen. Seit nun fünf | |
| Wochen liegen die Grünen dort vor der SPD. Nirgendwo anders sind die Grünen | |
| so stark, nirgendwo anders die SPD derartig schwach – und das zugleich. | |
| "Ständig am Extrem zu sein, halte ich schon aus statistischen Gründen für | |
| eher unwahrscheinlich", sagt Schöppner. | |
| Generell gelte: Umfragewerten weisen wegen statistisch begründbarer | |
| Zufallsschwankungen nur ganz selten einen durchgehenden, glatten | |
| Trendverlauf auf. Die aus der Stichprobenstatistik begründete Unsicherheit | |
| könne bei den größeren Parteien sogar bei bis zu plus/minus drei | |
| Prozentpunkten betragen, sagt Schöppner: "Es wird häufig der Eindruck | |
| erweckt, die Demoskopie könne Wahlergebnisse bis auf 1-2 Prozent genau | |
| vorhersagen. Das kann sie nicht!" | |
| Hoffnung der Medien sollte keine Rolle spielen | |
| Das Interesse an eben solchen Werten ist aber enorm. Und es sind es vor | |
| allem die spektakulären Werte, die Gehör finden: Neue Rekord-Hochs oder | |
| Rekord-Tiefs, die FDP unter fünf Prozent oder die Grünen sensationell vor | |
| der SPD. Und so können sich in den vergangenen Wochen neben den Grünen vor | |
| allem Forsa und seine Auftraggeber RTL und Stern freuen, werden sie doch | |
| reichlich zitiert. | |
| Für Emnid-Geschäftsführer Schöppner ist es jedoch kein Grund zu Neid, mit | |
| seinem Institut nicht so häufig zitiert zu werden: „Es kommt für uns darauf | |
| an, dass seriöse Zahlen mit Emnid in Verbindung gebracht werden. Die | |
| Hoffnung mancher Medien nach Ausreißern sollte dabei keine Rolle spielen. | |
| Wenn man die Seriosität hochhalten will, muss man nicht ständig in den | |
| Schlagzeilen stehen.“ Zudem seien die Politiker schlau genug, sich den | |
| richtigen Reim aus Umfragedaten zu machen. | |
| Ob das stimmt? Geradezu panische Reaktionen auf schlechte Umfragewerte sind | |
| jedenfalls keine Neuigkeit. Und Reaktionen, zumindest auf die Umfragewerte | |
| aus den Ländern, gab es seitens der Politik ebenfalls. So schliesst die SPD | |
| in Baden-Württemberg einen grünen Ministerpräsidenten nicht mehr | |
| kategorisch aus. Und auch Renate Künast würde wohl kaum in Berlin antreten, | |
| würden die Demoskopen ihr nicht realistische Chancen auf das | |
| Bürgermeisteramt zusprechen. | |
| 3 Nov 2010 | |
| ## AUTOREN | |
| Andreas Griess | |
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