# taz.de -- Energieexperte über Rohstoffmangel: "Zu viele Handys verstauben im… | |
> Wirtschaft und Regierung warnen vor Rohstoffmangel. Legte die Industrie | |
> mehr Wert auf Effizienz, gäbe es kein Problem, sagt Johannes Lackmann vom | |
> Verein Deutscher Ingenieure. | |
Bild: Handys: Heute hui, morgen pfui. Aber immer noch gut zum Ausschlachten. | |
taz: Herr Lackmann, der Bundesverband der deutschen Industrie warnt, in | |
Deutschland könnten bald die Fabriken stillstehen, weil die Versorgung mit | |
wichtigen Rohstoffen nicht gesichert sei. Wie ernst sehen Sie denn die | |
Lage? | |
Johannes Lackmann: Natürlich ist die Versorgung mit bestimmten Rohstoffen | |
kritisch, weil allein schon stark schwankende Rohstoffpreise für Betriebe | |
wirtschaftlich bedrohlich sein können. | |
Also ist es richtig, dass die Bundesregierung und die EU-Kommission | |
Schwellenländer wie China auffordern, Exportbeschränkungen fallen zu | |
lassen, und auch Entwicklungshilfe an Rohstofflieferungen koppeln wollen? | |
Das allein wäre jedenfalls bei weitem nicht ausreichend. Wir müssen uns | |
schon breiter aufstellen, als nur über Handelshemmnisse zu reden. Das gilt | |
auch für die Deutsche Rohstoff AG, die derzeit im Gespräch ist … | |
… Sie ist eine Idee von FDP-Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle, die | |
deutschen Unternehmen sollen sich zusammentun, um etwa teure Minenrechte zu | |
kaufen. Was ist daran schlecht? | |
Zunächst einmal gar nichts. Aber wir können nicht immer größere Volumina an | |
Metallen oder Öl fordern, solange wir nicht wirklich effizient mit diesen | |
Ressourcenumgehen. | |
Was genau muss also getan werden? | |
Wir müssen unsere Fertigungsprozesse optimieren und weniger Material pro | |
Funktion einsetzen. Außerdem brauchen wir ein wesentlich besseres | |
Recycling. Wir dürfen uns nicht nur auf Dinge wie Altglas und Papier | |
konzentrieren, sondern müssen stärker die Wertstoffe aus Altautos oder | |
Elektronik im Auge haben. Zu viele unserer Altautos landen in afrikanischen | |
Straßengräben, Handys verstauben im Regal. Dabei enthält eine Tonne | |
Handyschrott 60-mal mehr Gold als eine Tonne Golderz! Und schließlich | |
brauchen wir auch mehr Forschung, wie wir Materialien substituieren können, | |
durch weniger kritische Materialien und nachwachsende Rohstoffe. | |
Auch Japan und die Vereinigten Staaten kämpfen auf dem Weltmarkt um | |
Rohstoffe. Können wir es uns leisten, uns aus diesem Wettbewerb | |
auszuklinken? | |
Es wäre nicht ratsam, sich auf die Nachfrage in Konkurrenz zu anderen | |
Ländern zu beschränken und dabei Effizienzlösungen zu vernachlässigen. | |
Rohstoffländer haben übrigens zum Teil gute Gründe, den Export ihrer | |
Rohstoffe zu steuern. Warum sollte uns Bolivien billig sein Lithium | |
überlassen? Sie sind dort gut beraten, in Kooperation mit Industrieländern | |
selbst Batterien zu bauen und von der höheren Wertschöpfung zu profitieren. | |
Wenn wir mehr auf Effizienz, Recycling und Substitution setzen, sinkt unser | |
Importbedarf. Zudem erlangen wir international einen Wettbewerbsvorteil, | |
weil wir uns nicht nur selbst aus kritischen Abhängigkeiten lösen, sondern | |
die ressourcenleichten Technologien auch noch exportieren können. | |
Warum sieht die Industrie das nicht? | |
In Teilen sieht sie das. | |
Nennen Sie ein Beispiel? | |
Es gibt schon jetzt Hersteller von Windrädern oder Elektromotoren, die ohne | |
seltene Erden wie Neodym auskommen. Tantal in der Elektronik lässt sich | |
durch andere Werkstoffe ersetzen. Die Ressourcenproduktivität der Industrie | |
stagniert seit Jahren. Hier ist ein viel schnellerer Wissenstransfer von | |
der Forschung an die Werkbank nötig. Unser Eindruck beim Verein Deutscher | |
Ingenieure ist auf jeden Fall: Die Möglichkeiten der Effizienz sind noch | |
lange nicht ausgeschöpft. Wenn uns das aber gelingt, haben wir kein | |
wirkliches Rohstoffproblem. | |
15 Nov 2010 | |
## AUTOREN | |
Heike Holdinghausen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |