# taz.de -- Rinder aus Limoges: Schlaraffenland für Fleischfreaks | |
> In der französischen Region Limousin war und ist das Fleisch berühmt – | |
> dank seiner entspannten, natürlich gehaltenen Rinder. | |
Bild: Ein gut gepflegtes Rindvieh auf der Weide. | |
Hoch ragen die Fachwerkhäuser auf, die so dicht gedrängt stehen, als | |
müssten sie sich gegenseitig stützen. Ein paar Spaziergänger schlendern | |
durch das ehemalige Metzgerviertel in Limoges und blicken in die großen | |
Schaufenster, in denen heute Schokolade statt Schweinsfüße und Ringe statt | |
Rinderhälften liegen. Designer, Künstler und Delikatessenhändler haben das | |
Viertel übernommen, in dem im 19. Jahrhundert 56 Metzgerfamilien regierten. | |
Limoges in der Region Limousin stand für das beste Rindfleisch in | |
Frankreich, nach dem sich Adlige und Königsfamilien die Finger leckten. | |
Auch heute sind europäische Gourmetköche scharf auf das rote Rindfleisch. | |
Vor allem außerhalb Frankreichs ist es äußerst begehrt und selten. Wer aber | |
im Limousin Urlaub macht, dem begegnet das berühmte Rind nicht nur auf dem | |
Teller, sondern auch auf der Weide. | |
Friedlich grasen drei Dutzend Kühe vor dem Hof von Olivier Breuil nahe | |
Limoges. Der Landwirt streichelt über das Fell eines seiner Tiere, das | |
rotbraun im Sonnenlicht schimmert. Diese Streicheleinheiten sind aber nicht | |
das Geheimnis für das gute Fleisch. Manche Rinder brauchen angeblich | |
Massagen und Mozart, um zu entspannen. „Meine Limousiner haut so schnell | |
nichts um“, erklärt der 28-Jährige. Eine robuste Rasse, die Tiere benötigen | |
kaum Medikamente, können ohne menschliche Hilfe kalben und lassen sich kaum | |
aus der Ruhe bringen. | |
Wissenschaftler haben laut Breuil herausgefunden: „Umso relaxter das Tier, | |
umso zarter das Fleisch.“ Aber natürlich gibt es noch andere Gründe, warum | |
das Limousiner Steak auf den Speisekarten der Edelrestaurants auftaucht. | |
Die Landwirte der Region verfolgen wie Breuil eine sehr natürliche Linie. | |
Kraftfutter ist tabu, die Tiere leben zu 95 Prozent von Gras und Heu, das | |
der jeweilige Viehzüchter vom eigenen Feld holt. Die Bauern begleiten ihre | |
Kühe sogar in den Schlachthof, damit sie keine Angst bekommen. Zwei Tonnen | |
Fleisch produziert der 28-Jährige auf diese Weise pro Jahr. Das meiste | |
verkauft er direkt ab Hof an Nachbarn und Bekannte oder über die Markthalle | |
in Limoges. | |
Das wichtigste Produkt dort ist Fleisch. Ein halbes Dutzend Metzger | |
hantiert mit Rinderhälften, Innereien, Schwanzstücken. Jedes Stückchen Kuh | |
wird verwertet. Vor den Ständen wehen Fahnen mit den roten | |
Qualitätssiegeln, die für „exzellentes Limousiner Rindfleisch“ stehen. In | |
den beiden angeschlossenen Restaurants stehen heute saure Kutteln und rosa | |
Filet auf der Karte. Hier sitzen Einheimische neben Touristen und | |
Geschäftsleuten. Die Tische sind so dicht besetzt, dass man immer wieder an | |
die Ellenbogen des Nachbarn stößt. | |
Wer einen Verdauungsspaziergang hinlegt, stößt gleich hinter der | |
kulinarischen Halle auf besagtes Metzgerviertel. In der Hauptstraße hat | |
zwar kein Schlachter überlebt, aber das Metzger-Museum hält das Gedenken an | |
die Gilde aufrecht. Wie ein Geheimbund hatten sich die Fleischverarbeiter | |
im 19. Jahrhundert organisiert, damit sich ja kein Fremder reinwurschteln | |
konnte. Die Söhne und Töchter durften nur Sprösslinge anderer | |
Metzgerfamilien heiraten. Das Geschäft war hart, wie die groben, schweren | |
Werkzeuge zeigen, mit denen die Männer die Tiere zerlegen mussten. Aber es | |
war einträglich. Nur kühlen mussten die Metzger das Fleisch irgendwie, und | |
so hatte ein schlauer Kopf unter ihnen die geniale Idee für den ersten | |
Kühlschrank Frankreichs. | |
Heute steht der Holzschrank im Eingangsbereich des Museums und die | |
Mitarbeiter demonstrieren, wie er funktionierte. Es gab schon Elektrizität | |
und damit auch Eis zum Kühlen. Fleisch und Eis wurden hineingestopft und | |
ein Ablauf sorgte dafür, dass die Rindersteaks nicht davonschwammen. | |
Rindfleisch in allen Variationen steht auch auf der Speisekarte des | |
„Restaurant de lAbattoir“. Ein Filetstück kann um die 35 Euro kosten, und | |
trotzdem ist die Gaststube voll. Das Konzept von Wirt Alain Longeval geht | |
voll auf. Er setzt nur auf höchste Qualität, sucht die Rinder schon beim | |
Bauern aus und prüft im Schlachthof, der gleich neban ist, ob alles korrekt | |
abläuft. Nachdem er uns ausführlich seine Qualititätsphilsophie erklärt | |
hat, nimmt er uns die Menükarte aus der Hand, eilt davon und kommt mit | |
einem riesigen Alutablett zurück, das er kaum tragen kann. Gut und gerne 15 | |
Kilo rohes Rindfleisch türmen sich darauf. Er lässt uns ein Stück auswählen | |
und beauftragt den Koch mit der Zubereitung. Das war keine | |
Sonderbehandlung. Wer sich bei der riesigen Auswahl auf der Karte nicht | |
entscheiden kann, kann sich vom Fleischtablett das beste Filetstück | |
aussuchen | |
11 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Christian Schreiber | |
## TAGS | |
Reiseland Frankreich | |
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