# taz.de -- Gentech-Pflanzen in Tierfutter: Brüssel gibt Gentech-Lobby nach | |
> Die EU-Kommission will das Totalverbot für nicht zugelassene | |
> Gentech-Pflanzen in Tierfutter aufheben. Kritiker befürchten | |
> Gesundheitsrisiken für Verbraucher. | |
Bild: Lecker Mais, aber leider gentechnisch verändert. | |
Die EU-Kommission ist dabei, ein weiteres Tor für Gentechnik in der | |
Landwirtschaft zu öffnen. Einem neuen Verordnungsentwurf der Brüsseler | |
Behörde zufolge sollen auch Gentechpflanzen, die in der Europäischen Union | |
nicht zugelassen sind, in Tierfutter nicht mehr komplett verboten sein. | |
Künftig sei ein Anteil von 0,1 Prozent plus einer noch zu bestimmenden | |
Fehlertoleranz erlaubt, heißt es in dem Papier, das der taz vorliegt. 0,1 | |
Prozent sei "der niedrigste Wert, den offizielle Labore zufriedenstellend | |
reproduzieren können", schreiben die Beamten. | |
Gefahr für Verbraucher | |
In den letzten Jahren waren einige Mais- und Sojalieferungen aus den USA, | |
Argentinien und Brasilien in die EU gestoppt worden, weil sie Spuren nicht | |
in der EU zugelassener Gentechpflanzen enthielten. Die Wahrscheinlichkeit | |
ist hoch, dass die EU-Kommission ihren neuen Grundsatz bei den | |
Mitgliedstaaten und im Parlament durchsetzen kann. | |
"Dann würden zum Beispiel Schweine Gentechmais aus den USA zu fressen | |
bekommen, dessen Sicherheit von keiner Behörde überprüft wurde", sagt | |
Lebensmittelexpertin Mute Schimpf von der Umweltschutzorganisation Friends | |
of the Earth Europe (FOEE). "Das ist eine mögliche Gefahr für die | |
Gesundheit, das Schweinefleisch wird ja gegessen." | |
Tatsächlich haben Wissenschaftler Erbinformationen aus gentechnisch | |
verändertem Futter in tierischen Produkten gefunden. Umstritten ist aber, | |
ob es die Gesundheit schädigt, wenn diese gegessen werden. | |
Gentechkritiker sehen den Plan der EU-Kommission allerdings auch als Teil | |
"einer systematischen Verunreinigungsstrategie". "Bauern und Verbraucher | |
sollen sich an Gentechpflanzen gewöhnen. Und wenn beim Verzehr dann nicht | |
gleich einer umfällt, sagen sie: ist ja nicht so schlimm", erklärt der | |
Bundesgeschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft | |
AbL, Georg Janßen. | |
Davon will man beim konservativen Deutschen Bauernverband nichts wissen. | |
Dort argumentiert man ganz anders: Die Nulltoleranz der EU gegenüber | |
illegalen Gentechpflanzen kostete die Agrarwirtschaft viel Geld, weil zum | |
Beispiel Schweinemäster oft nicht die preisgünstigsten Futtermittel kaufen | |
dürfen und die Importeure besonders sauber arbeiten müssen. An dieser | |
Einschätzung ändert es auch nichts, dass laut FOEE in diesem Jahr keine | |
einzige Schiffsladung eines Futtermittelexporteurs aus den USA, Argentinien | |
oder Brasilien in einem Hafen der EU zurückgewiesen wurde. | |
Verena Telaar, Gentech-Expertin des Verbands, sagt: "Der Vorschlag der | |
Kommission ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber er reicht noch | |
nicht." Denn der Anteil von 0,1 Prozent soll nur für bestimmte Pflanzen | |
gelten: Für diese muss es eine von den Behörden anerkannte Methode geben, | |
mit der sich die gentechnische Veränderung der Pflanze im Labor erkennen | |
lässt. "Für neue Pflanzen dauert so eine Anerkennung bis zu zwei Jahre", | |
kritisiert Telaar. Experten vermuten aber, dass für die meisten infrage | |
kommenden Pflanzen schon längst eine anerkannte Untersuchungsmethode | |
verfügbar ist. | |
Das CSU-geführte Bundeslandwirtschaftsministerium will sich zu dem | |
Vorschlag der Kommission noch nicht äußern, fordert aber seit geraumer Zeit | |
"eine praktikable Anwendung der Nulltoleranz". | |
Viel hängt an Deutschland | |
Die Vertreter Deutschlands, das in der EU erheblichen Einfluss hat, werden | |
am heutigen Montag in einem Ausschuss der Kommission mit den anderen | |
Mitgliedstaaten diskutieren. Anschließend wird die Sache vom | |
Europa-Parlament geprüft, in dem es eine konservativ-liberale Mehrheit | |
gibt. | |
14 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |